Wenn andere den eigenen Glaubensätzen widersprechen- wie umgehen damit?

Hatte heute ein Telefonat mit einer Bekannten. Sehr oft wenn wir telefonieren, erzählt sie von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die sie hat oder bei sich vermutet und sie sicherheitshalber von Ärzten abklären lassen will. In meinen Augen ist ein kleiner Schnupfen bei ihr schon ein größeres Drama und ich merke, wie ich genervt werde, weil ich selber eher den Glaubenssatz habe „man darf sich nicht zu wichtig nehmen“.

Meine Fragen mögen sich jetzt vielleicht komisch anhören, aber ich würde mich über eure Standpunkte freuen:

Bin ich intolerant, wenn mich ihre Sicht nervt?
Wann macht es Sinn, Menschen mit anderen Werten und Glaubenssätzen (versuchen) zu tolerieren und wann nicht? Ich glaube nicht, dass man alles bei anderen tolerieren und versuchen zu verstehen muss. Alles abzulehnen, was nicht den eigenen Werten und Glaubenssätzen entspricht kann auch nicht der Weg sein. Wie findet man die Grenze zwischen diesen Polen?

Ich nehme dann an, dass es dich nicht stören würde, wenn sie mit ihren kleinen Schnupfen still und bescheiden einen Arzt aufsuchen würde, ohne lang und breit davon zu berichten; dass es dich also weniger stört, dass sie alles direkt vom Arzt abklären lassen will, als dass sie mit ausführlichen Schilderungen ihrer gesundheitlichen Zustände deine Zeit in Anspruch nimmt, während du nur Dinge zur Sprache bringst, die du für wichtig erachtest?

Stimmt das so?
Und handelt es sich wirklich um eine philosophische Frage?

Mir ist der Satz ‚Man darf sich nicht zu wichtig nehmen‘ viel zu ungenau, als dass ich irgend etwas Philosophisches damit anfangen könnte. Wo wäre denn die Grenze zwischen ‚noch nicht zu wichtig‘ und ‚zu wichtig‘?
Außerdem: Widerspricht sie diesem Satz überhaupt? Diskutiert ihr darüber? - Ich hatte nach deiner Schilderung den Eindruck, dass es ihr Verhalten ist, das dich stört, und nicht ein entgegengesetzter Glaubenssatz, den sie geäußert hätte.

Kann es sein, daß du dich mit deinem wichtigen Grundsatz, man dürfe sich nicht zu wichtig nehmen, zu wichtig nimmst?

Hallo,
das hat nichts mit Werten oder Glaubenssätzen zu tun, sondern mit gesundheitlichem Leidensdruck. Und wenn man den nicht - entweder aus eigener Erfahrung oder beruflich bedingter Nähe (Arzt, Gesundheits-/Altenpfleger, Physiotherapeut usw.) - kennt, hat man in der Regel keine Ahnung, welche Einschränkungen damit im Alltag ggf. verbunden sind. Mit einer „passenden“ Allergie, Asthma oder einem Tinnitus kann ein „kleiner Schnupfen“ eine ziemlich quälende Angelegenheit sein.

Natürlich gibt es Krankheitsbilder, die eine gewisse von außen aufgezwungene Selbstbeherrschung erfordern, dafür gibt Dein Post aber nichts her und unterscheidet sich Deine Fragestellung auch eklatant von den dafür nötigen „Tritten in den Allerwertesten des Patienten“. Was Du beschreibst, ist deshalb aus meiner Sicht kein Abgrenzungsproblem sondern eher eines mangelnder Empathie.

Gruß vom
Schnabel

hi,

Das hier ist ein guter Anfang und eine gute Grundlage für die Entscheidung „Muss ich mich aufregen?“

Vermutlich gehst Du ihr auf den Nerv, weil Du alle körperlichen Beschwerden auf die leichte Schuklter nimmst.
Wie wäre es mit Trost für sie und der Bestätigung, dass sie richtig handelt, anstatt ihr zu sagen, dass sie sich unnötig aufrgt und den Arzt belästigt? Vermutlich werden sich die Geschichten schlagartig verkürzen.

die Franzi

Naja ich denke eher, dass es dich so ‚nervt‘, weil das Thema scheinbar zu oft ist. Wobei ich sie verstehe, denn wenn man krank ist, dann macht man sich schon so seine Gedanken. Man möchte ja gesund sein und lang leben. Das ist das Ziel.
‚Man darf sich nicht zu wichtig nehmen‘ find ich eine doofe Aussage. Klingt so, als wäre es dir egal, wenn du morgen bereits ins Jenseits wandern würdest.

Also man sollte sich das anhören und seine Meinung dazu sagen. Dann redet man halt drüber und findet vllt einen gemeinsamen Nenner. Jedenfalls ist jeder Mensch anders und man sollte versuchen, die Macken der anderen nicht so eng zu sehen und zu akzeptieren.

Gut, dieser Relativismus? Im „naturalistischen“ Sinne sicher nicht. Im „idealistischen“ schon, da bin ich ganz bei dir. Aber existenziell nimmt sich nun mal jeder am wichtigsten, macht den wesentlichen Unterschied zum Idealismus.

Der legendäre Hippie-Psychotherapeut Dr. Fredrick Perls („Fritz“) hätte vermutlich seinen damaligen Hippie-Neurotikern folgende Problemlösung vermittelt: Wenn du genervt sein willst, lass deine Gefühle raus, aber dabei bewusst.

Und wenn du nicht genervt sein willst, lass es bleiben. Vermutlich hätte „Fritz“ Perls so ähnlich „genervt“ reagiert, auf eine so scheinbar „wichtige“ Frage für die Philosophie.