Vor 200 Jahren hättest Du Dich, nach anfänglichen
Schwierigkeiten eventuell verständigen können
Goethes Faust ist 204 Jahre alt. Mal abgesehen davon, daß Goethe im hessischen Dialekt gesprochen hat (was man an einigen Reimen deutlich merkt), dürfte man sich mit ihm einwandfrei verständigen können - zumindest nicht schwieriger als mit einem Hessen heute.
vor 500 Jahren
würdest Du kaum mehr als gelegentliche einzelne Worte
identifizieren können.
AM anfang schuff Gott Himel vnd Erden.
2 Vnd die Erde war wüst vnd leer / vnd es war finster auff der Tieffe / Vnd der Geist (1) Gottes schwebet auff dem Wasser. Joh. 1.; Col. 1.; Ebre. 11.; Psal. 33.
3 VND Gott sprach / Es werde Liecht / Vnd es ward Liecht.
4 Vnd Gott sahe / das das Liecht gut (2) war / Da scheidet Gott das Liecht vom Finsternis /
5 vnd nennet das liecht / Tag / vnd die finsternis / Nacht. Da ward aus abend vnd morgen der erste Tag.
6 VND Gott sprach / Es werde eine Feste zwischen den Wassern / vnd die sey ein Vnterscheid zwischen den Wassern.
7 Da machet Gott die Feste / vnd scheidet das wasser vnter der Festen / von dem wasser vber der Festen / Vnd es geschach also.
8 Vnd Gott nennet die Festen / Himel. Da ward aus abend vnd morgen der ander Tag.
9 VND Gott sprach / Es samle sich das Wasser vnter dem Himel / an sondere Örter / das man das Trocken sehe / Vnd es geschach also.
10 Vnd Gott nennet das trocken / Erde / vnd die samlung der Wasser nennet er / Meer. Vnd Gott sahe das es gut war.
Das st die Lutherbibel von 1545 - etwas mehr als „gelegentliche“ Worte versteht man da auch noch heute. Sicher, auch hier haben wir das Mundartproblem - aber das hast du heute auch, wenn du einen Bibeltext von einem Sachsen vorgelesen bekommst.
Selbst das 800 Jahre alte Nibelungenlied ist noch grob verständlich:
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nû wunder hœren sagen.
Vor 1000 Jahren und davor wärest Du, sprachlich gesehen, in
einem absolut fremden Land
Absolut nicht, aber bis auf einzelne Brocken ist das Althochdeutsche in der Tat kaum mehr verständlich:
Ik gihorta dat seggen,
dat sih urhettun ænon muotin,
Hiltibrant enti Hadubrant untar heriun tuem.
sunufatarungo iro saro rihtun.
garutun se iro gudhamun, gurtun sih iro suert ana,
helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun.
Gruß,
Max