Wer kennt sich mit den Produktionsprozessen der Automobilherstellung aus?!

Liebe/-r Experte/-in, Interessierte/r,

Ich bin gerade dabei im Rahmen einer Diplomarbeit ein Simulationsmodell eines
Produktionsprozesses zu erstellen. Mit dem Produktionsprozess meine ich den
Materialfluss angefangen mit dem Karosserierohbau bis zur Montage.

Ich habe diesbezüglich Fragen zu den verschiedenen
Produktionssteuerungskonzepten (PSK), und vor allem zu dem PSK „stabile
Auftragsfolge“. Besonders interessieren mich Verwirbelungsprozesse und kritische
Prozesse an sich.

Der gesamte Wertschöpfungsanteil der durch die Zulieferer entsteht interessiert
mich eher nicht, höchstens die Zuliefergenauigkeit bzw. -zuverlässigkeit
(Stichwörter: JIT, JIS) sind interessant für mich.

Das Simulationsmodell das ich erstellen möchte ist eine Ablaufsimulation und ich
möchte damit die Stabilität des Produktionsprozesse messen bzw. messbar machen,
dabei sollen die Einflußgrößen auf die Stabilität und deren Wechselwirkung
identifiziert werden. Im nächsten Schritt sollen diese dann gewichtet und
klassifiziert werden.

Wer also das nötige Know-How und Bereitschaft zu helfen hat ist an meiner Adresse
herzlich willkommen!

Viele Grüße,
woof

Sorry, hier kann ich dir leider nicht weiterhelfen.

Hallo Woof,

interessantes Thema. Bin mittlerweile in der Chemiebranche tätig, aber diese Problematik beschäftigt mich auch.

Als Kennzahl kann ich die MPSA empfehlen. Diese steht für „Masterplan Schedule Adherence“ und misst die Genauigkeit der Produktion.

Im Vorfeld definiert man eine Mengentoleranz, z.b. max.0 bis +10% Produktionsmenge(Unterdeckung wird nicht tolleriert).

Die Produktionsaufträge werden verfolgt und die Anzahl der Hits der Gesamtzahl gegenübergestellt. Z.B. 10 Produktionsaufträge. Davon 6 St. 0 bis 10% überfahren, also 60% MPSA. Eine Abweichung nach unten bzw. über 10% gilt als Miss.

Nun folgt die Ursachenforschung. z.B. Produktion (z.B. technische Störung), Vertrieb (z.B. Planänderung durch Kunde), Produktionsplanung (z.B. Planungsfehler), Einkauf (z.B.Lieferant liefer kein Vormaterial) definiert.

Anhand der Häufigkeit lassen sich Hauptstörgrößen ermitteln. Diese kann man über ein Ishikawa-Diagramm näher hinterfragen.

Jede Ursache zieht Maßnahmen nach sich. z.B. technische Störung = vorbeugende Wartung, Planänderung durch Kunde = Definition von MTS/MTO ggf. verschiedene Services für ABC-Kunden, Lieferant liefert nicht = Lieferant qualifizieren, 8D-Report…whatever.

Falls ich die Thematik nicht genau getroffen hab, bitte näher spezifizieren.

Gruß It.666

Hallo Woof,
melde dich bei mir unter [email protected]. Ich habe ein paar Kollegen die dir bestimmt helfen können.

Gruß
Andreas Bräuer

Hi Woof,
Sorry, ich bin eher auf der User-Seite, habe nicht viel Einblick in die Produktion…
Viel Erfolg mit der Diplomarbeit, Adrian

Hallo woof,

da kann ich Dir leider nicht helfen. Wünsche Dir aber viel Erfolg bei Deiner Recherche.

Viele Grüße, Ansgar.

Hallo it.666,

Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich habe zwar nicht explizit nach Kennzahlen
gefragt aber diese sind ebenfalls Teil meines Untersuchungsgegenstandes.
Da habe ich auch gleich eine Frage zu der Kennzahl MPSA. Wenn ich das richtig
verstanden habe misst diese den Prozentsatz an Hits (fertigen gelungenen
Produkten?!), die einen Qualitätsmangel innerhalb einer Toleranzgrenze aufweisen
in Relation zu den eingeplanten Aufträgen? Du hast von „überfahrenden“ Stücken
gesprochen, ich nehme an damit ist in irgendeiner Hinsicht ein Qualitätsmangel
gemeint?

