Die wenigsten Menschen haben einen „festen“ Scheidungsanwalt Der Normalfall ist doch ohnehin der, dass keine Partei einen besonders vertrauten Scheidungsanwalt hat, sondern - egal welcher Ehepartner - sich erst einmal einen Anwalt suchen muss. Das können die beiden natürlich theoretisch auch gemeinsam und mit Losentscheid machen. Das ändert aber nichts am Grundproblem!
Scheidungen sind jetzt nicht so mein Metier, habe ich nur ausnahmsweise mal gemacht, aber nehmen wir mal folgende Situation an (die ich nie akzeptieren würde):
Die mir unbekannten A und B stellen sich bei mir als scheidungswilliges Ehepaar vor. Sie sind sich vollkommen einig und wollen die Sache möglichst billig über die Bühne bringen, erzählen was vom „gemeinsamen Anwalt“, ich kläre darüber auf, dass es den nicht gibt, und eine Partei dann unvertreten ist. Die beiden erzählen mir, dass ihnen dies egal ist und wir gemeinsam offen über alles sprechen können und sie keine Geheimnisse voreinander haben, … Man einigt sich darauf, dass A von mir vertreten die Anträge stellen soll.
Im Rahmen der Aufnahme der Daten kommt es zu einem Punkt an dem ich sehe, dass die beiden bzgl. einer wertvollen Immobilie davon ausgehen, dass sie alleine einem Ehegatten zusteht, was aber nun mal keinen Rückhalt in Gesetz und Rechtsprechung findet. Um mich standesrechtlich korrekt zu verhalten, habe ich vorab ja bereits geklärt, wen ich vertreten soll, s.o.
- Variante: Da ich A vertrete, dem nach fälschlicher Ansicht der Eheleute die Immobilie zusteht, muss ich die Klappe halten, weil alles andere Parteiverrat wäre (strafbar!). Die generelle „Freigabe“ hilft mir da im Zweifelsfall gar nichts, weil sie in Unkenntnis des erheblichen Immobilienwerts erteilt wurde. Abgesehen davon: Warum soll ich mich überhaupt der Gefahr einer Anklage wegen Parteiverrats aussetzen? Ich wäre ja mit dem Klammerbeutel gepudert! Ich darf nur A unter vier Augen von meiner Erkenntnis erzählen. Was A dann damit macht, … Ich bin raus! Popo an die Wand und nach mir die Sintflut. Sollte B die Sache irgendwann spitz bekommen, kann ich als Anwalt ruhig schlafen, als Mensch könnte ich es schon in dem Moment nicht mehr, wo ich B sehenden Auges - ohne etwas tun zu dürfen - ins Verderben rennen lassen muss.
Variante 2: Ich vertrete B und kann in dem Fall sogar problemlos offen vor beiden meine Erkenntnis kund tun. Ob B ab dem Moment noch so einig mit A ist? Mir kann es egal sein, ich bekomme ja mein Geld von B so oder so. Hat A halt mit Kirschen gehandelt und soll sich jetzt gerne einen eigenen Anwalt suchen, wenn er die Sache anders sieht. Was ich aber nicht tun darf: „Einfach meine Klappe halten“, denn das wäre in dem Fall Parteiverrat an B, und sollte B ein Jahr später Wind davon bekommen, dass ihr/ihm da ganz schön was durch die Lappen gegangen ist, wäre von Einigkeit keine Rede mehr, und könnte ich meine Haftpflicht einschalten.
Richter gibt es gute und schlechte. Es kommt durchaus vor, dass die bei so genannten „gemeinsamen Anwälten“ dann mal etwas genauer hinsehen und kritische Rückfragen stellen, ob die nicht vertretene Partei wirklich weiß auf was sie sich da mit welchen Folgen eingelassen hat. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht, und da gibt es dann auch keine Berufshaftpflicht, die man in Anspruch nehmen könnte, wenn einem auf dem Weg etwas durch die Lappen gegangen ist.
Und das alles hat nicht mit „je mehr Streitpunkte“ zu tun, sondern einfach mit Waffengleichheit. Eine Einigkeit die auf Unkenntnis und schlechterer Beratung einer Seite beruht ist in meinen Augen nicht viel wert. Auch wenn beide Seiten vernünftig vertreten sind muss dies nicht zu Streit führen. Das gibt aber das gute Gefühl recht sicher sein zu können, dass man tatsächlich weiß, worauf man sich einlässt.