Hallo Franzi,
Sprachen verändern sich langsam. In 40 Jahren entwickelt sich
schon einiges an Unterschieden im wortschatz, aber nicht in
den grammatischen Strukturen. Die Schwierigkeiten, die
bayerische Schüler beim Erlernen der englischn Tempora haben,
waren nur ein Beispiel, das ich eben täglich erlebe. Sicher
tut sich ein Gymnasiast leichter als ein Realschüler, aber ein
Kampf ist es immer. Und wenn man die Unterscheidung aus der
Muttersprache kennt, dann tut man sich leichter.
Das Präteritum wird im Bairischen tatsächlich sehr selten benutzt. „I war’s net“.
In der gesprochenen Sprache wird es aber generell nicht so oft benutzt. „Ich aß meine Suppe, stand auf und ging hinaus.“ Solche Sätze sind in der gesprochenen Sprache wahrscheinlich nicht einmal in Sachsen üblich.
Trotzdem ist das Präteritum auch in Bayern bekannt. Man liest und schreibt ja
auch hochdeutsch und da ist es durchaus ein Teil unserer (zweiten) Muttersprache.
Vielleicht tut man sich anfangs ein bisserl leichter, wenn man die
erste Vergangenheit auch in der gesprochenen Sprache benutzt. Nach ein
bis zwei Unterrichtsstunden sollte dieser Vorsprung aber ausgeglichen sein.
Zu Deinem Satz:
„ich als Englischlehrerin kämpfe einen verzweifelten und
hoffnungslosen Kampf, meinen bayr. Schülern
das englische Tempussystem beizubringen, das mir so leicht
fällt und ihnen ein Buch mit sieben Siegeln ist und bleibt.“
Diese Einstellung kann ich nicht nachvollziehen!
Da aber natürlich die Grenzen zwischen Dialektgebieten mehr
oder wengier fließend sind (sie liegt immer da, wo ein
bestimmtes Phänomen beginnt oder aufhört, wobei natürlich
andere erhalten bleiben), darfst du gerne deinen glauben
behalten, dass die Grenze verhindert hat, dass das Sächsische
bairischer klingt oder umgekehrt. Wobei mich dann auch
interessieren würde, warum sächsisch nicht (ohne grenze) sich
eher dem Fränkischen oder hessischen hätte annähern müssen /
sollen / können.
Habe ich geschrieben, daß das Sächsische ohne Grenze bairischer
klingen müßte? Es ging doch ursprünglich um das Wort „Bub“. Formen von
„Bub“ sind übrigens auch im Fränkischen üblich. Der Unterschied zwischen
Bairisch und Sächsisch wird bestimmt größer sein wie der Unterschied
zwischen Fränkisch und Sächsisch.
Ich reagiere halt auf alle Aussagen, die die Teilung als Grund
für irgendwas hernehmen und mehr oder weniger melancholisch
fragen, wasgewesen wäre… recht alergisch. Warum das so ist,
darfst du dir jetzt überlegen.
Ich kann nur Vermutungen anstellen. Heutzutage gibt es die Teilung
nicht mehr, aber mit der Wiedervereinigung ist leider nicht alles besser
geworden. Der Lebensstandard ist zwar im Mittel etwas gestiegen, dafür gibt
es sehr viele Arbeitslose.
Man weiß natürlich nicht, wie es ohne Teilung gelaufen wäre. Vermutlich hätte
es zumindest ein geringeres Ost-Westgefälle gegeben.
Servus,
Roland