Diesmal ohne FlachsâŠ
Lustig, wie sehr dieses Urteil doch polarisieren kannâŠ
Ihr irrt euch, wenn ihr meint, ich hĂ€tte das Urteil nicht verstanden. Ich habs nĂ€mlich gar nicht erst gelesen. Als ich die Reaktionen gesehen hab, wollte ich doch mal reinschauen, habs aber nicht gefundenâŠ
Das Urteil ist natĂŒrlich völlig richtig. FĂŒr eine Ehrverletzung ist der bewuĂte Ausdruck der MiĂ-/Nichtachtung notwendig. Völlig unstreitig liegt im Alltagsverhalten keine (zumindest bewuĂte) Ehr verletzung. Mich wĂŒrde aber interessieren, ob der Polizist Herrn B. darauf hingewiesen hat, nicht geduzt werden zu wollen. Jede entsprechende ĂuĂerung danach wĂ€re dann nĂ€mlich entsprechend strafbar.
Durch den ProzeĂ sollte Herrn B. bewuĂt geworden sein, daĂ sein Verhalten ehrverletzend und damit strafbar sein kann. Trotzdem wurde er freigesprochen, worauf er sich zukĂŒnftig immer berufen wird, wenn er jemanden (dann bewuĂt) beleidigt. Hoffentlich traut sich dann noch jemand, ihn anzuzeigen.
Also ich wÀr da nicht ganz so sicher, ob Art. 3 GG hier nicht Anwendung findet.
Wenn der Staat Person A fĂŒr ein Duzen nicht bestraft und Person B doch, dann ist das zunĂ€chst mal ein ganz klarer Fall des Anwendungsbereichs von Art. 3 I GG. Das hat mit Drittwirkung nichts zu tun, da es um das VerhĂ€ltnis BĂŒrger-Staat im jeweiligen Strafverfahren geht.
Der Staat behandelt dann in Funktion der Justiz den einen BĂŒrger bei gleichem SV anders als den anderen. Insofern ist das vom Schutzbereich erfasst.
Die Tatsache, dass bei Bohlen die UmstĂ€nde des Einzelfalles ggf. anders sind, ist dann nur eine Frage des Grundes der Ungleichbehandlung. Aber wenn der Staat zwei BĂŒrger bei (zunĂ€chst mal grundsĂ€tzlich) gleichem Verhalten unterschiedlich strafrechtlich behandelt, ist Art. 3 I GG relevant.
GruĂ
Dea
[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachtrÀglich automatisiert entfernt]
Hallo Dea,
meine Antwort bezog sich aber nur noch auf die Behauptung, das Grundgesetz wĂŒrde âfĂŒr alleâ und ânicht nur fĂŒr den Staatâ gelten. Du hast natĂŒrlich Recht: Mein Posting, wenn man es im Zusammenhang liest, ist blödsinnig. Aber diesen Zusammenhang hatte ich selbst gar nicht mehr im KopfâŠ
Levay
ich sehe das anders
Irgendwie verstehst du es nicht. Es ging in dem Prozess einzig
und allein um die Frage, ob Dieter Bohlen dem Polizist
gegenĂŒber seine Miss- oder Nichtachtung zum Ausdruck gebracht
hat. Wenn jemand, der stÀndig alle Leute duzt, das tut, dann
drĂŒckt er damit ja eben nicht seine Nicht- oder Missachtung
aus.
Was ist denn das fĂŒr eine Argumentation? Wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der es die Regel ist Unbekannte und vor allem Polizisten zu Siezen.
Das ist eine ungeschriebenen Regel. BloĂ weil ich beschlieĂe, dass ich das albern finde, drĂŒcke ich also nicht meine Nichtachtung fĂŒr die Person aus die ich anspreche und die erwartete gesiezt zu werden?
Damit drĂŒcke ich also nicht aus, dass es mir scheiss egal ist was die angesprochene Person davon hĂ€lt? Und wenn ich einer Person gegenĂŒber klarmache, dass sie und ihr befinden mir scheiss egal sind und ich mache was ich will, dann is das keine Missachtung eben dieser Person?
Und Du meinst meine Argumentation wÀre rechtlich im Sinne einer Verurteilung und einer geradlinigen Rechtsprechung nicht haltbar?
Hat Dieter eigentlich die Vorsitzende gesiezt??? Ich denke dochâŠ
Wenn jemand die Leidenschaft verspĂŒrt, stĂ€ndig Leute
âArschlochâ zu nennen, dann drĂŒckt er damit eben auch stĂ€ndig
seine Miss- oder Nichtachtung aus.
Wieso, er nennt doch jeden so, fĂŒr ihn is das voll normal⊠keine Missachtung. Er hat auch nix dagegen selbst so angesprochen zu werdenâŠ
Ich verstehe ehrlich gesagt
nicht, was daran so schwer zu verstehen ist.
