Die Aufregung ist groß, die Diskussion heftig - um einen Beitrag der Radikal-Feministin Valerie Solanas, den sie vor knapp 40 Jahren verfaßt hat (siehe weiter unten stehende Diskussionsbeiträge).
Doch was ist mit entsprechenden Veröffentlichungen der heutigen Zeit, die nicht minder interessant - wenn auch nicht so radikal - sind? Es gibt Veröffentlichungen, die ganz eindeutig die These vertreten, daß Männer keine Menschen sind, sondern erst durch Frauen dazu gemacht werden. Eines dieser Bücher ist „Männerversagen“ von Prof. Dieter Otten:
„Bis zu einem Drittel der erwachsenen Männer halten es durchaus für in Ordnung, moralisch verwerfliche, deviante oder kriminelle Akte zu begehen. Fast 74 Prozent halten Lügen für eine normale Alltagsstrategie, mehr als die Hälfte würde um des eigenen Vorteils willen betrügen, und noch gut ein Vietel ist bereit, Gewalt anzuwenden, wenn es dem eigenen Vorteil entspricht. Besonders alarmierend: Bis zu 15 Porzent sind bereit, Tötungsdelikte in Kauf zu nehmen. Das, was das Geschlechterverhältnis in der Kriminalstatistik abbildet (kaum weibliche in erster Linie männliche Töter) ist kein Zufall. Es hat seine Basis in auseinanderlaufenden moralischen Einstellungen von Männern und Frauen, in einem moralischen Geschlechtergraben. … Für Männer besteht der moralische Imperativ in dem Gebot, Regeln einzuhalten. Für Frauen besteht er darin, die erkennbaren Probleme des Lebens, der Menschen, der Betroffenen zu lösen, die Probleme abzustellen oder zumindest zu lindern.“
Denn nach allen Zahlen und Statistiken muss der Mann als das „anomische Geschlecht“ gelten (anomisch = regelwidrig, verderbt). Auf sich allein gestellt, kann er kein taugliches Sozialverhalten entwickeln. Unabhängig von Schichtzugehörigkeit oder Bildungsniveau neigt die Mehrzahl aller Männer zu abweichendem Verhalten und es handelt sich keineswegs um eine besondere Gruppe von Männern, die oft tief in kriminelles und soziopathisches Verhalten verwickelt ist. Das jedenfalls sind die Schlussfolgerungen, die aus den aufwendigen Marktforschungsstudien und Lebensstilanalysen gezogen werden müssen, die ein Konsortium von rund 50 Forschern um das „Deutsche Institut zur Erforschung der Informationsgesellschaft“ und das „Institut für empirische Sozialforschung“ von 1987 bis heute betreute.
Zunächst ging es in diesen Untersuchungen nicht um Geschlechterpolitik; nach der Befindlichkeit Mann oder Frau zu fragen, ist eine Routine der Sozialforschung. In den erwähnten Untersuchungen brachte sie allerdings Brisantes zu Tage. Angefangen beim Wahlverhalten (junge Männer wählen mehrheitlich rechts) bis hin zur Beantwortung der sogenannten Moralskala, wo Eigentumsdelikte, Gewalt und Tötung „bei Männern erschreckend hohe Zustimmung“ fanden: In ihren Einstellungen zeigt sich ein enormer Unterschied zwischen den Geschlechtern, der nicht für die über 60. 000 getesteten männlichen Probanden spricht. Um nicht in asoziales Verhalten abzurutschen, resümiert Otten, brauchen Männer harte Hierarchien und strenge Regeln. Tatsächlich wünschen sie sich aufgrund ihres Geschlechtscharakters Repression.
Doch die postmoderne Informations- und Dienstleistungsgesellschaft ist eher liberal und unübersichtlich als streng reguliert und hierarchisch. Sie ist nicht repressiv, sondern permissiv und setzt Mündigkeit voraus. Hier geraten Männer auf die Verliererseite und mit ihnen womöglich die Gesellschaft – sofern Männlichkeit nicht neu konstruiert und konstituiert wird. Dabei müssen Männer gemeinsam mit Frauen agieren. Männer schneiden auf der Moralskala sofort sehr viel besser ab, sobald sie eine Beziehung mit einer Frau eingegangen sind. „Frauen sozialisieren Männer nach, einmal durch ihre bloße Existenz, zum anderen weil sie bestimmtes Verhalten nicht tolerieren.“ Was Dieter Otten ebenfalls seiner Statistik entnimmt: Vaterschaft, die tatsächlich mit persönlichem Einsatz, mit richtigem Kümmern um das Kind, mit Kindererziehung einhergeht, macht Männer gleichfalls zu Menschen.
Ist der Mann als solcher also ein minderwertiger Mensch (sofern er überhaupt „Mensch“ ist?
Wie seht ihr das hier (auch in Bezug darauf, daß vieles, was Otten schreibt, auch im Solanas-Text vorkommt)?
Grüße
Siegfried
Quelle:
Dieter Otten, Männerversagen, Lübbe-Verlag