Wie lässt sich die Fehlplanung beim Lehrerbedarf erklären?

Hallo,

ich hab jetzt mehrmals in den Medien gelesen, dass man bei der Lehrerplanung in vielen Bundesländern „geschlafen“ habe. Ich habe aber meine Zweifel, ob man da nur „geschlafen“ hat. Ich meine, so dumm kann man doch gar nicht sein. Wenn Windelhersteller ungefähr voraussehen können, wieviel Kinder es geben wird, dann können Ministeriumsbeamte das doch auch ausrechnen. (Man komme mir jetzt nicht mit Flüchtlingen und Inklusion. Es würden auch ohne das Lehrer fehlen, oder nicht?)

Mein Verdacht ist, dass es politische Anreize oder Gesetzmäßigkeiten gibt, die zu solchen Fehlsteuerungen führen. Zum Beispiel: Warum soll ich jetzt Geld investieren, was mir an anderer Stelle fehlt und das vielleicht nur meinem Nachfolger nützt, nicht aber mir? (Und der Nachfolger ist vielleicht auch noch von der anderen Partei oder mein Erzfeind.) Also Denken bis zur nächsten Wahl.

Oder geht es darum, dass immer nur das gemacht wird, was unkompliziert ist, weil von den Entscheidern sowieso keiner Zeit hat, sich in irgendwas richtig einzuarbeiten?

Ein Zitat vom Ex-Datenschutzbeauftragten Schaar dazu:

Schaar: Da ging es dann um die Frage, ganz aktuell übrigens, wie wird sich der Lehrerbedarf entwickeln, und vieles von dem, was man damals berechnen konnte, war einfach als Information nicht erwünscht. Das war übrigens eine interessante Geschichte.

Burchardt: Waren Sie da Programmierer sozusagen?

Schaar: Ich habe auch programmiert. Ich habe ein Simulationsmodell, wie man solche Personalkörper entwickeln kann unter bestimmten Vorgaben, wie man dann auch die Parameter ändert, was sich dann ändert auch, wie viele neue Lehrer man braucht, wie die Lehrerseminare dann entsprechend zu bemessen sind, damit man dann diese Lehrer auch einstellen kann. All das gab es damals schon. Wie gesagt, da war ich an der vordersten Front und habe das entwickelt. Das Verrückte ist, kein Schwein interessierte sich dafür. Die, die politisch verantwortlich waren, die sahen dann eher so das Problem, na ja, jetzt sind gerade viele Schüler da, da braucht man viele Lehrer, oder es sind gerade weniger Schüler da oder es scheiden jetzt gerade welche aus, da muss man wieder mal Lehrer ausbilden. Das konnte man alles sehr lange im Voraus, über viele Jahre eigentlich, in den Grundzügen erkennen, auch sogar quantifizieren, aber das war nicht im Interesse. Ich hatte immer gehofft, das hätte sich geändert, aber heute sehen wir ja den Irrsinn, dass offensichtlich die planerischen Kenntnisse und auch die Bereitschaft, die dann auch umzusetzen, in Politik minimal sind.

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/datenschutz-im-digitalen-zeitalter-unser-leben-wird.1295.de.html?dram:article_id=429192

Planen kommt von Planwirtschaft und das ist ja ganz böse.
Offensichtlich denkt man auch hier, der Markt würde das selbst regeln.
Mit Kindergärten ist es ja ähnlich. Spätestens wenn Kinder geboren werden sollte man sich den Bedarf an Lehrern, Erziehern und Betreuern für die nächsten Jehre ausrechnen können.
Autsch! Erzieher- schon wieder so ein böses Wort, es gibt ja nur noch Betreuer, das verziehen überlässt man ja den Eltern.

Es handelt sich um Politiker, die das entscheiden, ob beispielsweise zusätzliches Geld für die Vermeidung eines zukünftigen Mangels bereitgestellt wird. Da das Wahlvolk aber keine einzige Wählerstimme rausrückt, wenn es um künftige Probleme geht, dafür aber massivst abstraft, wenn stattdessen im Hier und Heute an anderer Stelle gespart wird, beschäftigen sich Politiker auf der Ebene des faktischen Handelns grundsätzlich nicht mit Problemen von morgen, denn da ist kein Blumentopf zu gewinnen. Klimawandel, demografischer Wandel, Rente usw. sind was für Sonntagsreden und Grundsatzprogramme, für Umsetzung ist da kein Platz. Somit wartet die Gesellschaft ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist und betreibt dann - begleitet von lautstarkem Lamentieren - Flickschusterei.

Ist blöd irgendwie, aber leider unvermeidlich, denn das Volk wählt genau solche Politiker an die Macht, wie es sie gerne haben will. Würde man ehrliche und aufrichtige, langfristig denkende, vernünftig und abgewogen handelnde Politiker wollen, so würde man solche auch wählen. Will man aber nicht.

