Hallo Lucy,
Deine Gedanken sind absolut naheliegend und nachvollziehbar. Sie müssen aber nicht zwangsläufig zutreffen, wenn die Bibel wirklich ein ganz besonderes Buch (bzw. eine Büchersammlung) ist.
Zum Teil kommen die „Vorwürfe“, die man der Bibel macht, ja auch bloß aus dem Halbwissen über irgendwelche Textteile, die jemand vielleicht falsch verstanden hat…
Die Bibel sollte man zuerst mit der Bibel selbst interpretieren und nicht zuletzt auch mit ihrem kulturellen Umfeld. Dann erscheint z.B. die Opferung von Abrahams Sohn, die Gott angeblich gefordert hat, in dem Zusammenhang, dass Gott nur scheinbar das forderte, was die damaligen „Götter“ üblicherweise forderten, aber an dem Beispiel zeigt, dass Gott es eben gerade nicht fordert, weil er Abraham ja im letzten Moment abhält davon.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der angeblichen Frauenfeindlichkeit, wie sie im Speziellen dem Apostel Paulus unterstellt wird. Wenn man nicht nur durch die Brille unseres Zeitgeistes und mal genauer und im Zusammenhang nachsieht, muss man nicht auf den Schluss kommen, dass es Frauenfeindlichkeit in der Bibel gäbe.
Es wäre ja nur natürlich, wenn sich in die Bibel menschliche Gedanken gemischt hätten und wenn sie nicht gleichgeblieben wäre. Als man feststellte, wie gut die Vorhersagen im Alten Testament (AT) (z.B. bei dem Propheten Jesaja) zu Jesus und dem Neuen Testament (NT) passen, meinten Kritiker, dass das AT nach dem NT geschrieben worden sein müsste!
Aber immer ältere Funde von Bibeltexten haben das widerlegt, und haben außerdem gezeigt, dass der Text sich unglaublicher Weise kaum verändert hat, es wurde mal ein Synonym benutzt oder so, aber der Sinn blieb immer erhalten.
Das ist auch nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, wie ernst die Texte von denen genommen wurden, die sie abschrieben. Wenn sie einen Fehler machten, vernichteten sie das ganze Dokument. Und weil sie so genau waren, betrachteten sie die älteren Papiere nicht als wertvoller, sondern vergruben sie, wenn sie zu abgenutzt waren und durch neue Kopien ersetzt wurden.
Verwunderlich ist dagegen, dass die Bibel sich selbst eben nicht widerspricht, obwohl sie über den langen Zeitraum von ganz verschiedenen Leuten geschrieben wurde, die sich gegenseitig oft nicht kannten, ebenso wenig wie die Texte der anderen.
Und die passenden Voraussagen sind dabei praktisch das göttliche Siegel, denn es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Es ist unmöglich, dass Jesus sein Leben so passend zu den Prophezeiungen gelebt hat oder das die Geschichte passend gemacht wurde (das hätten die vielen Feinde der Christenheit ja groß und breit veröffentlicht, stattdessen konnte keiner Jesus seinen besonderen Rang absprechen).
Es wäre auch bizarr anzunehmen, dass die Jünger von Jesus sich so viel Schwerem und Leid ausgesetzt hätten für eine ganz neue selbsterfundene Lüge, und das sie so viele Anhänger damit gewonnen haben sollen (in den Evangelien heißt es, dass sie nach der Kreuzigung extrem deprimiert und ängstlich waren - bis sie erlebt haben, dass Jesus auferstanden war).
Auch dass Juden wieder in ihrem alten Land Israel leben, hätte vorher keiner geglaubt, und dass sie es da ausgehalten haben, war auch mehr als unwahrscheinlich, wenn man sich die Geschichte ansieht, aber in der Bibel steht schon seit Jahrtausenden, dass sie zurückkehren würden. Es gibt auch kein anderes Volk, das nach so einer langen Geschichte der Zerstreuung noch als solches existiert und nicht „assimiliert“ (also von anderen Völkern „verschluckt“) wurde.
Die Bibel hat selbst den Anspruch, dass sie durch Gott (den Heiligen Geist) eingegeben wurde, und Fehler konnte man ihr trotz aller Bemühungen nicht nachweisen (es gibt nur populäre Interpretationen, die meinen, die Texte seien zusammengeschustert, aber das ist eben nur eine populäre Meinung, weil man sich eben denkt, es könne gar nicht anders gewesen sein, es ist aber keine Tatsache). Archäologisch konnte man inzwischen viele Orte und Völker nachweisen, von denen Kritiker mal meinten, die Bibelautoren hätten sie frei erfunden.
Sogenannte „Apokryphen“, manchmal auch reißerisch bezeichnet als „geheime Bibelbücher, die es nicht in die Bibel geschafft haben“ (das ist genauso ein fantastischer Humbug wie ein Dan-Brown-Roman), sind frühe Legenden und Bibel-Kommentare, die sich zum Teil offen als eine Art Unterhaltungsroman bezeichnen, oder aber alte Geschichtsbücher. Sie widersprechen der Bibel z.T. offensichtlich oder aber auch bekannten historischen Tatsachen.
In der Zeit der Entstehung des NT herrschte aus guten Gründen Einigkeit unter den verschiedenen Gläubigen, welche Texte sie als „biblisch“ betrachteten und welche nicht. Weil sie an verschiedenen Orten wohnten, waren ihnen nicht von Anfang an alle Texte bekannt, aber sie blieben sich doch erstaunlich einig, welche der sich verbreitenden Kopien göttliche Autorität hatten und welche nicht.
Daneben lasen sie auch mal Apokryphen, so wie wir heute auch „Sekundärliteratur“ zu christlichen Themen lesen: Romane, Kommentare usw., unterschieden aber immer zwischen ihnen und der Bibel. Erst nach dem Streit mit Luther nahm die Kath. Kirche ein paar Apokryphen als „Spätschriften des AT“ in „ihre“ Bibel auf, um ihre Argumente zu untermauern (z.B. das Beten für Tote). Die Juden lehnten diese aber nach wie vor ab, ebenso wie die evangelischen Christen. Dazu gehören die Bücher der Makkabäer (eines ein Geschichtsbuch, eines ein historischer Roman) und Jesus Sirach (ein Kommentarbuch zum AT).