Wie ist die evangelische Kirche Hierarchiert?

Hi,

Ich würde gerne wissen, wie die Hierarchie / Rangordnung in der deutschen evangelischen Kirche ist.
Also wer steht über wem?
Z.B. in der katholischen Kirche ist der Papst das Oberhaupt aber wie ist das in der deutschen evangelischen Kirche?

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir hierbei weiterhelfen könnt.

Gruß
Krateos

Der Begriff „Hierarchie“ ist griechischen Ursprungs und bedeutet „heilige Ordnung“. Das trifft auf die Ev. Kirche schon mal nicht zu, da die Organisation der „sichtbaren“ Kirche eine weltliche Angelegenheit ist und bleibt, also nichts Heiliges sein kann.

Die Evangelischen Kirchen (Plural!) legen die Ordnungen ihrer Organisation also jeweils eigenständig fest.

Während die lutherischen Kirchen, die meist auch das „Ev.-luth.“ im Titel führen, eher eine zentrale Leitung einrichten (Bischöfe, Kirchenämter, …), legen die reformierten Kirchen (meist einfach als „Ev.“ bezeichnet) Wert auf ein „von unten“ organisiertes Modell, das den Gemeinden größere Eigenständigkeit gewährt. (Beide Richtungen haben schon seit der Reformationszeit unterschiedliche Haltungen zu einzelnen Fragen).

Anders als in der katholischen Kirche geht bei den evangelischen Kirchen der Kirchenbegriff von der einzelnen Gemeinde aus: wo sich Christen versammeln, da ist Kirche. (Bei der Katholischen Kirche bestimmt der Bischof, wer wo Gottesdienste hält). Die Gemeinde wählt sich eine(n) Pastor(in), der/die in der Regel sehr große Freiheit hat, also z.B. nur auf die „rechte Lehre“ verpflichtet wird, wie sie in den Bekenntnisschriften festgelegt ist, und nicht auf den Gehorsam zu bestimmten Personen oder Ämtern. Der Superintendent oder Dekan und der Bischof kommen alle paar Jahre zu „Visitationen“ vorbei, haben aber keine Macht und wenig Möglichkeiten, Anweisungen an einzelne Gemeinden oder Pastor(inn)en durchzusetzen. Die Kirchenvorstände / Presbyterien / Gemeindeversammlungen der einzelnen Gemeinden können erheblich mehr entscheiden als in den katholischen Gemeinden. Z.B. ist das Kirchengebäude bei evangelischen Gemeinden grundsätzlich Eigentum der Gemeinde - bei katholischen ist der Bischof Eigentümer!

Also: keine Hierarchie, sondern ganz unterschiedliche Organisationsformen. Manche ein wenig mehr „top-down“ (lutherisch), manche mehr „bottom-up“ (reformiert, noch mehr bei den ev. Freikirchen).

Schöne Grüße

Kernel

Noch ein Nachtrag: Die Ev. Kirche in Deutschland ist ein Zusammenschluss der einzelnen Ev. Landeskirchen. Die einzelnen Kirchen schicken Delegierte in eine Synode, die wählt einen Rat, der wählt eine(n) Rats-Vorsitzende(n) - bis zu ihrem Rücktritt war das Margot Käßmann, die schon 10 Jahre lang Bischöfin der Landeskirche Hannovers war.

Das Amt ist öffentlichkeitswirksam, hat aber keinerlei Macht-Funktion. Dasselbe gilt für alle leitenden Ämter in Ev. Kirchen: sie verleihen dem Träger nur die Macht des Wortes, er muss also überzeugen, weil er nichts anordnen kann.

Kernel

Lieber Krateus,
das ist nicht so einfach.
Rein geschichtlich ist es so, dass Luther gar keine Hierarchie wollte, denn er dachte, dass jeder Gläubige mündig ist (Stichwort: „Priestertum aller Gläubigen“). Das hat aber schon zu seiner Zeit nicht funtioniert. Heute ist es so, dass die Kirchengemeinden, an deren Spitze Pfarrer und Kirchenvorstand stehen, in Dekanatsbezirke organisiert sind, denen jeweils ein Dekan vorsteht. Dazu noch eine Dekanatssynode.
Mehrere Dekanatsbezirke bilden einen Kirchenkreis (davon gibt es in Bayern z.B. 5), an dessen Sptze ein Regionalbischof steht.
Dazu gibt es eine Landessynode und einen Landesbischof.
Der Landeskirchenrat, der auch einige Macht hat, besteht aus den Regionalbischöfen, dem Landesbischof und dazu noch einem Abgesandten aus dem Landeskirchenamt.
Alles kapiert?
Ist auch schwer: Die evangelische Kirche kennt ganz bewusst kein „Oberhaupt“, da im Grunde genommen so ziemlich alles behauptet werden kann, was mit der Bibel begründet wird.
Herzliche Grüße

