Wer war im Mittelalter Infanterist?

Hallo,
Ich habe mal in der Schule gelernt, dass im Mittelalter (und noch früher) nur freie Männer Kriegsdienst leisten mussten. Die Soldaten mussten ihre Ausrüstungen selbst aufbringen. Als man noch größtenteils zu Fuß kämpfte war das für den einfachen Bauern ja auch noch bezahlbar. Im Frühmittelalter wurden dann aber Panzerreiter zur kriegsentscheidenden Truppengattung. Den Vorteilen standen jedoch die für damalige Verhältnisse enormen Kosten für Ausstattung und Unterhalt eines gepanzerten Reiters gegenüber. Der einfache Bauer, der sowieso schon durch die ständigen Kriege durch Ernteausfälle geschädigt war, konnte sich diesen Luxus nicht mehr leisten. Es blieb ihm nichts anderes übrig als sein kleines Land an die Kirche oder einen Großgrundbesitzer abzutreten und als Leibeigener zu dienen. Dadurch verlor er zwar seine Freiheit, musste aber keinen Kriegsdienst mehr leisten. Am Ende blieb also nur eine kleine Schicht reicher Großgrundbesitzer übrig, welche sich die teure Ausrüstung leisten konnte. Der Berufskrieger war geboren – der Ritter.

Nun komme ich zu meiner Frage: In Filmen wie Braveheart sieht man neben den Ritterheeren auch immer noch einen großen Teil schwere Infanterie und Bogenschützen etc… Aus welchen Bevölkerungsschichten rekrutierten sich diese Soldaten? Ich denke die leibeigenen Bauern mussten nicht kämpfen und die wenigen freien Bauern reichen doch nicht aus oder? Konnte der Grundherr sie etwa doch zum Kriegsdienst verdonnern oder machten das ein paar Leibeigene freiwillig für eine kleine Entschädigung (also eine Art Söldnertum)?

Gruß Tristan

Hallo tristan,

das war sicher von Land zu Land verschieden.

Das mittelalterliche Fußvolk bestand aber wohl in allen Staaten überwiegend aus dem, was man heute als Söldner bezeichnen würde: Im Zivilleben gescheiterte Existenzen, Vogelfreie, Verurteilte und dann zum Kriegsdienst begnadigte Straftäter, Abenteurer, „überzählige“ Bauernsöhne ohne Aussicht auf ein Hoferbe.

Die meisten werden „Freie“ gewesen sein in dem Sinn, dass sie als Ich-AG auf Zeit für einen fremden herrschaftlichen Kunden arbeiteten. Man muss sich ja auch klarmachen, dass es damals keine stehenden Heere gab. Die Ritterschaft wurde zusammengerufen und jeder hatte eine Anzahl Infanteristen mitzubringen. Wie, das war seine Sache. Also wurden sie ad hoc angeheuert, egal, welcher Herkunft.

Aber kein Grundherr war so unvorsichtig, seine eigenen, von ihm unterdrückten und ausgebeuteten Leibeigenen gleich Wehrpflichtigen massenhaft zu bewaffnen und militärisch auszubilden.

Gruß

smalbop

Danke smalbop, also lag ich mit meiner Vermutung über die Söldner gar nicht so falsch. Dann zeigen doch aber Filme wie Braveheart eigentlich ein falsches Bild, ich erinnere mich an die drohende Eskalation vor der ersten Schlacht, wo die einfachen Bauern nicht ihr Leben für ihren schottischen Edelmann geben wollten. Erst Wilhelm Wallace konnte die Streitmacht mithilfe einer flammenden Rede überzeugen und schließlich zum Sieg führen. Klar ist das filmisch überspitzt dargestellt, aber für mich sahen die nicht aus wie Freiwillige, sondern eher wie genötigte UNFREIE Leibeigene… Klingt für mich ehrlich gesagt auch logischer mit den zwangsrekrutierten Bauern. Denn wo sollen die Grundherren die ganzen „Freien“ herholen, in einer Gesellschaft wo über 90% leibeigene Bauern sind?

Irgendwie aber auch nicht logisch, denn offiziell waren die Leibeigenen ja vom Kriegsdienst befreit. Falls es also doch bezahlte im Zivilleben gescheiterte Existenzen waren, wie du schreibst, bleibt die Frage, mit was die im Frühmittelalter eigentlich bezahlt wurden? Nach der Völkerwanderungszeit brach ja das Geldsystem zusammen und man kehrte wieder zur rückständigen Naturalienwirtschaft zurück dh. Ware gegen Ware. Nur durch den Feudalismus war es überhaupt noch möglich größere Kriege zu führen, der König gab seinen Vasallen ein Stück Land und sie leisteten dafür beispielsweise Kriegsdienst. Was gab aber der Ritter seinen angeheuerten Fußsoldaten? Ein Sack Getreide??

Wie gesagt das klingt für mich alles unschlüssig. Folgendes passt auch nicht zu der Söldner-Theorie: Unter der Herrschaft König Henry II. wurde im Jahre 1280 ein Gesetz erlassen, welches im Jahre 1327 erneuert wurde, das besagt, dass jeder Mann mindestens drei Stunden im Monat auf einem Gemeindeland mit dem Langbogen zu üben habe, andernfalls er mit strengen Strafen zu rechnen habe. Mussten Leibeigene also doch für den Kampf trainieren? Oder betraf das Gesetz nur freie Männer, die sowieso Kriegsdienst leisten mussten??

Seltsam. Seltsam… aber vielleicht findet sich ja noch ein Experte auf dem Gebiet.

