Wie könnte man folgenden Fall bewerten? Unterschlagung?

Moin,

wie könnte man den folgenden Fall bewerten?

Schuldner Sven schuldet Gläubiger Gerd unbezweifelt €1000.- , die Begleichung ist für einen späteren Zeitpunkt vereinbart.
Gerd lässt sich bei einem Treffen Svens Geburtsurkunde(nabschrift) zeigen weil der mal sehen will wie sowas aussieht und Sven händigt sie ihm genau und nur dafür aus.
Gerd gibt diese allerdings unverhofft nicht mehr zurück, sondern behält sie einfach als Pfand für die €1000.- ein.
Wäre das Unterschlagung oder eine andere Straftat?

Ändert sich die Situation rechtlich irgendwie, wenn es sich bei dem Gläubiger nicht um eine Person, sondern um eine Gesellschaft (GmbH) handelt, mit zwei gleichberechtigten Geschäftsführern? Die Vereinbarung der späteren Begleichung käme hierbei von Gerd junior während das Nichtzurückgeben von Gerd senior erfolgt wäre.
Nach meiner Rechtsauffassung kann die einmal getroffene Vereinbarung nur einvernehmlich zwischen Sven und Gerd geändert werden, das Binnenverhältnis und die Meinungsverschiedenheiten der Gerds ist für Sven völlig irrelevant. Stimmt das?

VG
J~

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Hallo,

Unterschlagung setzt eine Zueignungsabsicht voraus und dafür fehlt (mindestens) eine der Voraussetzungen nämlich der Wille, Sven dauerhaft um seine Geburtsurkunde zu bringen. Generell kommt man hier im Strafrecht m.E. nicht besonders weit, weil es einfach am Willen fehlt, sich selber einen Vermögensvorteil zu verschaffen bzw. dem anderen einen Schaden zuzufügen.

Zivilrechtlich ist die Sache klar: Sven hat einen Herausgabeanspruch ggü. Gerd.

Gruß
C.

Die vorübergehende Zueignungsabsicht ist klar erkennbar: „Ich behalte deine Urkunde und gebe sie dir so lange nicht zurück, bis…“. Und damit ist das Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht erfüllt. Das eine vorübergehende Zueignungsabsicht für eine Verwirklichung von 246 StGB vollkommen ausreichend ist, ist unter Juristen unstrittig. Eine dauerhafte Zueignungsabsicht ist nicht erforderlich.

Vermögensvorteil spielt für 246 StGB keine Rolle. Und Schaden zufügen auch nicht.

P.S. Urkundenfälschung Nachtigall ick hör dir trapsen.

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Da steht doch genau, warum die Zueignungsabsicht nicht gegeben ist. Es ist nämlich nicht „ich will es mindestens eine Zeitlang behalten“ ausreichend, sondern auch „Du kriegst es nicht wieder“ muss gegeben sein und wenn gerade weder ein Prüfschema noch einen Kommentar zur Hand hast, dann lies Dir den entsprechenden Wikipedia-Artikel durch.

Der Abschnitt bezog sich erkennbar nicht auf 246 StGB, sondern darauf, dass man kaum eine andere Vorschrift finden wird (ich lasse mich gern eines besseren belehren), die das Handeln des „Täters“ unter Strafe stellt. Aus den nachlesbaren Gründen.

Es ist doch beides gegeben. Was nicht gegeben ist, ist „Du kriegst es nie mehr wieder.“ Und um zu wissen, das das zur Erfüllung des Tatbestandmerkmals ausreicht brauche ich weder ein Klausurschema, noch einen Kommentar noch Wikipedia. Treibst du das ganze jetzt wieder mit der Brechstange auf die Spitze wie damals bei der Urkundenfälschung?

Das

ist mit

gemeint gewesen. Wie auch schon hier

nachzulesen war.

Ich schrieb im Übrigen nicht

sondern

Das ist etwas völlig anderes.

Ob die Zueignungsabsicht für eine Unterschlagung erforderlich ist oder dem von § 242 StGB abweichenden Wortlaut des § 246 StGB gemäß ein Zueignungsvorsatz genügt, ist umstritten und kann hier offen bleiben. Unstrittig ist aber, dass die Zueignung für Unterschlagung, anders als beim Diebstahl, deren objektiver Tatbestand durch die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache erfüllt wird, tatsächlich erfolgen muss. Eine Zueignungsabsicht genügt auf keinen Fall.

Umstritten ist, wie sich die Zueignung manifestieren muss, um tatbestandsmäßig zu sein. Hierzu hat der BGH mit Beschluss vom 23.11.2023, Az. 6 StR 191/23, eine von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichende Entscheidung getroffen. Rn 5 S.1 lautet:

„a) Eine Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB setzt nach der von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Auffassung des Senats voraus, dass der Täter sich die Sache oder den in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert wenigstens vorübergehend in sein Vermögen einverleibt und den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt (vgl. MüKo-StGB/Hohmann, 4. Aufl., § 246 Rn. 36; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 246 Rn. 29; Hohmann/Sander, Strafrecht BT, 4. Aufl., § 37 Rn. 9 ff.; Kudlich/Koch, JA 2017, 184, 185; im Ausgangspunkt ebenso BGH, Beschluss vom 5. März 1971 – 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; unter Betonung der Ent- bzw. Aneignungskomponente Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, 1970, S. 191, 196; Samson, JA 1990, 5, 9).“

(Hervorhebung durch mich)

Die Frage nach der Manifestation der Zueignung ist eine andere als die in diesem Thread diskutierte. Aber immerhin haben wir hier eine taufrische Entscheidung, in der davon die Rede ist, dass eine Zueignung den Eigentümer auf Dauer von der Nutzung ausschließt.

Das heißt nicht, dass ich @Julius im Ergebnis zustimme. Aber da bei Unterschlagung fast immer nur über die Manifestation gestritten wird, könnte es sich lohnen, den Begriff der Zueignung beim Diebstahl näher zu erforschen. Dass dieser Begriff nämlich bei Diebstahl und Unterschlagung derselbe ist, sagt der BGH a.a.O. in Rn. 8 unzweideutig.