Welcher Dialekt

Hi
Kann jemand mir sagen, in welchem Dialekt diese Saetze sind? Und ob ich sie sinngemaess ins Hochdeutsch uebersetzt habe.

Die sind Untertiteln von drei verschiedenen Drucken, vermutlich aus dem mittleren oder spaeten 19. Jahrhundert. Die sind in F/M gedruckt und vielleicht kann man daher schliessen, dass der Dialekt Hessisch von Frankfurt und Umgebung ist. Aber das Thema von zwei der Drucke hat augenscheinlich mit Juden zu tun und daher frage ich mich, ob vielleicht der Dialekt von denen Jiddisch waere, obwohl das scheint mir nicht der Fall zu sein. Ich bin kein Deutsch-Muttersprachler, uebrigens, falls mein Deutsch mich noch nicht verraten hat.

“Au wai. Wie schwul is mer mai Harz.” (hier nehme ich an, dass das Wort schwul in dem altmodischen Sinne von schwer zu verstehen ist.) Auf Hochdeutsch waere das, glaube ich: “Ach Weh. Wie schwer ist mir mein Herz.” Der Druck hat mit der Liebe zu tun. Die Leute im Druck sollen hoechstwahrscheinlich Juedisch sein
 Das vermute ich, weil man die Nasen der Leute etwas gross gezeichnet hat, wie man damals bevor political correctness und the late unpleasantness machte. Daher frage ich mich, ob der Dialekt Jiddisch sein koennte
obwohl andererseits, der Druck war wohl fuer Nichtjuden bestimmt.

“Schmul, warum heulst De so? Geb mer Deine Taude, ich geb der meine Lauwendige.” Habe ich so uebersetzt: “Schmul, warum heulst Du so? Gib mir Deine Tote, ich gebe Dir meine Lebendige.” Das Bild ist “Der Trost” getitelt und zeigt einen heftig weinenden Mann in seinem Schlafzimmer, einen Sarg auf dem Boden vor ihm. Der Leichenstatter wird gerade von der Frau des Leichenstatters mit einem Hammer angegriffen, vermutlich als Teil eines Streits. Der Hammer hat sie gerade benutzt, den Sarg zuzunageln, kann man ruhig annehmen. Der Zitat ist von dem Leichenstatter. Hier gehe ich von dem Spitznamen Schmul aus, dass der alte Man juedisch sein soll. Wegen der Nase auch, wie man sie gezeichnet hat.

“Awer, Herr Schultheiss, die Kleider vom Leibe reisse, does is kan Spass.” Dabei hat ein Mann – der Verliebte Dorfschulze, wie das Druck getitelt wird – den Rock einer Serviererin einer Gaststaette zwischen seinem Bein und der Sitz seines Stuhls gefangen. Der Rock wird also zwischen seinem Bein und der vorbeieilenden Serviererin ausgedennt. Der Zitat ist von ihr. Er sieht selbstgefaelligt aus
das ist nicht aus Versehen geschehen. “Awer(??? Ein nicht mehr verwendeter Ausruf?) Herr Schultheiss, die Kleider vom Leibe reissen, das ist kein Spass.”

Vielen Dank im Voraus
Jim

“Au wai. Wie schwul is mer mai Harz.”

Hi, Jim,
du liegst wahrscheinlich richtig. Es hört sich nach einem (allerdings stark gemĂ€ĂŸigten) Jiddisch an - oder zumindest nach einem Jiddisch, das bereits fĂŒr allgemeines Deutsch transkribiert wurde, aber dennoch als solches erkennbar sein soll.
zu „schwul“: Interessant ist, was im Grimmschen Wörterbuch dazu zu lesen ist:
„
 im ĂŒbertragenen sinne: es ist mir ganz schwul, mir ist heisz oder bĂ€nglich SCHMID 489; vgl. schwul, Ă€ngstlich, bange (Pfalz) KLEIN prov.-wb. 2, 150. SARTORIUS 115 (WĂŒrzburg); nd. swool, drĂŒckend heisz: swool weder; ĂŒbertragen: em was dar swool bi to mode, das herz war dabei beklemmt, er war voller angst DÄHNERT 480b 
“
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu


Auch die anderen Zitate sind meiner Meinung nach ein nmodifiziertes Jiddisch.
Gruß
Eckard

Auch die anderen Zitate sind meiner Meinung nach ein
nmodifiziertes Jiddisch.
Gruß
Eckard

Servus Eckard,

im letzten Satz:

"Awer, Herr Schultheiss, die Kleider vom Leibe reisse, does is kan Spass.”

finde ich nichts jiddisches. Das könnte genausogut hessisch sein. Das ‚awer‘, hieße dann einfach ‚aber‘.

Gruß

Kai

1 Like

Hi
Danke, Eckard und Kai. Ihre Antworten haben mir sehr geholfen.

Ich nehme an, dass die Abmahnung der Serviererin nicht auf Jiddisch sein sollte, unter anderem weil ich glaube es nicht zu erwarten waere, dass ein Dorfschultheiss Juedisch gewesen waere oder auch, dass eine Serviererin eines deutschen Dorflokals Juedin gewesen waere – damals vor 150 Jahren. Das Lokal sollte bestimmt in Deutschland sein, uebrigens, wegen des gemalten Spruchs an der Wand und wegen einiger Zettel an der Wand, worauf Deutsch zu lesen ist – es gibt also keinen Hauch von ost-europaeisches Schtetel oder so im Bild.

Ja, “angstvoll” oder “bange” waere wohl eine bessere Uebersetzung als “schwer.” Ich musste das Wort in einem alten D – E Woerterbuch (1907) im selben Antiquariat nachschlagen, wo ich die Drucke bemerkte, weil ich das Wort “schwul” nur in der modernen Bedeutung kenne. Ich dachte, dass ich mich an die Bedeutung “schwer” erinnerte, aber ich hatte wohl inzwischen vergessen. Alle solche Synonyme waeren moeglich, weil der Satz von einem jungen Mann geaeussert wurde, der augenscheinlich gerade dabei war, in Liebe zu missgluecken.

“Awer = aber” ist mir als Auslaender nicht eingefallen, wie es so geschrieben stand. Ich glaube aber, dass ich den gesprochenen Satz - mit entsprechender Betonung - verstehen wuerde.

Weil keiner von Euch mich verbessert habt, darf ich annehmen, dass meine Uebersetzungen ins Hochdeutsch gelungen sind? Fuer einen Auslaender war die Umsetzung von “die Taude” zu “die Tote” und besonders von “die Lauwendige” zu “die Lebendige” ein Bisschen weit her aber vom Kontext gesehen, machten die Uebersetzungen Sinn.

Noch einmal, vielen Dank.
Jim