Wie recherchieren Journalisten?

Mich würde mal folgendes interessieren: Angenommen, ein Journalist hat den Verdacht, dass irgendein skrupelloser Konzern beispielsweise Menschenexperimente und andere krumme Dinge macht und dieser Journalist will die Machenschaften dieses Konzerns publik machen. Sagen wir, der Journalist tut dies aus persönlichen Gründen. Allerdings weiß dieser Konzern seine Spuren gut zu verwischen. Mich würde mal interessieren, wie ein Journalist dann vorgehen würde. Welche Möglichkeiten gibt es, Beweise zu sammeln, die gegen diesen Konzern sprechen? Welche Mittel stehen Journalisten zur Recherchen dieser Art überhaupt zur Verfügung? Und in diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren, was genau man eigentlich alles in Zeitungen veröffentlichen darf. Können Journalisten Artikel über solche Konzerne schreiben, ohne handfeste Beweise zu haben? Wer prüft, ob ein Artikel überhaupt veröffentlich werden darf?
Vielleicht sind meine Interessen zu „Hollywood-mäßig“ weil so etwas im wahren Leben nie vorkommt, aber was wäre, wenn es so einen Konzern gäbe?
Für alle freundlichen Antworten auf meine, offen gestanden, etwas merkwürdige Frage bedanke ich mich schon mal im Voraus.

Das ist jetzt aber ein bißchen sehr hypothetisch, oder?

Ja, aber es interessiert mich trotzdem^^

Tut mir leid, mein Lieber. Kann ich nicht beantworten, weil Du mir zwar netterweise journalistische Qualitäten bescheinigst, ich aber lediglich VERANTWORTUNGSBEWUSSTER DEMOKRAT und absoluter Einzelkämpfer bin. Ich habe zwar mehrere 8,5 cm-Leitz-Ordner vollgeschrieben an Staatsanwälte, Jugendämter, Zeitschriften UND (gesellschaftliche) ÄNDERUNGEN IN MEINEM SINNE ERLEBEN DÜRFEN, das ist aber alles nicht als Teil eines Berufes entstanden, sondern eher angesichts eines angelesenen Preußentums (der ich tatsächlich bin). Empfehle Dir: Joachim Fernau SPRECHEN WIR ÜBER PREUSSEN. DIE GESCHICHTE DER ARMEN LEUTE - und Zivilcourage. Herzlichen Gruß: A.S. fin

Ja, ein Journalist muss stichhaltige Fakten haben, wenn er einen Konzern oder wen auch immer anprangert.

Hallo Fabian,
tja - die Wege von Journalisten sind ganz vielfältig. Es ist recht schwierig, als Journalist aus „persönlichen Gründen“ tätig zu werden, das ist ziemlich verpönt unter hauptberuflichen Journalisten, wenn es „zu persönlich“ ist. Natürlich hat man immer, wenn man was schreibt, ein Interesse am Thema - die Artikel, deren Thema einen nicht interessiert und die eine reine Auftragsarbeit sind, werden meist grottig. Aber wenn man sich aufgrund sehr starker persönlicher Bindungen zu sehr in eine Sache verstrickt, kann es passieren, dass die Objektivität nicht mehr gewahrt ist und man außer Acht lässt, dass der „Gegner“ einen empfindlich treffen kann, wenn man nicht auch die Gegenseite recherchiert. Dies nur als Anmerkung :smile:

