Wenn Politiker die Presse attackieren

Ich denke, wir sind uns alle einige, dass eine freie, kritische Presse zu den Grundvoraussetzungen einer Demokratie gehört. Ebenso sind wir uns wohl einig, dass auch Journalisten Menschen sind, die natürlich Fehler machen.

Nicht ohne Grund war der Begriff ‚Fake News‘ im Rennen um den Titel ‚Unwort des Jahres‘ (geworden ist es dann ‚Alternative Fakten‘). Auffallend ist, dass es meist rechte/rechtspopulistische Politiker sind, die meinen, auf ‚Systemmedien‘ zu schimpfen und sich ‚medialer Hetze‘ ausgesetzt sehen. Im Kurier wurde dies so auf den Punkt gebracht:

Qualitätsmedien verstehen sich als aufklärerisch, sie sehen es als Aufgabe, Fakten aufzuzeigen und Vorurteilen, Pauschalverdächtigungen und Aberglauben entgegenzuwirken. Das Wesen des Qualitätsjournalismus ist die Differenzierung.

Das Wesen des Populismus ist hingegen die Simplifizierung. Populistische Parteien arbeiten mit Pauschalurteil, Vorurteil und Mythen („die Ausländer“, „die Sozialschmarotzer“, „die Emanzen“). Sie berufen sich dabei auf angebliche „Volksnähe“.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es zwischen Qualitätsjournalisten und Rechtspopulisten wie jenen in der FPÖ häufig Krach gibt.

Mit dem Begriff ‚Qualität‘ muss man natürlich aufpassen, im Kern teile ich diese Einschätzung aber durchaus. Wie eingangs erwähnt passieren auch ‚Qualitätsmedien‘ Fehler, die in der Regel aber auch Konsequenzen haben. Und natürlich ist es rechtens, wenn sich Politiker über falsche Meldungen beschweren. In Österreich hat der Konflikt zwischen der FPÖ und dem ORF aber mittlerweile eine bisher unbekannte Qualität bekommen.

Den Anfang machte Harald Vilimsky, Generalsekretär und EU Delegationsleiter der FPÖ. Er veröffentlichte auf seiner Twitterseite einen Tweet, der so geschnitten wurde, dass ein völlig falscher Eindruck erweckt wird:
https://scontent-vie1-1.xx.fbcdn.net/v/t1.0-9/27867855_1213992165370939_1435228314872687315_n.jpg?oh=7eb5facb0707cd38c337ae12842d209d&oe=5AD8AE2D

Links das bearbeitete Bild auf Vilimksys Seite, rechts das Original. Auch auf seiner Facebookseite war dieses Posting zu finden, dort hat er es aber mittlerweile gelöscht (auf Twitter nicht). Ziel dieser plumpen Fälschung war aber nicht der Urheber des Postings, sondern der ORF Generaldirektor Wrabetz, der besagtem Posting ein Like gab und dafür von Vilimsky zum Rücktritt aufgefordert wird.

Vor ein paar Tagen zog HC Strache mit diesem Posting nach:
http://www.heute.at/diashow/4024282/a291df660e2c6b546a190572eac2c3b0.jpg

Armin Wolf (einer der bekanntesten Journalisten Österreichs) hat auf seinem Blog erklärt, wieso er jetzt zum ersten Mal in seiner Karriere jemanden verklagt. Strache versuchte zurückzurudern und meinte das Bild wäre nicht ‚personenbezogen‘ gewesen. Dass besagtes Bild hauptsächlich aus einem Foto von Wolf besteht und dieser sogar namentlich erwähnt wird, scheint dem Guten ja entgangen zu sein…

Das ist nicht das erste Mal, dass die FPÖ einen Journalisten des ORF massiv angegriffen hat. Im Präsidentschaftswahlkampf stolperte FPÖ Kandidat Norbert Hofer (heute Infrastrukturminister) über die Tempelbergaffaire, die noch heute gerne gegen den ORF verwendet wird. Dass die KommAustria in einem 57seitigen Bescheid jeden einzelnen Anklagepunkt Hofers abgeschmettert hat, interessiert dabei die wenigsten.

