Hallo Adam,
Das ist tatsächlich ein interessanter Einwand. Das Präsens
nach
‚gestern‘ genügt offenbar nicht, weil so nicht eindeutig ist,
in WELCHER
Vergangenheit sich die Aussage ansiedeln soll - im Perfekt
oder im
Präteritum oder im Plusquamperfekt …
Der Unterschied zwischen Präteritum und Perfekt ist ja im Deutschen nur ein stilistischer:
Mündlich bevorzugt man das Perfekt (wenn es nicht gerade mit einem Modalverb kombiniert wird) und schriftlich bevorzugt man das Präteritum.
Die Zeit, über die man spricht oder schreibt, ist aber im Prinzip dieselbe, eben Vergangenheit. Das Plusquamperfekt mengen manche Dialekte des Deutschen da auch noch mit hinein, etwa das Hessische: „Wo wahst du gestenn geweese?“.
Aber eigentlich ist Plusquamperfekt ja nur dann angebracht, wenn es zwei Handlungen/Vorgänge/Zustände in der Vergangenheit zu beschreiben gilt und deutlich gemacht werden soll, dass die/der eine noch weiter zurückliegt als die/der andere.
Ob es sich um zwei verschiedene Zeitstufen in der Vergangenheit handelt oder um eine, sollte aber im Indikativ meist sowieso aus dem Kontext hervorgehen. Sonst hätten die Hessen wirklich Verständigungsprobleme!
Ich vermute eher, dass die vom Präsens abweichende Zeitform des Verbs bei Vorhandensein eines Zeitadverbs der Vergangenheit erforderlich ist, um den Modus (Konjunktiv oder Indikativ) zu unterscheiden.
Der Konjunktiv II der Gegenwart ist bei schwachen Verben ja identisch mit dem Präteritum (Indikativ).
Sie sagten, gestern kauften sie auf dem Markt 6 Kilo Äpfel. oder
- Sie sagten, gestern hätten sie auf dem Markt 6 Kilo Äpfel gekauft.
???
In Protokollen und Chroniken existiert eine derartige Verwechslungsgefahr aufgrund der Formalisierung nicht. Indirekte Rede ist dort sowieso immer mit Konjunktiv wiederzugeben, es ist dort auch nie von „gestern“ die Rede, sondern allenfalls vom „Vortag“, und folglich ist dort historisches Präsens nicht nur möglich , sondern sogar erste Wahl.
Gruß Gernot