Böses aber interessantes Thema
Hi Marco,
hier verquicken sich zwei an sich schon brisante Themen: Subventionierung und Privatisierung.
Die Privatisierung von Staatsunternehmen ist im grundsätzlich erstmal wünschenswert. Die Idee der Privatisierung beruht auf der Ansicht, daß der Staat nur unter ganz bestimmten Bedingungen in den Markt eingreifen sollte, unter anderem z.B. um ein Gut (Ware, Dienstleistung) bereitzustellen, die von privater Seite sonst gar nicht oder nur zu unerschwinglichen Preisen bereitgestellt werden würde. Der Staat sollte sich allein schon deshalb aus der Wirtschaft heraushalten, weil er den Markt verzerrt, weil er sich idR den „normalen“ Einflüssen des Marktes entzieht und sich in dem betreffenden Marktsegment eine eigene Welt schafft. (Der vielzitierte Informationsvorsprung, der ja angeblich ebenfalls staatliches Handeln auf Märkten rechtfertigen soll, kann wohl getrost als wirre Phantasie bezeichnet werden.)
Die Privatisierung von Staatsunternehmen und -organisiationen, die weder hoheitliche Aufgaben (z.B. Landesverteidigung) noch unter das o.g. Kriterium der Bereitstellung von notwendigen Gütern fallen, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht definitiv wünschenswert.
Die Frage, wie diese Privatisierung abzulaufen hat, ist da schon eher schwierig. Man kann das mit einem Übermaß an Regulierung machen (Telekom), fast ohne Regulierung (VEBA, VW) oder mit umstrittener Regulierung (brit. Eisenbahn, kalifornischer Strommarkt), um mal die drei Varianten rauszugreifen.
Das Problem mit der Bahn ist, daß sie seit unendlich langer Zeit ein Sauhaufen ist. Um ein Unternehmen durch Privatisierung loswerden zu können, muß man es vorher auf einigermaßen gesunde Füße stellen. Nach meiner persönlichen Ansicht müßte man den ganzen Verein, mal abgesehen von ein paar Neubaustrecken und Bahnhöfen, sprengen und neu aufbauen. Wenig anders ist es damals bei der Telekom gelaufen: Im Prinzip hat man den Laden in wenigen Jahren aus technischer Sicht komplett neu ausgestattet. Der Unterschied zwischen Telekom und Bahn ist nur, daß die Telekom auch früher schon profitabel war und somit die Investitionen zum allergrößten Teil selbst finanzieren konnte.
Wenn man mal den Urinstinkt des Deutschen, die „Post“ (also Telekom) einfach nur schlecht zu finden, außer acht läßt, ist aus der Telekom ein ganz passabler Haufen geworden, der heute durch früher undenkbaren Service besticht, von dem sich so mancher private Drecksladen (insbesondere hier in Düsseldorf) ein dicke Scheibe von abschneiden sollte. Nachdem, wie eben erwähnt, die Technik neu war, hat es „nur noch“ ein paar Jahre und Frühpensionierungen gedauert, bis auch die Mitarbeiter die Veränderungen im Unternehmen Telekom wahrgenommen und umgesetzt hatten.
Neben der technischen Ausstattung, die bei der Bahn geradezu biblischen Umfang hat, müssen natürlich auch Veränderungen in der Einstellung des Personals stattfinden. Dennoch ist das vorrangige Ziel die Verbesserung des Schienennetzes und des Fahrzeugbestandes der Bahn. Dies ist übrigens auch notwendig, ohne daß die Bahn an der Börse untergebracht weden muß. Eigentlich zeigt sich gerade durch den Subventionsbedarf die Notwendigkeit für die Privatisierung. Während das Staatsunternehmen Bahn seit zig Jahren vor sich hinwurschtelt und gelegentlich mal eine ICE-Neubaustrecke aus dem Boden stampft, tummeln sich im innerdeutschen Luftverkehr diverse private Luftverkehrsunternehmen, so daß ein innerdeutscher Flug von A nach B idR billiger ist, als eine Bahnreise, die oft genug über C und D führt (inklusive Panne in E, wobei E der Ort mit größtmöglicher Entfernung zum nächsten funktionierenden Telephon ist). Würde die Bahn kostendeckende Preise kassieren, würde sie wohl ein dramtischen Einbruch bei den Fahrgästen (wer sich da als Gast fühlt…?) zu verzeichnen haben. Kostendeckend ist hier auch so zu verstehen, daß die Abschreibungen und Finanzierungsaufwendungen für neue Strecken, Fahrzeuge usw. mit abgedeckt werden können müssen. Da damit in den nächsten 7000 Jahren bei der Bahn nicht zu rechnen ist, müssen halt Subventionen her, um dem Drama in absehbarer Zeit ein Ende zu bereiten.
