Hallo Voltaire
Eine richtige Antwort auf eine falsch gestellte Frage.
Entferne aus meinem Zitat über die Todesstrafe die Wörtchen
„zu“ und „scheinen“. Bleibst du bei deiner Antwort? Glaub’ ich
eher nicht. Darauf kam es mir an. Warum lässt sich aus „Auge
um Auge,…“ nicht die moralische Rechtfertigung der
Todesstrafe ableiten?
Ich bleibe bei meiner Antowrt.
Lassen wir vielleicht das hoch umstrittene „Auge um Auge…“ weg, so haben wir dennoch die Todesstrafe im AT:
- für Mord: Lev. 24,17.
aber nicht nur:
- für „Hurerei“ (was man auch als „nicht-mehr-Jungfrau-sein“ verstehen kann): Lev. 21,9; 22,21.
- Kultfrevel /Gotteslästerung: Lev. 20,2; 24,17.
-Homosexualität (!): Lev. 20,12.
- Ehebruch: Lev. 20,10
-Zauberei: Lev. 24,16.
Jeder also, der die Todesstrafe biblisch meint begründen zu müssen, sollte dann eigentlich auch all diese anderen „Delikte“ so bestrafen wollen…
Ich kann keine Exegese betreiben. Ich gebe zu,
mein Wissen um die Bibel ist relativ gut, aber nicht
theologisch-wissenschaftlich fundiert.
Jeder, der einen beliebigen Text literarwissenschaftlich und
unter Einbeziehung der Historie interpretieren kann, kann
exegetisieren. Ob dann eine theologisch Aussage dabei
herauskommt (und das dann das Ziel ist) ist eine ganz andere
Frage.
Ich hoffe, ich habe da keine Begriffsebenen
durcheinandergebracht.
Was ich sagen wollte, ist sinngemäß so: Es gibt einen
qualitativen Unterschied zwischen z. B. einer
Gesetzesauslegung die ein Jurist durchführt oder die ein
juristisch gebildeter Laie durchführt. Auslegungen sind auch
immer Folgen des herrschenden Zeitgeistes.
Richtig. Deswegen sollte man sich ja auch davor hüten, eine Auslegung absolut zu stellen.
Abgesehen davon, wird die Bibel nicht beliebig, wenn jede®
seine eigene Interpretation hätte? Ist sie dann noch das „Buch
der Bücher“?
Die Bibel ist zu widersprüchlich (außer natürlich, ich übersetze sie nach einem Motto), um nicht zur Auslegung gezwungen zu sein.
Wenn sie denn das „Buch der Bücher“ ist, dann deswegen, weil sie ein Zeugnis für das Ringen des Menschen ist, einen Weg mit Gott zu gehen. Und damit und besonders auch für die Unzulänglichkeit des Menschen.
Auf Deine Anfrage, die simple Antwort: Es wäre ganz persönlich
gesprochen ziemlich absurd, ich würde als Frau nicht schweigen
in der Gemeinde, aber gleichzeitig gegen Homosexuelle sein.
Standhalten statt Flüchten ist sehr wichtig; aber ich nehme
nicht an, dass du in der Amtskirche eine hohe Stellung
bekleidest.
Mh… In meiner Kirche gibt es schon mal keine Kleriker, die irgendeinen besonderen Personenstatus haben. Allerdings gibt es eine Hierarchie, klar, der ich nicht angehöre.
Immerhin bilde ich Religionslehrer auf und prüfe sie - eine Macht, die mir selbst manchmal Angst macht (allerdings nicht auf religiöser, sondern ganz menschlicher Ebene).
Die biblischen Texte sind von M-e-n-s-c-h-e-n geschieben, also
können wir sie auch nur als Menschen verstehen und in der
simplen Erkenntnis der Fremdheit zwischen und und denen (der
„garstige Graben“) kann mE nur solide, historisch-kritische
Arbeit ein Kriterium für eine nachvollziehbare Auslegung sein.
Kann Glaube nachvollziehbar sein?
Der Glaube vielleicht nicht. Aber gestehen wir die Vielfältigkeit des dem christlichen Glaubens zugrundeliegenden Textes ein, so ist also Hermeneutik eine grundlegende Aufgabe des Theologen (mit Luther ist das jeder).
Ich kann mich also auf gewisse Dinge einigen, das wären in der lutherischen Kirche die Bekenntnisse. Einer angemessenen lutherischen Theologie entsprechend müssten aber auch diese immer wieder hinterfragt werden können (werden sie aber zu wenig:frowning: ). Nehme ich dann die Kirche als Gemeinschaft, bewege ich mich auf dieser Basis und habe das Forum meiner Auslegung.
Das Kriterium der Auslegung muss aber (und kann auch nicht anders) das Kriterium der Vernunftgemäßheit sein: Ich lege meine Voraussetzungen offen, meine Methoden. Verstehe ich den Text historisch, müsste jeder, auch ein Nicht-Christ, der das gängige abendländische Verständnis von Historie teilt, meiner Auslegung folgen können. Eventuell nur verlässt er mich, wenn ich diese Auslegung dann in den Kontext einer Glaubensgemeinschaft stelle und für diese nach den Auswirkungen fragen.
Andererseits: Gerade aufgrund des Bewusstseins, dass Geschichte von Menschen (nicht Gott) gemacht ist, kann ich vielleicht nie die emotionale Seite meines Glaubens begründen, aber vielleicht die äußere und auch ihre Folgen.
So ist die Rechtfertigunglehre, nach Luther (und mir:wink: das Herzstück christlichen Glaubens, nicht nur der Grund, warum ich (und viele Lutheraner vor mir) Christentum mit dem Individuumsverständnis der Aufklärung verbinden kann, sondern auch derjenige, warum es für mich persönlich nicht akzeptabel sein kann, das rk Amtsverständnis zu übernehmen.
Und noch etwas zum Kriterium der Vernunftgemäßheit: Hier ist die wichtigste positive Explikation der christlichen Schöpfungslehre: Ist der Mensch von Gott nach seinem Bilde geschaffen, so ist jedem Menschen die Vernunft eigen (man muss also nicht, man verzeihe mir den Seitenhieb, einer bestimmten christlichen Konfession angehören).
Daher ist die Vernunftgemäßheit christlicher Theologie, kurz also ihre Wissenschaftlichkeit, nicht nur eine universitätspolitische, sondern im eigentlichen auch eine theologische Aufgabe.
Simpler: Würde ich Kirchengeschichte methodisch anders betreiben als ein Historiker, hätte ich nicht nur als Wissenschaftlerin versagt.
Danke für deine Antwort. Sie war wieder gut.
Vielen Dank!
Grüße
Taju