Wieso glauben diese Politiker, mit Fälschungen, persönlichen Angriffen und Lügen (Stichwort Kosovo) beim Wahlvolk punkten zu können? Oder hat die FPÖ einfach noch nicht den Schwenk von Oppositions- zu Regierungspartei geschafft? Sollte ein Vizekanzler nicht deutlich anders aufreten?

Lg
Penegrin

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Hallo,

Weil sie es (leider) tun.

Sollte schon. Normale Menschen aber auch. Politiker ebenso.

Grüße
Siboniwe

Weil „die Lüge einmal um die Welt gelaufen ist, ehe die Wahrheit ihre Stiefel angezogen hat“ (nach T.Pratchett, Die Volle Wahrheit)
und irgendwas bleibt immer hängen…

Beatrix

Hallo!

Man darf m. E. aber auch nicht unberücksichtigt lassen, daß es sowohl in Österreich wie auch in Deutschland eine äußerst auflagenstarke sog. „Boulevard-Tagespresse“ gibt, deren Themen und Meldungen auch von Journalisten verantwortet werden.

Und gerade dort wird - um der Aufmerksamkeitserregung willen - oft mit der Wahrheit und den Fakten sehr kreativ umgegangen.

Wenn sich dann Politik dieser Presse bedient:

Was war eher da - die Henne oder das Ei…?

Herzliche Grüße

Helmut

Servus

Richtig, nur sind gerade diese Blätter ziemlich oft einer Meinung mit den Populisten. Um nochmals aus dem Kurierartikel zu zitieren:

[Die FPÖ] genießt und schweigt darüber, dass sie von den Boulevardmedien umso heftiger gefördert wird, weil diese nach ähnlichen Mechanismen funktionieren wie populistische Parteien.

Nicht umsonst hat der Artikel (und auch ich) dezitiert von Qualitätsmedien gesprochen. Außerdem müssen wir zwischen Kolumnen (sprich Meinungen) und Nachrichtenartikeln unterscheiden.

Ich sehe auch nicht, was das Ganze mit Angriffen auf den ORF zu tun hat, außer natürlich, du zählst ihn zu den Boulevardmedien. Wobei ich persönlich die Argumentation ‚wie du mir, so ich dir‘ zudem ziemlich kindisch finde.

Lg,

Gabs überhaupt eine Zeit, in der das nicht so war?
Nein, gabs nicht.

Die Gründe dafür gehen über das von dir eingangs Genannte (Qualitätsjournalismus gegen Populismus) hinaus.
So ist die FPÖ auch nur verstehbar als Reaktion auf die Rot-Schwarz-Aufteilung der ganzen Zweiten Republik inklusive, von Anfang an, des ORF. Insofern besteht ein ‚konstitutives‘ Feindschaftsverhältnis der FPÖ dem ORF gegenüber - das ertragreich zu pflegen auch dadurch ermöglicht wird als der ORF in der österreichischen Bevölkerung noch weniger Legitimität besitzt als der ÖRR in der deutschen Bevölkerung.
Da ist ORF-Kritik immer schon eine Art Neben-Regierungskritik gewesen.

Gruß
F.

Hi,

in der österreichischen Presse- und Rundfunklandschaft kenne ich mich nicht aus, aber in Deutschland kommt der Öffentlich-Rechtliche leider immer noch oft mit einem oberlehrerhaften Erziehungsanspruch daher, wenig Kritik an der Obrigkeit, viel „Genöle“ über die „Populisten“.

FG myrtillus

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Servus

Dass der ORF an sich angegriffen wird, ist sicher nichts neues. Aber dass gegen einzelne Personen (Thurnher, Wolf) auf verschiedensten Kanälen massiv Stimmung gemacht wird, ist in meiner persönlichen Wahrnehmung eine ganz neue Dimension. Vielleicht kennst du ja frühere Fälle, in denen es ähnlich war.

