Wenn man nicht taub ist, dann denken wir doch hauptsächlich in Worten und sprechen die Worte gedanklich aus. Aber wie machen das taube Menschen, die schon so geboren wurden?
Interessant. Wirft für mich genauso die Frage auf, wie sie lesen lernen, also nicht nur Wortzuweisungen (Auf nen Apfel zeigen und „Apfel“ schreiben), sondern auch ganze Sätze zu verstehen. Schließlich hat die Gebärdensprache ja auch eine Basis.
Könnte mir vorstellen, daß das Denken irgendwie bildlich abläuft.
Du solltest nicht von dir auf andere schließen. Ich denke beispielweise in der Regel in Bildern, Gefühlen und so komplexen Konzepten, dass diese normale Sprachstrukturen sprengen, und muss dann beim Sprechen oder Schreiben meine Gedanken in Worte „übersetzen“ (weshalb ich so ziemlich überhaupt nicht für öffentliche Reden tauge). Und weder bin ich taub noch ein Einzelfall.
Um das ein bisschen besser zu erfassen lohnt sich sehr die Beschäftigung mit Helen Keller:
Helen Keller
Es gibt auch das Buch über ihr Reifen:
Es steht und fällt wohl viel mit dergrundsätzlichen Ausstattung, auch auf geistig/ kreativere Ebene und vielleicht noch mehr mit der entsprechenden Förderung.
Es gibt tatsächlich nicht wenige von Geburt an taube Menschen, deren Denken, so wie es allgemein verstanden wird eingeschränkt bleibt, ich denke, vor allem aber, weil und wenn sie nicht angemessen gefördert werden durch eine Sprache, die sie „sprechen“ können. Auch nicht zu unterschätzen ist die Auswirkung der hiermit verbundenen Isolation.
Menschen denken nicht in Worten, sondern in Bildern.
Unterhalt dich mal mit welchen, die bilingual leben, also in zwei Sprachen.
Die werden dir alle erzählen, dass es ihnen immer wieder passiert, dass sie plötzlich in der anderen Sprache gesprochen haben und es nicht bemerkt haben.
Beispiel:
Wenn mein Freund (englischsprachig) mich fragt, wo die Fernbedienung ist und ich antworte auf Deutsch, dass sie auf dem Tisch liegt: Dann habe ich das Bild von der Fernbedienung auf dem Tisch vor meinem geistigen Auge gehabt, nicht die Worte. Deshalb merke ich dann manchmal nicht, dass ich gar nicht auf Englisch, sondern auf Deutsch geantwortet hatte.
Menschen denken analog, nicht digital. Deshalb können wir bspw. eine analoge Uhr schneller ablesen als eine digitale.
Das menschliche Gehirn ist darüber hinaus so unglaublich entwicklungsfähig und phantasiebegabt, dass es sogar möglich ist, dass Menschen die blind und taub sind eine Art „Handsprache“ lernen können, worauf in dem Link zu Helen Keller weiter oben schon verwiesen wurde.
Gruß, DDD
In einem anderen Buch habe ich Auszüge aus Helen Kellers Autobiografie gelesen. Demnach malte ihr eine Lehrerin erst Zeichenfolgen in die Hand. Sie wusste bis dahin nur, dass es Zeichenfolgen (Abfolgen von Zeichen) gibt, ohne den tieferen Sinn zu kennen. Irgendwann malte ihre Lehrerin ihr das Wort „Wasser“ in die Hand und hielt ihr dann die Hand unter fließendes Wasser. Da kapierte sie, dass die Zeichenfolge eine Sache symbolisiert. In dem Moment hat sie also das Konzept Sprache kapiert: Folgen von Zeichen (Wörter) stehen für reale Dinge. Ein weiterer Schritt war, abstrakte Begriffe zu lernen. Das erfolgte zum Beispiel, indem die Lehrerin ihr die Hand auf die Stirn legte, als sie sich stark konzentrierte, und ihr das Wort „denken“ in die Hand malte. Wie es mit Sätzen weiterging, weiss ich nicht, aber ich denke, das ist dann nicht mehr so schwierig: Ein Satz ist ja nur eine Abfolge von Wörtern. Wenn jemand mal „ich“, „du“, „essen“ und „Apfel“ kapiert hat, dann wird ihm der Satz (bzw. die Abfolge von Zeichenfolgen) „ich esse einen Apfel“ schnell einleuchten. Auch Zahlen („ein“) dürften einfach sein: Apfel - ein Apfel - zwei Apfel (fühlen lassen).