Wie weit geht die Privatssphäre?

Hallo,

die momentane Genderdiskussion stellt für mich ein normatives Abhandeln von privater Interaktion zwischen Mann und Frau dar. Ich gehe davon aus, dass Beziehungen mehr und mehr verbürokratisiert werden. Ich gehe außerdem davon aus, dass sich das negativ auf gegenseitiges Verständnissauswirkt, weil sich die Fronten verhärten.

Deshalb folgende Frage:

Wie weit ist es gestattet Dritten zu verstehen zu geben, dass die eigene Einstellung zum anderen Geschlecht keinen Bestandteil des öffentlichen Diskurses darstellt? Sprich, wie weit geht das Verhältnis zu meiner Freundin (und vice versa) meinen Nachbarn (den Staat, meinen Chef, etc.) nichts an?

Hi Lotus!

Öhm…ich hoffe, ich verstehe deine Frage richtig, denn dann wäre meine Antwort: deine Beziehung zu deiner Freundin (und umgekehrt) geht erstmal überhaupt niemanden etwas an -außer euch beide natürlich. Das würde sich gegebenenfalls ändern, wenn einer von euch beiden unter dem anderen inwieweit auch immer zu leiden hat. Dann fände ich es durchaus legitim für Dritte, sich in die Beziehung einzumischen.
Ansonsten: Ich bin keine große Freundin sogenannter „Genderdiskussionen“ (was immer das im Kern auch letztlich zu bedeuten haben mag, vielleicht sollte man sich ersteinmal darüber richtig klar werden).

Um es mal überspitzt zu sagen: Wenn deine Freundin gerne die 50er Jahre-Superhausfrau sein möchte und du der Pascha an ihrer seite, dann geht nur euch das was an. Wenn sie aber die Brötchen nach Hause bringen möchte und du dafür den Haushalt schmeißt, ist das ebenso eure Sache. Warum sollte man seine Beziehung, die für mich immer noch höchste Privatsache ist, für einen öffentlichen Diskurs instrumentalisieren lassen? Wichtig ist, dass die Partner in einer Beziehung ihre wie auch immer garteten „Rollen“ innerhalb der Beziehung GERNE übernehmen, und dann ist es leidlich egal, wie kurios, antiquiert oder was auch immer diese Rollen sich für andere darstellen. Die Hauptsache ist, dass sich die beiden Beziehungspartner damit auseinandergesetzt haben. Was wollen da irgendwelche Dritten? Und was WISSEN da irgendwelche Dritten? Wie kann sich jemand ein Urteil über eine Beziehung erlauben, in die er (weil er nicht Teil der Beziehung ist) nur in Ansätzen Einblick hat?

So, ich hoffe mal, meine Antwort trifft irgendwo deine Frage :wink:)

Gruß, Dine

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Hi Dine,

deine Antwort trifft sogar irgendwie an vielen Stellen. :o)

Bin auch beruhigt, weil die besagten Dritten mir laut deiner Aussage mal gar nichts können. Ich quäle ja schließlich niemanden und das sogar gerne. Deswegen gehen mir diese Genderdiskussionen auch so auf die Nerven.

Ich wünsch dir noch ein schönes Restwochenende!

Viele Grüsse,

Hilmar

Hi Lotus!

Öhm…ich hoffe, ich verstehe deine Frage richtig, denn dann
wäre meine Antwort: deine Beziehung zu deiner Freundin (und
umgekehrt) geht erstmal überhaupt niemanden etwas an -außer
euch beide natürlich. Das würde sich gegebenenfalls ändern,
wenn einer von euch beiden unter dem anderen inwieweit auch
immer zu leiden hat. Dann fände ich es durchaus legitim für
Dritte, sich in die Beziehung einzumischen.
Ansonsten: Ich bin keine große Freundin sogenannter
„Genderdiskussionen“ (was immer das im Kern auch letztlich zu
bedeuten haben mag, vielleicht sollte man sich ersteinmal
darüber richtig klar werden).

