Wie nachhaltig sind Kunstwerke?

Was bleibt von der Kunst nach Ausstellungsbesuchen in Erinnerung, was „wirkt nach“? Verändern Kunstwerke ihre Betrachter/innen? Theoretisch sicher, wie oft argumentiert wurde. Doch gibt es konkrete Beispiele? Hat ein Kunstwerk vielleicht sogar bei einer Leserin oder einem Leser dieses Forums mal eine bestimmte Handlung oder Meinungsänderung/bestätigung ausgelöst?
Ich beschäftige ich mich mit dem Thema »Kunst und Nachhaltigkeit« im Rahmen einer Dissertation und freue mich auf jeden Kommentar!

moin,

es war vor ca 30 jahren:

ich verirrte mich in einem museum in darmstadt und glaubte mich in einem unaufgeraeumten lagerraum zu befinden… mitnichten!

es war ein teil der „ströher-sammlung“ ( ströher war eigner der fa. wella ) - diese bestand aus zeitgenoessischen kunswerken, und in diesem „lagerraum“ befanden sich gross-objekte von joseph beuys.

ich hatte damals keinen zugang zu dieser art „kunst“, bekam ihn dann aber, als es der stadt nicht gelang, diese sammlung in darmstadt zu behalten - es scheiterte an einem gebuehrenden platz, den sröher fuer seine sammlung erwartete…

der „kick“ war fuer mich in dem moment, dass nicht nur das kunst ist, was wunderschoen gerahmt an der wand haengt…

weiteres einschneidendes erlebnis: ein besuch im „château clos lucé“ im loire-tal- hier verbrachte leonardo da vinci die letzten drei jahre seines lebens. im chateau gibt es zahlreiche exponate aus seinen naturwissenschaftlichen arbeiten.

ich bin immer noch fasziniert und beeindruckt, wie weit er seiner zeit mit seinen erkenntnissen und ideen voraus war.

gruss
khs

‚Meine‘: Camarasa und Schiele
Hallo Jörg,
von jemand ohne jeglichen Kunstverstand oder historischem Bezug - nur schwer beeindruckt…
hier meine persönlich Nachhaltigsten:
Hermengildo Anglada Camarasa (1871-1959)
Ich liebe Mallorca… bei einem fünfzigsten Stadtbummel durch Palma taten mir die Füße weh und es wurde mir kalt. Besuchte so, eher zufällig, weil das Gebäude so schön war, das Museum Fundacio la caixa http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.mal…

Der Eintritt war frei, ich ging durch die Sääle und im zweiten Stock traf mich fast der Schlag:
Eine Seite des Raumes war komplett mit einem riesigen Gemälde bedeckt. Es stellte Blumenbögen, Pferde und Frauen dar, die Farben waren entweder total dunkel oder von solcher *überirdischer* Leuchtkraft, dass dieses Bild mich völlig in seinen Bann zog. Mit offenem Mund blieb ich lange stehen.
So in der Art (das könnte fast ein Ausschnitt sein)
http://www.hispanicsociety.org/hispanic/images/169_h…
nur in Riesig und mit vielen winzigen Details.
Unglaublich…
Auch andre Bilder des Künstlers zogen mich in den Bann. z.B. dies:
http://www.liceus.com/cgi-bin/gui/03/camarasasibila.jpg
oder
http://213.4.113.188/HTML/20061221/ARTE/img/19388_1.jpg
oder
http://www.peudepagina.net/img/articles/art25_01.jpg

Immer, wenn ich seitdem nach Mallorca reise, besuche ich meinen alten Kumpel Camarasa, es ist immer wieder faszinierend für mich, diesen Farben zu begegnen.
Dieses Ritual gehört zu *meiner Insel* dazu :smile:
Ist das Nachhaltigkeit von Kunst beim Otto-Normalverbraucher?
Schon möglich.

