Römische Tugenden als Über-Ich-Elemente
Hi Lucy.
Es ist schön, dass Du Dich so für Philosophie begeistern
kannst, vor allem, da ich denke, dass Du noch recht jung bist.
Denken ist Glückssache. Klar, innerlich und auch äußerlich bin ich noch jung(geblieben), aber mein Sohn, ein diplomierter Übersetzer, ist bereits 32. Ich bin ein vielseitig aktiver Künstler, vielleicht erklärt das mein Temperament.
Es gibt sicher auch Bereiche, in denen Dein Wissen explizit
gefordert ist, und in denen Du viel Erhellendes beitragen
kannst, wenn der Fragesteller beispielsweise explizit nach
einer psycho-analytischen Interpretation eines bestimmten
Zitates gefragt hätte. Was Du jedoch hier tust ist, Dein
Wissen einem Bereich überzustülpen, wo es völlig fehl am Platz
ist.
Mit keiner Silbe sagte ich, dass meine Erklärungsansatz der einzig mögliche ist. Es ist nur einer unter mehreren. Allerdings - wie ich meine - derjenige, der am vielversprechendsten ist. In puncto Seelenkunde ist die Psychoanalyse nun einmal die ausgeklügelste Wissenschaft (wenn du das anders siehst, bitte schön). Ich bin kein Experte für Psychoanalyse, aber in die gleiche Richtung wie ich, nur fachkundiger, hätten sich sicher 100.000 ausgebildete Freudianer zur UP-Frage geäußert.
Ich frage mich auch, warum die Frage - so wie sie
gestellt ist - nicht im Fremdsprachen- oder Deutschbrett
steht, denke jedoch nicht, dass die Frage verschoben wurde.
Doch, ganz unten im UP kannst du es lesen.
Außerdem musst Du bedenken: auch im Philosophiebrett geht es meist in
erster Linie um Wissen, nicht um drauf-los-philosophieren,
wenn es sich nicht gerade um eine direkte
Diskussionsaufforderung handelt.
Wenn es darum geht, UP-Fragen direkt mit sachdienlichen Informationen zu beantworten, dann hat das in diesem Brett seit Monaten und wohl auch seit Jahren keiner so häufig wie ich getan. Siehe z.B. den neuesten Thread. „Drauflosphilosophieren“ tue ich sowieso nicht, weil ich mich IMMER auf philosophische Theorien beziehe, die einen breiten Anhängerkreis haben, also weithin anerkannt sind. Ich bin eben gerade kein Drauflosplauderer wie so manch anderer hier. Dein Vorwurf geht also schon wieder daneben, so wie deine Alterseinschätzung und einiges andere, sorry. Ist vielleicht nicht dein Tag heute 
Nun spricht trotz allem ja nichts dagegen, über einen
bestimmten Satz/Spruch/Zitat o.ä. auf philosophischer Ebene zu
diskutieren. Nur gehst Du dabei eben von einer falschen Basis
aus und schießt völlig über das Ziel hinaus.
Na gut, dann zu deinen Argumenten im letzten Beitrag:
Ich vermute Du gehst von zwei falschen Prämissen aus:
1.) virtus ist nicht Tugend im neuzeitlich-ethischen Sinn. Der Begriff meint nicht das Widerstehen einer Versuchung. Virtus meint in seiner Grundbedeutung „das, was einen Mann (vir) ausmacht“ -> Mut, Tapferkeit, Stärke, Disziplin, Tüchtigkeit. Die vier Kardinaltugenden der römischen Philosophie waren Fortitudo (Tapferkeit), Prudentia (Klugheit), Temperantia (Mäßigkeit) und Iustitia (Gerechtigkeit). Diese Tugenden sind außerdem - soweit mir bekannt - Charaktereigenschaften, die man idealerweise schon besitzt und sich nicht dazu zwingen muss, in ihrem Sinne zu handeln.
Und was darin widerspricht bitte dem Freud´schen Erklärungsansatz? Tugenden wie Tapferkeit, Gerechtigkeit usw. sind psychoanalytisch gesehen Merkmale des Über-Ich. Sie sind verinnerlichte Wertvorstellungen. Am Himmel geschrieben stehen sie nicht, sondern sie entsprechen sozialstabilisierenden Verhaltensidealen, die sich im Laufe der menschlichen Evolution entwickelten. Per Erziehung werden sie den Heranwachsenden vermittelt und per Introjektion zu jenem Teil von deren Persönlichkeit, den Freud Über-Ich nennt.