Von Ishikawa-Diagrammen habe ich bereits gehört und werde diese sicherlich in
meiner Diplomarbeit auch anwenden.

Was mich außerdem interessieren würde, du hattest die Stichwörter MTS/MTO
(make-to-stock, make-to-order) angesprochen, produziert man in deiner
Chemiebranche nach MTO? Wie groß sind dann die Losgrößen?

Zu meinem Problem, in Folgendem versuche ich dieses noch ein wenig zu
spezifizieren. In der Automobilindustrie wird üblicherweise MTO produziert. Im so
genannten Kunde zu Kunde Kreislauf. Dabei sind Losgrößen von 1 üblich. Die
Kundenaufträge werden eingeplant in Wochen- und Tagespakete, wobei diese in
einer Sequenz bzw. Reihenfolge definiert werden. Diese Auftragsreihenfolge gilt
es in dem werksinternem Produktionsprozess einzuhalten, dazu gehört der
Entstehungsprozess der lackierten Karosserie. In der Montage werden der
Karosserie weiteren Baugruppen, die von Lieferanten bereitgestellt werden
verbaut. Die Bereitstellung der Baugruppen erfolgt meist nach dem JIT JIS Konzept
so dass die Reihenfolge in der die Karossen in die Montage eintreten
entscheidend sind. Kommen Karossen zu früh sind die nötigen Baugruppen
eventuell noch nicht angeliefert worden, kommen sie zu spät so müssen bereits
angelieferten Montageteile zwischengelagert. In diesem Zusammenhang existiert
auch bereits die Kennzahl Reihenfolgengüte bzw. Sequenzgüte. Mich
interessieren also alle Prozesse in der Produktion der lackierten Karosse die die
Reihenfolge der Aufträge primär verwirbeln (z.B. parallele Strecken, Nacharbeit,
Audit). Ich möchte mit meinem Modell die Stabilität des internen
Produktionsprozesses messbar machen bzw. durch signifikante Kennzahlen
ausdrücken.

Viele Grüße,
woof

Hallo Woof,

die Kennzahl misst die Einhaltung der Produktionsmenge von beauftragter Ware. Die Produktionsmenge spiegelt nur die IO-Ware wieder. Ware, die außerhalb der Spezifikation (ergo Qualitätsmangel)oder nicht gebraucht wird ist nicht Bestandteil der Kennzahl.

Mit „überfahren“ meine ich, dass die Produktion mehr produziert als im Produktionsauftrag ausgewiesen wurde. Die Gründe und Abstellmaßnahmen hatte ich bereits dargelegt.

Bzgl. Ishikawa kann ich auch die FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) empfehlen. Diese wird dir bei deinem Thema noch besser helfen (ggf. auf Wiki checken)`.

Wir produzieren bei uns sowohl MTO als auch MTS. Dies ist Definitionssache und abhängig von der Marketingstrategie des jeweiligen Geschäfts.

Losgrößen sind auch variabel. Je nach Produkt mind. 500kg bis 5000kg.

Um noch mal zum Anfang zurück zu kommen. Die MPSA sehe ich immer noch als Möglichkeit für die Messung deiner Betrachtung:
Wie oft wird denn in deiner Fertigung festgelegt was produziert werden soll? Täglich, Wöchentlich? Bei wöchentl. würde ich als Abgrenzungsmerkmal die Anzahl Autos der Gesamtwoche nehmen (z.B. 5000 St.) und dieser Menge die Anzahl der Autos gegenüberstellen, die korrekt produziert worden sind (z.B. 4900 St.).
MPSA 98%. Die 2% gilt es zu ermitteln. Störung durch Lieferverzug, Nichteinhaltung JIS/JIT, technische Störung, Ausschuss usw.

Dann eine FMEA mit Anzahl der Fehler und Zeitverlust. Faktor ermitteln. ABC-Analyse und Hauptprobleme angehen sowie Abstellmaßnahmen definieren.

Was meinst du mit parallele Strecken? 2 Linien parallel, Schulungsband?

Gruß It

Hallo it.666,

Ah ok, jetzt ist mir klar was MPSA aussagt. Mir war vorher nicht ganz klar dass ein
Produktionsauftrag eine Menge von zu produzierten Produkten darstellt, weil es in
der Automobilindustrie üblicherweise, aber nicht immer, eher gleichbedeutend ist
(Losgröße = 1).