annamirl

Hallo Krateos,

das Ganze ist etwas kompliziert, da
a) regional unterschiedlich und
b) 1. geistliche und
2. weltliche Leitung zu unterscheiden sind.

Zu a) meine Antworten beziehen sich auf die Nordelbische Ev.-Luth.-Kirche (Schleswig-Holstein und Hamburg).

Zu b)1.
In Glaubensdingen gilt das „Priestertum aller Gläubigen“. Es gibt keine Instanz, die im Besitz einer Glaubenswahrheit wäre. Jeder Christ muss sein Handeln - ausgehend von der biblischen Überlieferung - selbst verantworten. Dies gilt für Laien wie Geistliche.
Für Geistliche gilt weiter: Die Bekenntnisse der Alten Kirche und der Reformation (z.T. im Kirchengesangbuch abgedruckt, sonst auf der Seite der EKD zu finden)sind leitend bei der Auslegung der biblischen Überlieferung: Der Geistliche muss auch diese Bekenntnisse bedenken und dann auf die jeweilige Situation neu beziehen.

Im „Ansehen“ steht an der Spitze das Bischofsamt, gefolgt vom pröpstlichen Amt und dann dem Dienst der Pastorinnen und Pastoren. Eine geistliche Weisungsbefugnis gibt es nicht. Was Propst oder Bischöfin sagen wird man aber bewusst wahrnehmen, schließlich sind sie von Synoden in ein „leitendes Amt“ gewählt, PastorInnen werden Sie als Berater schätzen.

zu b)2.
In diesem „leitenden Amt“ begegnet die weltliche Seite der Kirche.
Hier sind die PröpstInnen Dienstvorgesetzte der PastorInnen eines Kirchenkreises, was die Amtsführung betrifft ( z.B. Erreichbarkeit, Ausführung von Amtshandlungen an und für sich, Urlaubsanträge).
Sie können Weisungen erteilen, denen - >>>was die weltliche Seite Seite angehtGrundsätzlichnur

Hallo Krateos,
eine ähnliche Hierarchie wie in der katholischen Kirche gibt es in der Evangelischen Kirche NICHT.

Die Hierarchie mit dem Bischof aller Bischöfe (Papst) gilt schließlich WELTWEIT.

Die EKD („evangelische Kirche in Deutschland“ - richtiger wäre allerdings evangelische KircheN in Deutschleund) hat einen „Rat“, dieser Rat ist das höchste Gremium der angeschlossenen Landes- und Freikichen. Der/die Vorsitzende des Rates ist entsprechend die höchste Amtsperson der EKD.
Diese Person ist aber „nur“ Repräsentant/in der EKD.
Er/Sie hat NICHT - im Unterschied zum Papst für die röm-kath Kirche WELTWEIT - die Macht, irgendeine Lehraussage für alle evangelischen Kirchen zu machen.

Die regionalen Gegebenheiten klären die jeweiligen Landeskirchen selbst. Hier gibt es jeweils eine/n Landesbischo(e)f(in) (ev.-lutherische Kirchen), ein/e Landes-Superintendenten(in) (ev.-reformiert) und einen „Präses“ (ev.-unierte Kirchen).
Darunter gibt es dann auch Bischöfe oder äquivalente Ämter und darunter die Pfarrkapitel.

Die evangelische Kirche in Deutschland kennt nur ein 2-gliedriges „Amt“, nämlich Bischof und Pfarrer.

Die röm.-kath. Kirche kennt ein 3-gliedriges Amt, nml. Bischof-Priester-Diakon.

Es gibt auch Diakon in der ev. Kirche - ich selbst bin einer - diese gehören aber selten dem in der „Confessio Augustana“ beschriebenen „Predigtamt“ an.

Ergo:
Hierarchien der evanelischen Kirchen sind teilweise grundverschieden und eher nicht mit denen der römisch-katholischen Kirche zu vergleichen.

Bruder Nicolas