Jetzt zur eigentlichen Frage. Das Internet erleichtert Vieles heutzutage. Irgendwie kommt man ja auf das Thema - sei es durch Foren, Blogeinträge oder weil man sonstwo mal was gehört oder gelesen hat. Da versucht man erst mal noch weitere Hinweise zu finden, bevor man sich auf den Konzern selbst „stürzt“. Man kann dann dort mal Basisdaten recherchieren, z.B. durch sehr genaue Vorbereitung sich schon mal die Ansprechpartner raussuchen und schauen, ob man ein Interview bekommt oder eine Stellungnahme. Je nach Thema und je nach bisheriger Datenlage muss man sich dann überlegen, ob man die Firma gleich mal mit den Vorwürfen konfrontiert oder ob man versucht, firmeninterne Ansprechpartner zu finden. Letzteres ist schwierig, aber auch das gehört zur journalistischen Arbeit dazu, sich das mal anzusehen, schauen, ob man irgendwie mal in den Konzern reinkommt (z.B. zu Pressekonferenzen oder Tag der offenen Tür, Werksverkauf) und ob man sich da schon mal ein wenig umsehen und umhören kann.

Was „darf“ man und was nicht - naja, das muss man selbst wissen. Wenn man sich traut, illegale Methoden zu verwenden, z.B. sich in Intranets reinzuhacken und dort zu stöbern, darf man sich nicht wundern, wenn man erwischt wird und im schlimmsten Fall in den Knast kommt. Das hat mit Pressefreiheit dann nichts mehr zu tun. Ebenso kann man selbst oder die Redaktion, die den Artikel genehmigt hat (hier die Antwort auf deine Frage: die Redaktion einer Zeitschrift, in aller Regel der Chefredakteur, genehmigt den Inhalt, der abgedruckt wird) ordentlich verklagt werden. Das geht von Widerruf bis hin zu 7- bis 8-stelligen Schadensersatzforderungen - manchmal gehen Redaktionen dieses Risiko ein, manchmal nicht.

Ärgerlich ist es für die Gemeinschaft, wenn man als Journalist handfeste Hinweise auf kriminelle Machenschaften eines Konzerns hat und nur zur eigenen Profilierung diese Hinweise vor den Behörden zurückhält. Wenn’s richtig blöd läuft, kommt der Konzern auf die journalistische Schnüffelei und hat sämtliche Beweise beiseite geschafft, bevor die Staatsanwaltschaft ermitteln kann. Daher ist von der Gemeinschaft aus gesehen es in den allermeisten Fällen wesentlich wichtiger, dass solche Konzerne über einen Überraschungsschlag der Behörden dingfest gemacht wird und dann darüber geschrieben wird.

LG
Claudia

Mit solchen Antworten kann man doch mal was anfangen. Vielen lieben Dank, Claudia. Das gibt mir bereits eine Vorstellung von journalistischer Arbeit in solch sehr speziellen Fällen. Und ich danke dir, dass du meine Fragen (hypothetisch hin oder her) ernst genommen und sie so ausführlich beantwortet hast!

Hallo Fabian,

ich denke, in diesem extremen Fall (von dem wohl jeder halbwegs ambitionierte Journalist träumt) hilft einem vor allem zunächst der Zufall auf die Sprünge, indem er einem die zu diesem Verdacht nötigen Indizien in die Hände spielt. Aber davon gehst Du vermutlich ohnehin schon aus. Dass der Journalist alle öffentlich zugänglichen Informationen, die über das Unternehmen verfügbar sind (Handelsregister, European Business Register, Pressearchive, Genios Datenbank etc.) zu Rate zieht, ist auch klar. Aber wesentliche, zitierfähige Informationen bekommt er nur von verlässlichen Informanten, also Insidern, die im engen Umfeld des Unternehmens tätig sind. Und schließlich betreten wir dann doch Hollywood-Terrain: Mit einem guten Draht zu den ermittelnden Behörde - die zuständige Staatsanwaltschaft hat möglicherweise schon Ermittlungen eingeleitet - kommt ein Journalist natürlich auch an verlässliche Informationen oder zumindest inoffizielle Hinweise. Natürlich kann kein Journalist in einem Artikel einfach nur Mutmaßungen zum Besten geben, ohne auch nur einen einzigen Beleg vorzuweisen. Erklärt sich ein Informant hingegen bereit, ein Statement abzugeben, sieht die Sache schon anders aus. Letztendlich liegt die Entscheidung, ob ein derartiger Artikel publiziert wird, beim Chefredakteur und der Rechtsabteilung eines Verlages. Schließlich müssen auch die juristischen Konsquenzen abgewogen werden, greift ein Medium einen Konzern öffentlich an.