Und mein zweites, nachhaltiges Kunsterlebnis:
Habe in einem grünsamtenen, verschossenen Flohmarktbilderrahmen eine Schiele-Postkarte. Stellt eine sitzende rothaarige Frau mit grünem Oberteil dar. („Frau des Artisten“?) Hier ein Ausschnitt:
http://home.student.uva.nl/larke.rasmussen/Schiele.%…
Begleitet mich seit fast 20 jahren und ich liebe dies Bild.
Ein Freund von mir hat eine Tasse mit einem schönen Motiv einer verwinkelten Stadt. Als ich sie bewundere, sagt er, es sei ein Motiv von Schiele und stelle „Krumau“ dar. Er kaufte die Tasse im Rahmen einer Dienstreise und sie erinnert ihn gerne an diese herrliche Stadt.
Im Urlaub vor wenigen Wochen stellte ich fest, dass Krumau in der Nähe liegt.
So hatte ich das Glück, die Stadt „Krumau“ zu besuchen.
Ein genußvoller Tag!
http://images.google.de/images?q=Cesky%20Krumlov&svn…
Vielleicht ist sowas ja auch eine Nachhaltigkeit von Kunst?
Du wolltest ja was Persönliches hören, das war meins :smile:
Gruß von Finjen

Ich glaub die Wahrnehmung ändert sich mit den Jahren, die beste Ausstellung war in meiner Jugend ein Thüringer-Modell-Welt-Ausstellung (Nicht nur Modelleisenbahn die sich bewegten)(Richtige Zeit (Winter/ich Kind)für so eine Ausstellung).
Das Große Highlight war die komplette Ausstattung und die Nähe mit dem man herantreten kann. Heute besitzen viele Ausstellung den Scharm von Toiletten (Steril). Die Magdeburger Römisch-Deutsches-Reich hatte zwar viele Objekte doch besaß es halt erwähnten Scharm. Also sollte man Objekt mit allen Sinnen wahrnehmen können ist ihre Nachhaltigkeit für mich sicher gestellt.

Peter

Herzlichen Dank für die tollen Meinungen und Berichte!
Natürlich ist es in der Regel so, wie rotmarder sagt, dass die letzten Tiefen subjektiven Erlebens nicht wissenschaftlich erfassbar ist - sehe ich auch so (wenngleich es im Rahmen des Marketing sogar eine Fachrichtung „Aesthetic Consumption“ gibt, die dergleichen versucht und auch die Sozialpsychologie (v.a. in UK) hier seit einigen Jahren stark aktiv ist). Die Frage nach der Nachhaltigkeit hier zu stellen ist ja schon eine Vorform des Interviews und ich denke, dass z.B. Finjens Besuch in Krumau ein sehr konkretes Beispiel für eine nachhaltige Kunstwirkung ist (danke, tolle Geschichte!). Für mich sind solche Anekdoten faszinierend, sind sie doch die einzigen Hinweise auf Weisen der Kunst, die mehr erreichen, als gehobene und dann doch schnell vergessene Unterhaltung zu sein. Und je mehr dieser Anekdoten zur Verfügung stehen, desto genauer kann man auch sagen, welche Arten und Merkmale der Kunst nicht nur wegen subjektiver Präferenzen nachhaltig wirken… Ich freue mich auf weitere Meinungen und Geschichten!
PS: Herzlichen Dank auch an Peter und Khs - Das „körperliche Erlebnis Kunst“, dass aus beiden spricht, ist oft sicher relevanter als das rein intellektuelle!

Hi Jörg,

Was bleibt von der Kunst nach Ausstellungsbesuchen in
Erinnerung, was „wirkt nach“?

als Kind lag auf meinem Schulweg ein Museum, das sich auf Moderne Kunst verlegt hatte.
Immer wieder mal verschlug es mich in diesen Bau, weil ich den Heimweg verzögern wollte.
Anfangs hatte ich so meine liebe Not mit den Exponaten, aber im Laufe der Zeit wurden sie mir vertrauter und schließlich hing mein Herz an ihnen.

Verändern Kunstwerke ihre
Betrachter/innen?

Manchmal. Wenn die Betrachtung den Betrachter berührt sicher (positiv wie negativ)

Doch gibt es konkrete Beispiele? Hat ein Kunstwerk
vielleicht sogar bei einer Leserin oder einem Leser dieses
Forums mal eine bestimmte Handlung oder
Meinungsänderung/bestätigung ausgelöst?