Also das würde ich eigentlich bestreiten. Es gibt eine recht aktuelle Studie zu genau diesem Thema:
[Reuters Institute Digital News Report 2017][1]
Auf Seite 57 sieht man, dass 83% zumindest wöchentlich ORF (TV und Radio) konsumieren und auch bei der Sparte ‚Online‘ ist der ORF mit 39% klare Nummer 1. Außerdem bescheinigen 46% dem ORF ‚Accurate and reliable news‘.
Deutschland findest du dann auf Seite 70 und da haben ARD und ZDF 57% bzw. 46%. Online kommen ARD auf gerade mal 13% und ZDF sogar nur auf 7%. Bei ARD sagen aber auch 44%, er böte ‚Accurate and reliable news‘.

Zudem haben die diversen Nachichtenformate auf ORF Marktanteile, von denen die meisten anderen Sender nur träumen können.

Stimmt, nur ist die FPÖ seit einiger Zeit selber in der Regierung…

Lg
[1]: https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/Digital%20News%20Report%202017%20web_0.pdf

Servus

Ich habe hier ja drei Angriffe der FPÖ präsentiert. Findest du die denn in irgendeiner Form gerechtfertigt?

Lg

Ich finde schon, dass sie sich z.B. auf den Broukal in den 90ern auch ganz schön eingeschossen haben.
Das hat natürlich weniger der Person als mit der ZiB2 zu tun,

Damals gabs natürlich diese „verschiedensten Kanäle“ (Twitter, Facebook) noch nicht über die das jetzt läuft.

Ich will es nicht relativieren, was sie mit Armin Wolf machen, sondern nur in eine Grundstruktur einbinden, die es verstehbarer macht. Es geht ja nicht um die Person Wolf.

Und stellt es mehr denn je so hin, dass der ORF immer noch in der Hand irgendwelcher Roter wäre.
Rechtspopulistische Parteien müssen immer irgendwie in der Opposition sein.
Neben der Simplifizierung und der Feindgruppen-Erzeugung ist das ein Grundrezept.

Gruß
F.

Servus

Da bin ich mir gar nicht so sicher. Die FPÖ hat schon lange ein Problem mit Wolfs Interviewstil und fühlt sich regelmäßig furchtbar unfair behandelt. Und wenn man sich das Bild ansieht, welches Strache so lustig geteilt hat, kann man einen deutlichen Bezug auf die Person Wolf doch wirklich nicht abstreiten (auch wenn Strache das natürlich versucht).

Sprichst du ihnen damit nicht in gewisser Weise ab, tauglich für die Regierungsarbeit zu sein?

lg

Schon klar, Amt und Person sind da nach 15 Jahren Tätigkeit in einer so zentralen Position des österreichischen Journalismus nicht mehr zu trennen.

Nicht vollständig, aber wesentlich.
Auf unteren Ebenen oder bei mehr oder minder unpolitischen Sachthemen wie dem Rechtsabbiegen bei roten Ampeln oder meinetwegen sogar der berittenen Stadtpolizei, sind auch die tauglich.

Gruß
F.

Hallo,

Armin Wolf kannte ich (bisher nicht dem Namen nach, sondern nur das Gesicht) als Moderator auf 3sat. Er hat dort auf mich einen seriösen und unaufgeregten Eindruck gemacht. Die anderen an dem Konflikt beteiligten Personen kenne ich gar nicht. Könnte sein, dass Herr Wolf seine Klage zu Recht erhebt. Ich kann und will das letztlich nicht beurteilen.

Es handelt sich meiner Ansicht nach um eine typische Auseinandersetzung der Art:

:angry: : der hat das gesagt, und das darf der doch gar nicht !

:rage: : die haben aber angefangen !

wie sie auch in Deutschland seit einiger Zeit vermehrt ablaufen. In der Regel unerquicklich und wie im Kindergarten (den ich allerdings nicht besucht habe)

Wer mit Politik oder Journalismus Geld verdienen will, braucht ein dickes Fell und darf nicht zu empfindlich gegen verbale Angriffe sein.

FG myrtillus