Ich hoffe, ich konnte zumindest ein wenig weiterhelfen. Mit ist so ein Fall im Laufe meiner journalistischen Karriere leider noch nicht untergekommen. :smile:

Schöne Grüße,
Barbara

Das ist eine Frage für einen Journalisten der mit investigativem Journalismus seine Erfahrungen hat. Leider kann ich hier nicht weiterhelfen.

Gerhard

Danke für die Antwort. Und vielleicht kommt ein solcher Fall ja noch auf Sie zu :wink:

Hallo Fabian,

Welche Möglichkeiten

gibt es, Beweise zu sammeln, die gegen diesen Konzern
sprechen?

Ehemalige Mitarbeiter sind immer ein guter Anknüpfungspunkt. Auch Mitarbeiter, die noch im Untenehmen sind, sind oft erstaunlich auskunftsfreudig, aber später dann leider nicht zitierfähig. Da muss man dann schon um Unterlagen oder Kopien von Schriftverkehr etc. bitten, damit man was veröffentlichen kann. Zur zufälligen Kontaktaufnahme sucht man die Kneipen in der näheren Umgebung der Geschäftsstellen auf. Gewerbliche Mitarbeiter sind oft erstaunlich gut informiert.

Welche Mittel stehen Journalisten zur Recherchen

dieser Art überhaupt zur Verfügung?

Offiziell: Online-Recherche, Anfragen bei der Presseabteilung, Interview-Wünsche…
Inoffiziell: Siehe oben.

Und in diesem Zusammenhang

würde mich auch interessieren, was genau man eigentlich alles
in Zeitungen veröffentlichen darf. Können Journalisten Artikel
über solche Konzerne schreiben, ohne handfeste Beweise zu
haben?

Können sie schon, sollten sie aber besser sein lassen, da der Konzern dann auf Gegendarstellungen und Schadenersatz klagen kann. Das macht keine Redaktion / kein Verlag gerne mit.

Wer prüft, ob ein Artikel überhaupt veröffentlich

werden darf?

Die meisten Verlage/Redaktionen haben Hausjuristen, die das prüfen. Allerdings nur in kritischen Fällen. Normalerweise hat ein Journalist sichere Quellen, wenn er etwas schreibt. Allerding muss er diese Quellen, insbesondere Kontaktpersonen, nicht offenlegen; hier gibt es ein Zeugnisverweigerungsrecht. Man hat solche Fälle öfters mal, wenn vertrauliche Ministeriumspapiere bekannt werden. Dann schützt der Journalist natürlich seine Quelle. Einmal fairnesshalber und zum Zweiten fürs nächste Mal.

Vielleicht sind meine Interessen zu „Hollywood-mäßig“ weil so
etwas im wahren Leben nie vorkommt, aber was wäre, wenn es so
einen Konzern gäbe?

Kommt öfter vor als man denkt, vor allem in den Bereichen Umweltschutz/-zerstörung in Ländern der Dritten Welt und Kinderarbeit.

Gruß Jens

Ohne Beweise keine Grundlage.

Behauptungen in Zeitungen zu veröffentlichen ist nicht empfehlenswert.

Als Beispiel um Beweise zu sammeln fällt mir Günther Wallraff ein.

Als Recherche Datenbank: www.genios.de

Ansonsten Info`s sammeln, Tageszeitungen, Berichte, Befragungen.

Recherchen ziehen sich unter Umständen über Jahre

Ob ein Artikel veröffentlicht werden darf prüft die Redaktion.

Grundsätzlich hängen Vorgehensweisen von Konzernen immer vom jeweiligen Unternehmensmotto ab.

Dazu kann ich leider nichts sagen…