Zur Hintergrundstrahlung
Hallo Andreas,
um deine Frage zu beantworten, müßten ein paar Mißverständnisse aufgehellt werden.
Zunächst: Photonen (also em-Strahlung im Teilchenbild betrachtet) breiten sich „geradlinig“ aus. Allerdings ist in einem (durch lokale Massen bzw Energiedichten) gekrümmten Raum unter „geradlinig“ etwas anderes zu verstehen als etwa eine „gerade“ Linie, die du mit dem Lineal ziehst. Aber das ist ein anderes Thema.
Aber em-Strahlung im Wellenbild betrachtet, breitet sich vom Ausgangspunkt sphärisch aus. Aber auch das ist bei der Fragestellung jetzt nicht wichtig.
Ferner: Daß der „Urknall“ (< „big bang“, eine ironische Bezeichnung von Fred Hoyle in den 1950ern für Expansions-Modelle des frühesten Zustands des Universums) nicht an einer bestimmten Stelle innerhalb des heutigen Universums stattgefunden hat, ist dir schon erklärt worden. Das Raumgebiet mit Radius von 10-33 cm Radius, als das U 10-43 sec alt war (das ist das Raumzeitvolumen, jenseits dessen heute keine physikalischen Aussagen gemacht werden können), war vielmehr das gesamte - auch heutige - Universum. Danach expandierte die Raumzeit. D.h. eine räumliche Umgebung dieses kleinen Volumens existierte gar nicht. Es war der gesamte Raum.
Für deine Fragestellung brauchen wir jetzt den Begriff des „beobachtbaren Universums“: Der sog. „Beobachtungshorizont“ ist eine Kugeloberfläche um uns herum (genauer: um jeden Punkt im Universum herum), deren Radius die heute von uns entferntesten Punke angibt, deren Licht uns heute theoretisch erreichen könnte, wenn es kurz nach dem Urknall von dort ausgesandt worden wäre. Also vor ca. 13.8 Mrd Jahren. Dieser Beobachtungshorizont ist heute von uns (aber ebenso von jedem anderen Punkt im U) 46,8 Mrd Lj entfernt (Achtung! „Lj“, Lichtjahr, ist eine Entfernungseinheit, nicht eine Zeiteinheit).
Dennoch können wir aber kein Licht aus dieser Entfernung empfangen. Denn Photonen, die sich ungestört durch den Raum bewegen, gab es im Baby-Universum zunächst noch gar nicht (warum nicht, dazu später). Erst als das U zwischen 380000 und 400000 Jahren „alt“ war, konnten Photonen sich frei bewegen. Und zwar waren das Photonen, die schon vorher existierten und nicht aktuell erst ausgesandt wurden. Zu dieser Zeit hatte der Beobachtungshorizont einen Radius von 40 Mio Lj. Und die Photonen durchquerten dann dieses Universum ungehindert (nicht ganz, aber für die grundsätzliche Vorstellung dieses Szenariums kann man das mal so abstrahieren).
Das bedeutet: Da dieses 380000 Jahre alte U ja expandiert ist, insgesamt um einiges schneller als der bloße Beobachtungshorizont, ist das entfernteste Licht - und damit zugleich „älteste“ Licht -, das wir heute empfangen können, damals 40 Mio Lj. von dem Punkt entfernt gewesen, an dem wir uns befinden. Alle anderen, damals „näheren“ Photonen, sind inzwischen an uns vorbeigerauscht (oder wurden inzwischen irgendwo absorbiert). Die heutige Photonendichte (von freien kosmischen Photonen) beträgt immerhin noch 400 pro Kubikzentimeter.
Das „älteste“ Licht, das wir heute empfangen können, ist also 13.8 Mrd minus 400000 Jahre alt. Und es war zu ebendieser Zeit ca 40 Mio Jahre von uns entfernt. Und die „Stelle“, wo es damals war, ist heute 46, 8 Mrd Lj entfernt. Alles andere, jüngere und alles damals nähere Licht ist bereits an uns vorbeigerauscht.
Warum wir niemals „älteres“ Licht empfangen können, liegt daran: Vor dieser Epoche, 380000 bis 400000 Jahre nach dem big bang, bestand die damals bereits existierende Materie im Wesentlichen aus einem „Plasma“ von „stabilen“ Baryonen, Leptonen und Photonen (also Protonen, Neutronen, Elektronen usw.), auch schon aus höheren Atomkernen, wie Deuterium, Helium usw., aber nicht aus „Atomen“, also stabilen Verbänden aus Kernen und daran gebundenen Elektronen. Ein Plasma also aus lauter freien geladenen Teilchen. Die spielten, eben wegen ihrer Ladung, mit den (in unermeßlich größerer Anzahl vorhandenen) Photonen Pingpong (d.h. verschiedenen Arten von Streuungen, die Photonen an Ladungsträgern erfahren). Die sog. „freie Weglänge“ (ein Maß für die ungestörte Bewegung eines Teilchens) betrug für ein Photon, wegen der extremen Dichte von diesen Ladungsträgern, nur wenige Teilchendistanzen.
Da das U wegen der Expansion abkühlte (und zwar auf ca 3000 Kelvin), die kinetische Energie der Teilchen somit kleiner wurde, konnten sich die positiv geladenen Kerne (also Verbände aus Protonen und Neutronen) und freie negativ geladene Elektronen zu Atomen verbinden, die nun nach außen neutral waren (diese Entwicklungsphase des U nennt man „Rekombination“). Die störten nunmehr die Photonen nicht mehr, d.h. deren „freie Weglänge“ war nun extrem viel größer, theoretisch unendlich. Und genau diese damals frei gewordenen Photonen, und zwar die aus dem damaligen jeweiligen Beobachtungshorizont (der, wie oben beschrieben, für jeden Punkt des U ein anderer ist) sehen wir heute in der sog. Hintergrundstrahlung. Ihre Wellenlänge ist wegen der Raumexpansion entsprechend größer geworden. Ihre Energie bzw Temperatur entsprechend kleiner. Wir sehen also Licht, das nur um 400000 Jahre jünger ist als das gesamte Universum. Und es ist zugleich das entferntest mögliche Licht, das bei uns ankommt.
Diese Strahlung enthält daher eine Unmenge von Informationen über den damaligen Zustand des Universums, vor allem über seine Geometrie. Z.B. konnte man nun (mit der „WMAP“ und der „Planck“-Messung) zeigen, daß das Universum insgesamt keine Krümmung hat (k=0). Es hat also eine euklidische Geometrie (im Fachausdruck heißt das: es ist „flach“), woraus unter anderem auch folgt, daß es räumlich unendlich ist. Was aber an der Endlichkeit des o.g. Beobachtungshorizontes nichts ändert: Wir können Beobachtungsdaten aus dem jenseits liegenden Universum prinzipiell nicht bekommen (weil es sich in diesen Entfernungen schneller ausdehnt als die Lichtgeschwindigkeit). Unter anderem aber eben sowieso nicht, weil die Photonen des Babystadiums vor der Rekombination nicht frei waren: Das Universum war damals „dunkel“.
Vielleicht haben sich deine Fragen jetzt ein wenig erhellt?
Schönen Gruß
Metapher