Ein Richter am Berliner Landgericht hat mir mal gesagt, er befrage in schwierigen FÀllen die Putzfrau. D.h. er wollte sagen manchmal ist der einfache Menschenverstand weitaus nÀher an der Gerechtigkeit als der beste Kommentar.
Nicht die HÀufigkeit einer Beleidigung lÀsst den Tatbestand
entfallen (das wÀre ein Zirkelschluss), sondern aus allen
UmstĂ€nden des Einzelfalls ist zu folgern, ob es sich ĂŒberhaupt
um eine Beleidigung handelt.
Klar. Und in diesem Einzelfall Duzte Dieter nicht irgendwelche möchtegern Superstars, sondern einen ihm unbekannten Polizeibeamten, der unseren Staat reprÀsentiert.
ElC.
GutâŠ
Hallo!
Was ist denn das fĂŒr eine Argumentation? Wir leben nun mal in
einer Gesellschaft, in der es die Regel ist Unbekannte und vor
allem Polizisten zu Siezen.
Das mag ja sein, lĂ€sst aber nicht den RĂŒckschluss dahingehend zu, dass immer, wenn jemand âDuâ statt âSieâ sagt, damit verbunden ist, dass er seine Nichtachtung Ă€uĂert. Es ist unfein, einer Dame nicht die TĂŒr aufzuhalten. Wenn ich nun beim BĂ€cker einer Dame die TĂŒr nicht aufhalte, Beleidige ich sie dann? ErklĂ€re ich, sie sei keine Dame? Oder sie sei es nicht wert, dass man ihr die TĂŒr aufhalte?
Art. 103 II GG verlangt, dass Strafbarkeiten hinreichend bestimmt sind, auĂerdem gebietet der Grundsatz der VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit, dass man fĂŒr Lapalien nicht bestraft wird. Die Anrede mit âDuâ mag gesellschaftlich verpönt sein. Schutzgut aber der Beleidigungsdelikte sind nicht die anerkannten gesellschaftlichen Gepflogenheiten, sondern die persönliche Ehre.
Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt auch, dass man sich als einzelner vorher klar sein kann, was nun strafbar ist, und was nicht. Deswegen ist Gegenstand des Strafrechtsschutzes auch nicht das subjektive, vielleicht ĂŒbersteigerte EhrgefĂŒhl des Einzelnen, sondern der Anspruch auf Achtung der Persönlichkeit, der durch vorsĂ€tzliche Kundgabe von Missachtung verletzt wird.
Das ist auch keine Ausnahme fĂŒr Dieter Bohlens, sondern es entspricht der ganz ĂŒberwiegenden Meinung und auch der Rechtsprechung, dass die bloĂe Anrede mit âDuâ allein keine Beleidigung ist.
Und ganz im Ernst: Strafrecht soll Fehlverhalten bestrafen. Wenn jemand aber erklĂ€rt, er wolle gar niemanden beleidigen, wenn das auch glaubwĂŒrdig klingt, vielleicht kann man sich dann mal damit anfreunden, dass er das wirklich nicht beleidigend gemeint haben könnte. Dann gibt es auch nichts, was bestraft gehört, weil sich der betroffene dann eben rechtstreu verhalten hat.
Wenn jemand die Leidenschaft verspĂŒrt, stĂ€ndig Leute
âArschlochâ zu nennen, dann drĂŒckt er damit eben auch stĂ€ndig
seine Miss- oder Nichtachtung aus.
Das kommt drauf an. Wenn er das nett meint, könnte ihm zumindest bezĂŒglich dieser Kundgabe von Nichtachtung der Vorsatz fehlen und eine fahrlĂ€ssige Beleidigung gibt es nichtâŠes wĂŒrde aber wohl unglaubwĂŒrdig klingen, wenn man erklĂ€rte, âArschlochâ meine man anders als ĂŒblich. Bei dem âDuâ kann ich das schon eher glauben, dass das keine Beleidigung sein sollte. Das ist eben der qualitative Unterschied zwischen âDuâ und âArschlochâ. Und wenn alle Stricke reiĂen, sagt man halt, man habe lediglich âSchönen abend nochâ gesagt. Klappt zwar nicht immer, vor allem nicht am Morgen, aber Versuchen kann manâs.
Ein Richter am Berliner Landgericht hat mir mal gesagt, er
befrage in schwierigen FĂ€llen die Putzfrau. D.h. er wollte
sagen manchmal ist der einfache Menschenverstand weitaus nÀher
an der Gerechtigkeit als der beste Kommentar.
Das eigene Gerechtigkeitsempfinden muss nicht immer zu rechtmĂ€Ăigen Ergebnissen fĂŒhren. Wir können ja gern mal eine rechtsphilosphische Diskussion ĂŒber die Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit fĂŒhren, das wĂŒrde aber das Forum sprengen denke ich.
Klar. Und in diesem Einzelfall Duzte Dieter nicht irgendwelche
möchtegern Superstars, sondern einen ihm unbekannten
Polizeibeamten, der unseren Staat reprÀsentiert.
