Moin moin,
seit einiger Zeit bin ich Vertrauensperson, und sehr glücklich, dass meine Firma diese Rolle unterstützt.
Leider verprellt mein AG zunehmend meine Kollegen. Es geschehen lauter Dinge, die man sofort wiederfindet, wenn man im Internet nach „Demotivation“ sucht. V.a. willkürlich erscheinende Bevorzugung „einiger weniger“, übermäßiges Kontrollverhalten / „kurze Leine“ für (echt fitte) Fachleute, sehr harsche Reaktion auf jegliche Verbesserungsvorschläge; sogar sarkastische Bemerkungen in Personalgesprächen kommen immer häufiger vor. Manche Kollegen kriegen wirklich Bauchschmerzen, wenn sie mit dem Chef sprechen müssen. Dabei ist mir überhaupt kein Fehlverhalten, nicht einmal speziell schlechte Leistung bekannt geworden. Aber selbst wenn das mal vorkäme - was mir einige (unabhängig voneinander) über den Umgang berichten, ist schon ausgesprochen hart und ungerecht. Es gibt teilweise auch heftige Vorwürfe und Anschuldigungen, z.B. wenn eine Rückstellung falsch gebucht wurde, obwohl die Person nun wirklich nichts damit zu tun hatte (technische Fachkraft, überhaupt nicht deren Aufgabenbereich).
Ich finde das schade und manchmal richtig schlimm. Meine Vermutung ist, dass bei den Führungskräften, bis hoch zum Chef, hoher Druck herrscht, denn das Klima ist geprägt von Angst, Zwängen und „Schuld“. Die Mitarbeiter sind wirklich klug (und leider oft etwas sensibel), definitiv keine Saboteure, und machen wirklich erfolgreiche Projekte. Von den Kunden wird die Firma allerdings auch ziemlich unter Druck gesetzt. Offenbar wurde in den letzten Jahren der Tagessatz kontinuierlich gedrückt(!) oder konnte zumindest nicht erhöht werden. Während die Kosten intern natürlich eher steigen. Soweit ich weiß, muss sich aber jeder Projektleiter, selbst wenn er noch so schwarze Zahlen vorlegen kann, stets strenge Zurechtweisungen anhören.
Ich habe mich in Grundlagen der BWL, v.a. Projektmanagement, Mitarbeiterführung und Org.Psychologie, ziemlich engagiert weitergebildet und im Tagesgeschäft eine Menge Projekte und Teams geleitet, und Projekte von vorn bis hinten kalkuliert. Man kann nicht sagen, dass ich keine Ahnung habe…
Aber so langsam bin ich mit meinem Latein am Ende; einerseits denke ich immer häufiger, wenn ein Kollege zu mir kommt, „jo, also ich würde mich mal nach einem neuen Job umgucken!“, andererseits gehen bekanntlich ohnehin schon immer eher die guten Leute, so dass ich im Sinne der Organisation konstruktiv bleiben will. Auch weiß ich, dass ich ein bisschen als Stimmungsindikator fungiere und mich mit Bedacht äußern muss. Als mir mal Freunde eine interessante Stelle angeboten haben, und der Flurfunk direkt verlauten ließ „Hauke ist auf dem Absprung!“, oh je… nun bin ich aber weiterhin und schon etliche Jahre dabei.
Die Kollegen werden skeptischer mir (bzw. meiner Rolle als Vertrauensperson) gegenüber, wenn ich nicht einfach mit ins Klagelied einstimme, sondern konstruktiv-„lösungsorientiert“ herangehe. Ich denke immer noch, wenn man der Führung sachlich und besonnen, und vor allem in großer Mitarbeiterzahl, die wichtigsten (teils relativ leicht zu behebenden) Probleme nahebringt, besteht eine Chance. Schließlich arbeiten einige ja auch in gut funktionierenden Teams zusammen, die beim stückweisen Weggang Einzelner natürlich zerfallen.
Wenn ich zu scharf die „Majestäten beleidige“, werden mir diese gar nicht mehr zuhören, also ist es immer ein Eiertanz. Die Zeit drängt aber langsam etwas, da die Fluktuation schon recht hoch ist, und man bald (sorry) nur noch mittelprächtige Mitarbeiter hat (so wie mich ). Die top 20% („Burner“) sind weg, kurioserweise gelingt es recht regelmäßig, wieder gute Leute reinzuholen, aber nach 4 Monaten bis allerhöchstens 2 Jahren sind die Besten auch schon wieder weg.
So ganz uneigennützig ist mein Ringen um mehr Mitarbeiterbindung nicht (denn viele Leute sind mir auch sonst ganz sympathisch, und man stemmt echt gute Projekte), aber ich fühle mich auch in meiner Rolle „unfähig“, wenn ich am Weggang der Leute nichts ändern kann.
Habe ich eine reelle Chance, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen oder Strategien, wenigstens einige gute Leute zum Bleiben zu bewegen? Wie sollte ich mich gegenüber der Führung verhalten? Kann ich deren „Einsicht fördern“? Ich habe es schon auf unterschiedliche Weise versucht; von sachlich bis „begeisternd“, beim Chef direkt oder über Abteilungsleiter, kurz und knallig oder argumentativ ausholend… hat bisher alles nichts gebracht.
Bin ich einfach nicht der geborene „Berater“ - oder gibt es derart beharrliche „Beratungsresistenz“, dass man sich daran nur die Zähne ausbeißt?
Danke für ein paar neue Ideen,
Hauke