Das Problem liegt hier auch im Bereich der Grundversorgung. Daß sich Unternehmen um die Postzustellung von Düsseldorf nach Frankfurt reißen ist klar, aber was ist mit der Post von Gruiten-Dorf nach Glehn? Wenn ein Unternehmen (idR der Ex-Monopolist) gezwungen ist, diese Grundversorgung bereitzustellen, erhalten wir die bizarrsten Konstruktionen. In GB entgleist hin und wieder ein Zug, in Kalifornien stehen die Energieversorger kurz vor der Pleite (während Aluschmelzen ihre Stromlieferverträge verhökern, weil damit mehr zu verdienen ist, als mit dem blöden Alu) und die Telekom soll am besten ihre Anschlüsse kostenlos an die private Konkurrenz abgeben. Hier steckt der Teufel im Detail.
Ein schönes Beispiel für den privaten Betrieb von Eisenbahnstrecken haben wir hier übrigens mit der Regiobahn. Auf einer Strecke, die die Bahn noch nie profitabel oder überhaupt akzeptabel betreiben konnte, besteht ein gut angenommenes und rentables Angebot eines privaten Unternehmens. Ob das für das ganze Eisenbahnnetz darstellbar ist, ist die Frage. Eine offene Frage bleibt, ob wir viele kleine private Anbieter brauchen und die Bahn als überregionalen Carrier weiterleben lassen, oder ob die Bahn fürderhin das gesamte Netz abdecken aber dennoch private Konkurrenz auf vielen oder sogar allen Strecken dulden muß. Für den letzten Fall sage ich dann mal britische Zustände voraus.
Wollen wir also eine „gute“ Bahn? Dann wollen wir wohl eine privatisierte Bahn, und dann müssen wir weiterhin die Subventionen abdrücken, um die Unterlassungsünden der vergangenen 40 Jahren abzuarbeiten.
Oder wollen wir vielleicht private Bahnen in voller Konkurrenz zur Bahn AG oder auch gleich ganz ohne Bahn AG? Dann fliegen uns aller wahrscheinlichkeit nach bei jeder Gelegenheit Züge um die Ohren (aus der Kontrolle geratene Briefe und Telephonleitungen im Kampf um Marktanteile und Kostenvorteile sind da etwas harmloser).
Oder soll die Bahn vielleicht bleiben wie sie ist? Das kann doch wohl niemand ernsthaft wollen.
Fazit: Die Patentlösung habe ich nicht und ich bezweifle, daß es sie gibt. Ziele, Möglichkeiten und Kosten stehen in einem krassen Mißverhältnis zueinander.
Ich denke, nach inzwischen fast 10 Jahren privatisierter Telekom und 4 Jahre nach Librealisierung, kann man zumindest diese Veranstaltung als relativ gelungen bezeichnen. So einfach (und billig) wirds bei der Bahn wohl nicht werden, nur sehe ich die Alternativen nicht.
Gruß
Christian
P.S.
Der Ruf nach einem für den Privatanleger lukrativen Börsengang ist im übrigen an und für sich nicht statthaft. Die Entscheidung über den Kauf oder die Zeichnung einer Aktie hat jeder Anleger selbst zu verantworten. Wenn ma den Ausgabekurs einer Aktie für zu hoch hält, ist ja schließlich niemand gezwungen, zu kaufen. Das gilt auch für Anlageentscheidungen bzgl. bereits gehandelter Aktien.
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