Einige Austellungen die ich besuchte, haben mich tief bewegt. Bilder von L. Feiniger oder M.C. Escher z.B.
Die Photos von Ansel Adams haben mich angeregt, zu versuchen wie er zu photographiern, was mir aber leider nie gelang :wink:
Eine Ausstellung von Joan Miró in Düsseldorf, die ich vor über 20 Jahren besuchte, ist mir immer noch sehr präsent…
Und der Beispiele könnte ich mehr bringen, viele mehr.

Ja, Kunst hat mich beeinflusst. Im Denken wie im Handeln.

Gandalf

Hallo,
Gandalf, vielen Dank für die Antwort. Du schreibst „Ja, Kunst hat mich beeinflusst. Im Denken wie im Handeln.“ Dies ist natürlich der schwierigste Punkt und vielleicht ist mein Nachbohren weder höflich noch produktiv aber ich wage es trotzdem mContent-Type: application/x-www-form-urlencoded
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Hi Jörg,

Hat ein Kunstwerk
vielleicht sogar bei einer Leserin oder einem Leser dieses
Forums mal eine bestimmte Handlung oder
Meinungsänderung/bestätigung ausgelöst?

Ja, sehr oft. Ein Beispiel ist, dass ich wenn ich überarbeitet bin,
durch Musik oder ein Gemälde den Rhythmus finde, den ich zum
gleichmäßigen Atmen brauche.

Ich beschäftige ich mich mit dem Thema »Kunst und
Nachhaltigkeit« im Rahmen einer Dissertation und freue mich
auf jeden Kommentar!

Wie nachhaltig das Erlebnis ist, lässt sich schwer sagen, da ich
nicht vergleichen kann, wie ich ohne das Kunsterlebnis empfunden
hätte und möglicherweise noch in den Nachwehen eines alten
Kunsterlebnisses liege, ohne mir dessen bewusst zu sein.

Im Allgemeinen reagiere ich sehr intensiv auf mein Umfeld und gebe
mich gerne einem schönen Gedanken, einer klaren Linie, einem
ansprechenden Ton hin.

Wahrscheinlich gebe ich daher auch Kunstwerke ab an die Außenwelt.

LG
Sprite

Hi Jörg,
mich bringen Bilder vorallem zum Nachdenken und überlegen warum und weshalb. Und das lange, lange nach dem Besuch eines Museums.
Zwei Beispiele?
Das ganze „Gala-Salvador- Teatre“ (das eigentliche Dalí Museum) in Figueres. Es bringt mich nicht nur zum Nachdenken warum er ausgerechnet dieses Motiv ausgesucht hat und warum in dieser Maltechnik und -jetzt kommt- was verbinde ich damit, aus meinem Leben, welche Erlebnisse verbinde ich damit oder was ich dabei empfinde. Ein Beispiel dafür (allerdings nicht in Figueres ausgestellt) ist „Die weichen Uhren“, die eine Anspielung auf zwei Theorien sind, nämlich von Einstein und von Freud.

Der andere: Immer wenn ich bestimmten Gemälden von Renoir sehe, fühle ich mich wie in diesem Scenario übertragen. Manchmal glaube ich sogar die Geräusche, Gespräche oder gar Musik dahinter hören. Ich weiß nicht warum, aber es ist fast nur bei Renoir und dann, stundenlang, habe ich das Gefühl dort gewesen zu sein, wo die Szene auf dem Bild stattgefunden hat…

Und mein letzter Beispiel ist der Gernika: Wann immer in Madrid bin, MUß ich dieses Bild sehen. Das gefühl hinterher, so riiiiesenfroh zu sein, nie selber einen Krieg erlebt zu haben dauert einigen Stunden und verstimmen mich irgendwie traurig-wütend-froh. Sorry aber ich weiß nicht wie ich das sonst beschrieben soll.

Ich hoffe ich habe Dir damit etwas geholfen.

Schöne Grüße,
Helena