Hallo,
Deutschland soll 2100 nur noch 54 Millionen Einwohner haben
da braucht man auch weniger Schulen und Lehrer, jedenfalls theoretisch zahlengetrieben. 2013 https://www.welt.de/politik/deutschland/article117105234/Europa-stirbt-aus-Afrika-entscheidet-die-Zukunft.html
Mit der Vielzahl an Zugereisten aenderte sich dies, wieder mehr Kinder pro Frau.
2016 https://www.zeit.de/gesellschaft/2016-10/geburtenrate-deutschland-auslaendische-muetter-alter-bundeslaender
Statt 1,6 Kinder nun bald 2 Kinder pro Frau.
In den wenigen Jahren kam man noch nicht zu grossartig angestiegener Lehrerausbildung. Sowas dauert einige Jahre, bis sich Interessenten entscheiden, und bis sie nach mehreren Jahren dann ausgebildet im Arbeitsmarkt erscheinen. Das Problem ist erkannt, Lehrer werden schon umworben und besser bezahlt.
Gruss Helmut

Hallo,

zur Einleitung: die Schulplanung für die hiesige Gemeinde beginnt mit den Worten „Zuwanderung und Neubaugebiete werden in der Planung nicht berücksichtigt“.

Zu Deiner Frage: um zu verstehen, wie so eine Gemeinde tickt, wie Verwaltung und Politik zusammenspielen und wieso da mitunter so ein völliger Quatsch bei herauskommt, hilft ein Besuch bei einer Gemeinderats- bzw. Gemeinderatsausschusssitzung ungemein. Am besten eignen sich da so praktisch orientierte Ausschüsse wie Soziales, Schule, Verkehr, Recht usw.

Auf Landes- und Bundesebene wird das ganze dann natürlich noch abstrakter und ist noch mehr von der Realität entrückt. Wobei man fairerweise berücksichtigen muß, daß in Medien und Bevölkerung immer laut „Lobbyismus“ geschrien wird, wenn Politiker den Rat von Leuten einholen, die von der Materie etwas verstehen.

Gruß
C.

Jetzt hast du mich natürlich neugierig gemacht. Was würde ich denn da in etwa erleben?

Kommt darauf an, wie groß die Gemeinde/Stadt ist und um was es geht, aber so ganz grundsätzlich sitzen im Raum die gewählten Vertreter herum, die die Beschlußvorlagen ein paar Tage zuvor erhalten haben, und vorne sitzen Bürgermeister und die zuständigen Mitarbeiter der Verwaltung. Und dann wird über ein Thema diskutiert oder auch nicht. Entscheidend ist aber, daß alle Anwesenden an der Tür den gesunden Menschenverstand abgegeben und alles vergessen haben, was sie als Bürger, Eltern, Lehrer, Autofahrer, Anwohner usw. so erleben und wahrnehmen.

Und selbst der kleine Rest, der es vielleicht überlebt hat, wird dann zwischen Verwaltungsvorschriften, politischen Interessen und Überlegungen und ggfs. auch persönlichen Interessen zerrieben.

Vielleicht übertreibe ich gerade ein bißchen, aber ich tue mir das hier seit mittlerweile drei Jahren relativ häufig an und bin immer wieder erstaunt darüber, wie sehr das, was da beschlossen wird, von dem abweicht, was ich für das halte, was im Interesse der Bürger und Betroffenen wäre. Und nach allem, was ich von anderen Städten und Gemeinden so mitbekomme, ist das hier kein unrühmlicher Ausreißer.

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Nein, tust du nicht. Das ist übrigens der Grund gewesen, warum ich in diesem Jahr nach über 10 Jahren Komunalpolitik hingeschmissen habe.

Soon

…da hast du wohl den Nagel auf den Kopf getroffen(!)…nach 23Jahren im niedersächsischen Exil kann ich ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Schulpolitik so gemacht wird wie es der/die/das Entscheidungsträger gerade im persönlichen Umfeld gebrauchen können. Meiner Meinung nahc gehört die Bildungspolitik in Bundeshand…und zwar unabhängig von politischer Einflußnahme!.

Fast nichts ist so gut in die Zukunft vorausrechenbar wie die Zahl der Schüler und die Zahl der Rentner. Wenn man also wöllte, dann könnte man problemlos zu jedem beliebigen Zeitpunkt X für eine akzeptable Zahl an Lehrern sorgen. Das Problem ist aber, dass das heute Geld kostet, die Lehrer aber erst morgen gebraucht werden. Morgen bin ich aber nicht mehr im Parlament, sondern lebe von meiner Pension. Warum also heute das Geld meiner Wähler ausgeben, wenn morgen erst der Bedarf.

R.

Warum, denkst du, ist das so? Ich meine, gerade auf der unteren Ebene (wenn ich Kommunalpolitik mal so bezeichnen darf) müssten doch auch Leute sein, denen es auch um die Sache (um ihren Wohnort, ihre Nachbarschaft, das Leben ihrer Freunde und Bekannten) geht und nicht nur um die eigenen Pfründe oder die eigene politische Karriere. Zumindest mehr Menschen als in der Bundespolitik. Ich meine, es geht doch da meistens auch gar nicht um die ganz großen Summen.

An dich die gleiche Frage wie an C_Punkt: Warum, denkst du, ist das so? Es müsste doch auf kommunaler Ebene noch genug Politiker geben, denen es um die Sache geht, um ihren Ort, um die Gemeinschaft, in der sie leben.