Hat Herr Bohlen letztlich die Bundesrepublik Deutschland Duzen wollen? Dann mĂŒsste man ĂŒber alles nocheinmal nachdenken
Florian.
Irgendwie verstehst du es nicht. Es ging in dem Prozess einzig
und allein um die Frage, ob Dieter Bohlen dem Polizist
gegenĂŒber seine Miss- oder Nichtachtung zum Ausdruck gebracht
hat. Wenn jemand, der stÀndig alle Leute duzt, das tut, dann
drĂŒckt er damit ja eben nicht seine Nicht- oder Missachtung
aus.Was ist denn das fĂŒr eine Argumentation?
Eine juristische.
Wir leben nun mal in
einer Gesellschaft, in der es die Regel ist Unbekannte und vor
allem Polizisten zu Siezen.
Das ist
-
falsch, weil man nicht âvor allemâ Polizisten zu siezen hat (wo hast du das denn her???) und
-
völlig unjuristisch, weil natĂŒrlich nicht alles, was nicht dem guten Ton entspricht, gleich strafbar ist. Es gibt sehr, sehr, sehr viel mehr Dinge im Leben, die âman nicht tutâ, als solche, die strafbar sind. Beleidigung ist eine Straftat!
Das ist eine ungeschriebenen Regel.
Mit ungeschriebenen Regeln kommt man im Rechtsstaat - strafrechtlich gesehen - sowieso nicht weiter, jedenfalls nicht, soweit es um eine StrafbegrĂŒndung -oder verschĂ€rfung geht: vgl. § 1 StGB, Art. 103 II GG.
BloĂ weil ich beschlieĂe,
dass ich das albern finde, drĂŒcke ich also nicht meine
Nichtachtung fĂŒr die Person aus die ich anspreche und die
erwartete gesiezt zu werden?
Das ist eine Tatbestandsfrage. Ich neige durchaus grds. zu der Ansicht, dass, wenn jemand gegen seinen ausdrĂŒcklichen Wunsch weitergehin geduzt wird, eine Beleidigung vorliegt; Herrje, ich selbst war kĂŒrzlich in genau so einer Sache Zeuge vor Gericht, und ich war auch gleichzeitig der âGeschĂ€digteâ, der Strafantrag gestellt hat! Es geht mir vorliegend nur um deine Argumentation, nicht darum, was im Einzelfall stimmt, denn das ist nur und ausschlieĂlich eine Tatsachenfrage.
Damit drĂŒcke ich also nicht aus, dass es mir scheiss egal ist
was die angesprochene Person davon hÀlt?
Jedenfalls nicht zwingend!
Und wenn ich einer
Person gegenĂŒber klarmache, dass sie und ihr befinden mir
scheiss egal sind und ich mache was ich will, dann is das
keine Missachtung eben dieser Person?
Tatsachenfrage. Warst du dabei, weiĂt du genau, wie der Fall war?
Und Du meinst meine Argumentation wÀre rechtlich im Sinne
einer Verurteilung und einer geradlinigen Rechtsprechung nicht
haltbar?
âGradlinigeâ Rechtsprechung, was soll das sein? Alle Richter sind derselben Meinung, ein Wandel in der Rechtsprechung findet bis in alle Ewigkeiten nicht mehr statt? Ich wende mich vor allem gegen die Annahme, ein Duzen sei grds. eine Beleidigung; so in etwa hast du (vor deinem letzten Posting) nĂ€mlich argumentiert!
Hat Dieter eigentlich die Vorsitzende gesiezt??? Ich denke
dochâŠ
Welche Rolle spielt das?
Wenn jemand die Leidenschaft verspĂŒrt, stĂ€ndig Leute
âArschlochâ zu nennen, dann drĂŒckt er damit eben auch stĂ€ndig
seine Miss- oder Nichtachtung aus.Wieso, er nennt doch jeden so, fĂŒr ihn is das voll normalâŠ
keine Missachtung. Er hat auch nix dagegen selbst so
angesprochen zu werdenâŠ
Ich sehe da einen Unterschied. âArschlochâ ist ein Schimpfwort und indiziert damit schon, dass es eine Beleidigung ist. âDuâ ist kein Schimpfwort, damit eine Beleidigung vorliegt, mĂŒssen schon besondere UmstĂ€nde vorliegen.
Ein Richter am Berliner Landgericht hat mir mal gesagt, er
befrage in schwierigen FĂ€llen die Putzfrau. D.h. er wollte
sagen manchmal ist der einfache Menschenverstand weitaus nÀher
an der Gerechtigkeit als der beste Kommentar.
Und?
Klar. Und in diesem Einzelfall Duzte Dieter nicht irgendwelche
möchtegern Superstars, sondern einen ihm unbekannten
Polizeibeamten, der unseren Staat reprÀsentiert.
Und?
Levay