Hallo Rosina,
es gibt ein sehr gutes Buch von der Deutschen Buddhistischen Union zum Thema Tod und Sterben aus buddhistischer Sicht mit Beiträgen aller buddhistischen Richtungen. Es heißt „Im Spiegel des Todes“, ISBN: 3980462005 Buch anschauen und ist über die DBU http://www.dharma.de erhältlich.
In dem Buch benutzt Paul Debes den Begriff „Fortexistenz“, was meiner Meinung nach die Sache (nach buddhistischer Auffassung) besser trifft als der Begriff „Wiedergeburt“.
Der Begriff „Fortexistenz“ beinhaltet den Begriff „Existenz“. Um sich also mit Fortexistenz auseinander zu setzen, muss man erstmal versuchen zu verstehen, was im Buddhismus unter „Existenz“ verstanden wird. Der Buddhismus ist der Auffassung, dass es kein inhärentes, eigenes, unabhängiges Selbst gibt. Auch keinen irgendwie gearteten, unabhängigen, unveränderlichen Wesenskern, den man vielleicht als „Seele“ bezeichnen könnte.
Statt dessen gibt es im Buddhismus die Skandhas http://de.wikipedia.org/wiki/Skandhas, die alle unbeständigen Phänomene bilden (auch den Menschen) und ihrerseit leer von unabhängiger, unveränderlicher Existenz oder einem inhärenten Selbst sind.
Dies widerspricht natürlich unserem normalen „Selbstbild“. Somit gibt es im Buddhismus Übungen, die einem helfen sollen, diese Leerheit http://de.wikipedia.org/wiki/Shunyata zu erkennen. Wenn aber klar ist, dass es gar keine Seele gibt, dann kann es auch keine Seele geben, die geboren oder gar "wieder"geboren wird, aber auch keine Seele, die stirbt.
Winfried Kruckenberg (ganz sicher kein Anhänger des tibetischen Buddhismus) drückt es in dem oben genannten Buch (S. 264) so aus:
„Wo ist der Tod als Schrecken oder Vernichtung? Wo kein Ich ist, kann auch keines vernichtet werden oder sterben, und alle anderen Prozesse laufen in wenig wechselnder Weise weiter. Vor undenklichen Zeiten beginnend und bis in unendliche Zeiten weiterlaufend, treten sie hier als Fels oder Fluss, dort als Blume, dort als Tier oder Mensch in immer wechselnden formen von neuem in Erscheinung. Wo und was sind hier Geburt oder Tod? Es sind willkürlich von uns der Verständingung halber herausgenommene Punkte eines endlosen Fließens von Erscheinungen, die nur aufgrund unserer unvollständigen Erkenntnis und unserer Identifizierung mit ihnen besonders herauszuragen und besondere Bedeutung zu haben scheinen“
Und für die „nach dem Tod ist alles aus“ Fraktion findet Alfred Weil, ein allgemein anerkannter Kenner des Buddhismus (und ganz sicher auch kein Anhänger des tibetischen Buddhismus) in seinem Buch „Wege zur Todlosigkeit, Tod und Transzendenz in der Lehre des Buddha“, ISBN: 3931095193 Buch anschauen Seite 16 die folgenden, doch recht deutlichen Worte:
„Nun mag ein Trost für die Unvermeidlichkeit des Todes in seiner Einmaligkeit gesucht werden. Man lebt nur einmal, so glauben wir vielleicht, und deshalb werden wir auch nur eines Todes sterben. Und außerdem: Wenn ich schon sterben muss, dann endet zugleich alles Mühsal des Lebens und die Furcht vor dem endgültigen Aus. Wenigstens das, will uns scheinen! Eine trügerische Hoffnung ist das, an die sich nur solche klammern, die das wahre Wesen der Existenz nicht durchschaut haben und ihren Blick nur auf die Oberflächlichkeit der Erscheinungen richten. Der Erwachte lehrt uns dagegen zu erkennen, dass das Dasein ein unaufhörlicher Prozess ist und was wir „Leben“ nennen nur eine Episode. Existenz ist Kommen und Gehen, Gehen und Wiedererscheinen, es ist ein fortgesetzter Wandel von Wiedergeburt zu Wiedergeburt und von Tod zu immer neuem Tod. Der westliche Mensch tut sich mit dieser Vorstellung besonders schwer. Für ihn ist Leben begrenzt und von überschaubarer Dauer. Es sieht sein Dasein in engen zeitlichen Dimensionen. Eben so weit, wie die sinnliche Erfahrung reicht. Was er durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Denken aufnehmen kann, ist ihm real. Das macht ihn zum Ahnungslosen. Er weiß nicht, was samsara ist, der unvorstellbar lange Daseinskreislauf der Wesen. Seine beschränkte Wahrnehmungsfähigkeit gaukelt ihm Anfang und Ende vor, wo tatsächlich Fortsetzung und Weiterbestehen ist.“
Gruß,
Marion