Ein untauglicher Erklärungsversuch (lang)
Hallo Andreas,
Vorab: Eine wunderbare Frage! Ein virtuelles Sternchen darum.
Was gäbe ich darum, auch eine gute Antwort geben zu können. Doch um den Status der palästinensischen Gebiete haben sich schon sehr viele und sehr viel klügere Geister als ich die Köpfe zerbrochen. Die Ergebnisse sind so kontrovers, dass jeder eine für sich genehme Variante finden kann. Ich habe ein wenig nachgelesen, vielleicht kann ich den einen oder anderen Anhaltspunkt geben.
Fangen wir einmal 1947 an. (Das ist früh genug, wiewohl mit dem Besitzrecht mitunter bis in die Eisenzeit zurück argumentiert wird.) Mit 33 zu 13 entscheidet sich die UN-Generalversammlung für den Teilungsplan, wirksam ab 1.8.1948. Mit diesem Datum sollte die eine Hälfte des britischen Mandatsgebietes den Juden, die andere den Arabern übergeben werden. (Ich habe in Erinnerung, dass diese Entschließung völkerrechtlich bindend war, im Gegensatz zu den heutigen Generalversammlungsbeschlüssen, den Grund dafür habe ich aber jetzt nicht eruieren können.) Nun also müssten der Gaza-Streifen und die Westbank den palästinensischen Arabern gehören.
Israel akzeptiert diesen Entschluss und ruft einen eigenen Staat aus. Die Araber akzeptieren nicht und die arabischen Nachbarstaaten auch nicht. Es kommt zum Unabhängigkeitskrieg mit dem Ergebnis: das arabische Palästina ist kleiner geworden, im Gazastreifen sitzen die Ägypter und im Westjordanland die Jordanier. Streng genommen haben beide dort nichts zu suchen, sondern sind Usurpatoren. De facto aber gehört nun der Gazastreifen zu Ägypten und die Westbank zu Jordanien. Allerdings ziemlich stiefmütterlich, denn mitnichten erhalten die Palästinenser die Staatsangehörigkeit des Mutterlandes, geschweige denn so etwas wie ein Wahlrecht. Gehört nun der Gazastreifen und die Westbank Ägypten und Jordanien?
Nach dem Sechstagekrieg endet die jordanisch-ägyptische Herrlichkeit und Israel besetzt die Gebiete. Natürlich mit ebenso wenig Recht wie seine Vorgänger. Aber es übt die staatliche Gewalt aus, also gehören ihm die besetzten Gebiete in gewisser Weise. Zumindest hat es wohl die Verantwortung für besetzte Gebiete nach der Genfer Konvention, aber auch da gibt es Meinungsverschiedenheiten über juristische Spitzfindigkeiten. Rein völkerrechtlich hat sich aber wohl nicht viel geändert, die eine Fremdherrschaft hat die andere abgelöst.
Interessant wird es wieder mit dem Oslo-Abkommen. Israel und die PLO vereinbaren einen völkerrechtlich bindenden Vertrag über die Entstehung eines palästinensischen Staates. Zwar ziemlich rudimentär, denn wesentliche Punkte sind vertagt, aber immerhin. Vor allem entstehen nun 3 Zonen: Zone A gehört den Palästinensern mit fast allem drum und dran, Zone B wird von den Palästinensern mehr oder weniger verwaltet, aber wichtige Souveränitätsrechte bleiben bei Israel, Zone C „gehört“ weiter Israel. Geplant war eigentlich ein kontinuierlicher Fortschritt hin zu einer vollen palästinensischen Souveränität, aber aus oft diskutierten Gründen ist der Prozess beim jetzigen Stand stecken geblieben, einem ziemlich undefinierten Mischmasch. Die Machtübernahme der Hamas in Gaza hat das Ganze noch etwas chaotischer gemacht, denn nun stehen die palästinensischen Gebiete nicht einmal unter einheitlicher Verwaltung. Und seit dem Rückzug sieht sich Israel auch nicht mehr als verantwortliche Besatzungsmacht nach Art. 4, Genfer Konvention, obwohl es maßgeblich die Außengrenzen kontrolliert.
Ich kann also wirklich nicht sagen, wem der Gazastreifen Stand heute gehört. Ich wünsche nur für die Leute, die dort leben, dass man möglichst bald zu einer vernünftigen Einigung kommt und für sie das Los des Spielballs der Mächtigen schnell vorbei ist.
Gruß
Hardey