Vasallen,Lehnsherren,usw,das kommt auf die Zeit an und die Übergänge waren fliessend.
Diese bekamen Land,Güter,Bauernhöfe und verflichteten sich dafür mit der Lehnsplicht unter anderem auch Kriegsdienst zu leissten und auch Soldaten aus seinem Gut bereitzustellen.
Er kam also mit dem Schwert und brachte gleichzeitig noch einfaches Fußvolk von seinen Gütern mit (die Bogenschützen)
Infanteristen und Bogenschützen waren nicht gleichgestellt,Bogenschützen waren das unterste Fußvolk in der Gesellschaft.

Der Film Braveheart ist zwar toll anzusehen,ich mag ihn auch,er ist aber keinesfalls geeignet irgendwelche historischen Schlüsse zu ziehen,er ist voll mit Fehlern um dem Zuschauer einen schönen Film zu bieten.
Ähnlich wie Filme über Robin Hood,da ist auch jeder anders und der nächste Film über Wallace kann auch ganz anders verlaufen.
Das überlaufen der Iren zu den Schotten gab es zB gar nicht,oder in der Schlacht von 1297 gibt es Quellen die die Kämpfer auf dem Feld auf 26-40000 Mann schätzen wovon nur ganze 350 gepanzerte englische Reiter waren,im Film ganz anders dargestellt.

Hallo tristan,

ich glaube nicht, dass die Situation in England mit der in Deutschland vergleichbar war. Drum sagte ich ja auch, dass es auf den Staat ankommt.

Bei youtube gibt es diverse Dokus, die zu erklären versuchen, wieso bei der Schlacht von Azincourt die französische Ritterschaft vom englischen Fußvolk praktisch massakriert wurde (und nicht etwa zur Erzielung von Lösegeld festgesetzt, wie das damals sonst üblich war). Der Langbogen war jedenfalls nicht der Grund, wie man bisher glaubte.

http://www.youtube.com/watch?v=cGadijbksLw&feature=P…

Gruß

smalbop

Guten Tag,

Vasallen,Lehnsherren,usw,das kommt auf die Zeit an und die
Übergänge waren fliessend.
Diese bekamen Land,Güter,Bauernhöfe und verflichteten sich
dafür mit der Lehnsplicht unter anderem auch Kriegsdienst zu
leissten und auch Soldaten aus seinem Gut bereitzustellen.
Er kam also mit dem Schwert und brachte gleichzeitig noch
einfaches Fußvolk von seinen Gütern mit (die Bogenschützen)
Infanteristen und Bogenschützen waren nicht
gleichgestellt,Bogenschützen waren das unterste Fußvolk in der
Gesellschaft.

Also waren die Fußsoldaten doch nur Leibeigene des jeweiligen Gutsherren? Das ist doch paradox, die meisten Bauern haben sich doch in die Leibeigenschaft begeben um dem Kriegsdienst zu entkommen… und dann sind sie unfrei, leisten Frondienste etc. und müssen sich trotzdem abschlachten lassen für ein Stück Land, das ihnen nicht mal gehört?

Kann das nun jemand bestätigen, konnten Leibeigene gegen ihren Willen zum Krieg eingezogen werden oder nicht?

Ich hab gestern noch ein wenig im Internet recherchiert und folgendes bei Wikipedia gefunden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fyrd
http://de.wikipedia.org/wiki/Wehrbauer

Eventuell waren also doch nicht so viele Bauern Leibeigene. Immerhin muss es immer noch ein paar arme Freie gegeben haben um die paar 1000 Mann Fußvolk für eine Schlacht zusammen zu kriegen. Es handelte sich also nicht um Leibeigene oder Söldner, sondern um waffenfähige Männer die ihrem König genau so zum Kriegsdienst verpflichtet waren wie die Ritter. Nur konnten sie sich halt die teure Ausrüstung nicht leisten und kämpften deshalb nur zu Fuß. Außerdem dürfen wir nicht die Städte vergessen, die Händler und Handwerker waren generell frei (Stadtluft macht frei).

Gruß Tristan

Was gab aber der Ritter seinen angeheuerten
Fußsoldaten? Ein Sack Getreide??

Hallo,

wurde so etwas nicht mit Plündern geregelt?

Gruss

Uli

Im 14. Jahrhundert wurden Kinder ab dem 12. Lebensjahr in die Armee eingezogen. In fast allen Ländern Europas. Egal welchen sozialen Standes sie waren. Die Herzöge, Barone und Grafen sandten alle jungen „Männer“, die in deren Ländereien beheimatet waren zum Zwangsdienst in die Armee. Und dieser Dienst erstreckte sich über 15 Jahre. Wenn sie dies überlebten waren sie urkundlich „frei“ und konnten Ihrer Wege gehen. Mit dem Nachteil, dass sie eigentlich nichts besassen und auf sich selbst gestellt waren. Viele wussten natürlich nicht, was sie tun sollten und blieben dann einfach in der Armee mit einem geringen Sold. Andere gingen zurück zu den Eltern und wenn diese noch ihre Gehöfte hatten wurden sie dort tätig.

Liebe Grüsse, Michi

Im Altertum und im Dreißigjährigen Krieg waren viele Kriegsteilnehmer Söldner. Das Römische Reich hätte ohne Söldner vermutlich nicht diese Ausehnung erlangen können. Infranteristen im Mittelalter waren vermutlich häufig auch Söldner, die mit dem Kriegsdienst ihren Lebensunterhalt bestreiten mussten. Ich weiß aber nicht, inwieweit die Leibeientschaft und der Pflicht zum Frondienst auch den Kriegsdienst eingezog.