Das FMEA Konzept war mir so nicht bekannt, aber ich denke es geht über meine
Zielsetzung hinaus. Risikobeurteilung und Restrisikobewertung sind nicht meine
Aufgabe es geht mir eher darum die Stabilität des Produktionsprozesses zu
bewerten. Obwohl die Identifikation der Fehlerursachen und Fehlerfolgen, als ein
Teilschritt des FMEA, zu meiner Aufgabe gehört und die Aussagen zu Stabilität
gewissermaßen der Risikoanalyse helfen kann.

Meine Frage bzgl. MTO habe ich etwas ungenau formuliert. Mich interessiert ob ihr
auftragsgebunden produziert, d.h. ob in die Produktion einem Materialstück direkt ein Auftrag zugeordnet wird oder passiert diese Zuordnung bzw. „Hochzeit“
(in der Automobilindustrie = AI) erst im Stock/Lager?

In der AI werden die Kundenaufträge in erstem Schritt auf die jeweiligen Werke
verteilt. Und in der anschließenden Phase in Wochenpakete und dann in
Tagespakete eingeplant. Wobei hierbei die üblicherweise die Reihenfolge bzw.
Sequenz der eingeplanten Aufträge festgelegt wird. Das ganze geschieht X Tage
vor dem Produktionsstart. Sodass die Lieferanten sich auf die Belieferung der
jeweiligen Baugruppen JIT bzw. JIS einstellen können.

Die Karossen sind entweder am Produktionsstart bereits mit dem Auftrag
verheiratet oder erst in der Montage. Aber wichtig ist dabei dass die Karossen in
der Montage in der richtigen Reihenfolge einlaufen. Erreicht wird die Stückzahl in
AI immer und zwar nicht mehr und nicht weniger, aber mit Ausnahmen kann es
natürlich sein dass ein Tagesplan nicht komplett umgesetzt wird (z.B.
Verschrottung dann wieder Einplanung des Auftrages, das dauert dann unter
Umständen mehrere Tage).
Die Kennzahl MPSA würde mir in einem solchen Fall Information darüber geben ob
mein Tages- bzw. Wochenplan umgesetzt wurde oder nicht und zu welchem
Anteil. Das ist sicherlich eine hilfreiche Kennzahl, die sozusagen die Einhaltung
der DLZ repräsentiert. Dazu gibt es bereits eine Kennzahl in der AI die heißt nur
ein wenig anders „Termintreue“.

Meine Zielsetzung ist aber die Stabilität des Prozesses zu untersuchen. Dazu
gehört natürlich die DLZ und deren Streuung und ein anderer sehr wichtiger
Aspekt und zwar die Verwirbelung. Mit der Verwirbelung ist die NICHT-Einhaltung
der Auftragsreihenfolge gemeint. Um also die Stabilität des System bewerten zu
können brauche ich zunächst die Prozesse die die Stabilität des Systems und der
Auftragsreihenfolge beeinflussen. Die Einflussgrößen kann ich dann im nächsten
Schritt erst bewerten und analysieren.

Mit parallelen Strecken meine ich zwei parallele Linien. Diese kann man als einen
Verwirbelungsprozess ansehen, denn die Reihenfolge wird an einer Stelle
verzweigt und an einer anderen wieder zusammengeführt. Aufgrund der
möglichen Störungen oder unterschiedlichen Durchlaufzeiten (z.B. wegen der
Produktvarianz) der jeweiligen Linien kann das dazu kommen, dass die
Reihenfolge verwirbelt wird. Solche Prozesse sind entscheidend für meine
Untersuchung. Zu wissen wo und wann solche Prozesse im System stattfinden ist
für die Genauigkeit meines Modells von großer Relevanz.

Ich denke, dass ich erst dann ein Kennzahlen System erstellen kann wenn ich ein
Modell mit den wichtigsten/kritischen Prozessen habe, ist es eine falsche
Annahme?

Ich habe mir bereits einige Kennzahlen überlegt bzw. bekannte aus der AI
genommen:

Einhaltung der Reihenfolge,
Sequenzgüte,
Reihenfolgenrückstand,
Termintreue und
Systemfüllstand.

Übrigens sagt dir der Begriff Variantenbildung was? Was genau verstehst du
darunter?

Liebe Grüße,
woof