Die „Prämisse“ ist also überhaupt nicht falsch, außer die Psychoanalyse wäre eine komplett falsche Theorie. Widerlege also erst die Psychoanalyse, dann hast du auch mich widerlegt.
2.) tentamen meint hier nicht den negativen Begriff der Versuchung (Apfel und Eva und so), er meint den „Ernstfall“, die neutrale Gelegenheit, bei der sich eine bestimmte Tugend (wie z.B. Mut) zeigen kann.
Klar, logo, selbstverständlich. Hat keiner bestritten. Meine Erklärung bzw. deren Grundgedanke gilt völlig unabhängig davon, ob es sich begrifflich um Prüfung, Herausforderung oder Versuchung handelt. Zu erklären versuche ich einfach, warum ein positives Gefühl entsteht, wenn die Prüfung „bestanden“ wird.
Außerdem gehst Du von einer tatsächlichen Empfindung von Freude durch den tugendhaften Menschen aus. Das ist schlichtweg falsch.
„Freude“ muss ja nicht heißen, dass er in Jubel ausbricht. Ein schlichtes Zufriedenheitsgefühl tut es auch.
Der Spruch meint eher, um es mal salopp zu formulieren, wer eine bestimmte Tugend besitzt, wird kein Problem damit haben, wenn diese erprobt wird.
So, meint er. Du siehst das ein bisschen arg salopp.
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Viele Menschen glauben, charakterfest zu sein, und machen dann schlapp, wenn der Charakter ernsthaft geprüft wird. Das ist möglicherweise sogar der Regelfall, und zwar dann, wenn der Geprüfte glaubt, nicht beobachtet oder nachträglich erwischt zu werden. Oder wenn die „Versuchung“ besonders stark ist („Jeder hat seinen Preis“!). Du stellst es - für meine Begriffe leicht naiv - so hin, als wäre die Bewährung der Tugendhaftigkeit, auch bei Tugendstarken, eine Selbstverständlichkeit. Ist sie aber nicht.
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Deine ´saloppe´ Erklärung erklärt nicht das „gaudere“. Sie wäre stichhaltig, wenn es um „Gelassenheit“ ginge. Aber es geht um „Freude“. Gehen wir also bei deinem Ansatz unter Berücksichtigung des „gaudere“ davon aus, dass so etwas wie ein positives, quasi zuversichtliches Gefühl entsteht, wenn die Tugend des Tugendhaften auf die Probe gestellt wird. Warum aber? Weil, freudianisch, das Über-Ich schon aktiv ist. Es vermittelt dem Ich, geliebt zu werden, wenn es die Prüfung besteht. Was auf dem Spiel steht, ist die Integrität des Über-Ich, also der verinnerlichten Tugenden. Diese Integrität wird durch das „gaudere“ belohnt, entweder im voraus oder post factum. Das übersiehst du. Anders macht der lateinische Spruch keinen Sinn.
Für den Studenten, der die Tugend der Disziplin besitzt, ist es völlig selbstverständlich, dass er pünktlich bei Öffnung der Bibliothek auf der Matte steht.
Na, das ist ja ein tolles Beispiel für Herausforderung an die Tugend. Hast du nichts Besseres auf Lager?
Trotzdem stellst Du mit einer unglaublichen Vermessenheit
Deine Theorien als Tatsachen hin - alle anderen Bemerkungen
oder Einwände tust Du als „Träumerei“ oder „sinnlose
Behauptungen“ ab, oder Du meinst, Du allein hättest hier den
tieferen philosophischen Sinn erkannt oder sagst so etwas wie
„Ich sehe nur, dass keiner im Brett außer mir ´ne Ahnung von
Freud zu haben scheint, was natürlich bei den Betreffenden
Frust und Abwehr auslöst, wenn einer mit Freud daherkommt“.
Nun, was dich betrifft, kann ich diesen Vorwurf dem Stand der Dinge nach nicht zurücknehmen. Denn dass du kategorisch auszuschließen scheinst (siehe oben), dass die römischen Tugenden etwas mit dem Freud´schen Über-Ich zu tun haben könnten, beweist deine Uneingeweihtheit in das psychoanalytische Mysterium.
Das ist sehr schade, denn Du hast wirklich Potential, aber
durch Deine Überheblichkeit und Deine Sturheit verspielst Du
meiner Meinung nach Sympathie und Glaubwürdigkeit.
Ich bin weder überheblich noch stur, sondern will den Jungs hier im Brett ein bisschen Feuer unterm Arsch machen. Das scheint mir nötig zu sein, nicht erst seit heute.
Chan