Um es mal überspitzt zu sagen: Wenn deine Freundin gerne die
50er Jahre-Superhausfrau sein möchte und du der Pascha an
ihrer seite, dann geht nur euch das was an. Wenn sie aber die
Brötchen nach Hause bringen möchte und du dafür den Haushalt
schmeißt, ist das ebenso eure Sache. Warum sollte man seine
Beziehung, die für mich immer noch höchste Privatsache ist,
für einen öffentlichen Diskurs instrumentalisieren lassen?
Wichtig ist, dass die Partner in einer Beziehung ihre wie auch
immer garteten „Rollen“ innerhalb der Beziehung GERNE
übernehmen, und dann ist es leidlich egal, wie kurios,
antiquiert oder was auch immer diese Rollen sich für andere
darstellen. Die Hauptsache ist, dass sich die beiden
Beziehungspartner damit auseinandergesetzt haben. Was wollen
da irgendwelche Dritten? Und was WISSEN da irgendwelche
Dritten? Wie kann sich jemand ein Urteil über eine Beziehung
erlauben, in die er (weil er nicht Teil der Beziehung ist) nur
in Ansätzen Einblick hat?

So, ich hoffe mal, meine Antwort trifft irgendwo deine Frage
:wink:)

Gruß, Dine

wie weit geht das Verhältnis zu meiner Freundin (und vice versa)
meinen Nachbarn (den Staat, meinen Chef, etc.) nichts an?

Wenn es ums Geld geht, geht es den Staat etwas (was sonst). Stichwort Versteuerung bei gemeinsamem Haushalt usw. Das Verhältnis ist auch bei Gericht beispielsweise von Belang. Zwischen Freundin und Verlobte besteht ein Unterschied.

Gruß
dataf0x

Hallo Datafox,

klingt, als möchtest du das System „Verhältnis“ eingrenzen. Sinnvoll. Mich beschäftigt bei deinem sehr Ansatz aber die Frage, ob bei der präzisen Definition einer Beziehung nicht etwas zerstört wird, dass eine erfüllte Partnerschaft im Kontext von Vertrauen und Zulassenkönnen auf eine Geschäftsbeziehung reduziert. Problem: Ich assoziere einen Arbeitsplatz zwar mit Verwirklichung, aber nicht mit Leidenschaft und Glück. Ich kann mit einem Geschäftspartner auskommen, aber bin nicht anssatzweise so sehr an seinem Wohl interessiert, wie an dem eines Partners.
Kurzgesagt: Ich würde mich in einer Partnerschaft, die durch sachlichen Umgang miteinander geprägt ist nicht wohlfühlen. Die Verhärtung der besagten Fronten bestünde darin sich bei einer Verlobung auf Zeugen zu berufen.

Kann man jemanden lieben, der den Privatraum dokumentiert, um juristische Sachverhalte ggf. gegen den Partner vor Gericht geltend zu machen?

Viele Grüsse,

Hilmar

Wenn es ums Geld geht, geht es den Staat etwas (was sonst).
Stichwort Versteuerung bei gemeinsamem Haushalt usw. Das
Verhältnis ist auch bei Gericht beispielsweise von Belang.
Zwischen Freundin und Verlobte besteht ein Unterschied.

Wie sinnvoll sind Gender-Diskussionen?
Hiho,

Die Frage im Topic ist irreführend. Richtiger wäre: Inwieweit darf ich meine Meinung anderen aufdrängen?

Dann würde man auch leichter auf die Antwort kommen: Überhaupt nicht. :smile:

Denn genau das ist es, was bei Gender-Diskussionen häufig passiert. Es ist ein Thema, zu dem erst einmal jeder eine Meinung hat , schon das unterscheidet es von vielen anderen Themen.

Dazu kommt, daß gerade bei diesem Thema jeder sehr dazu neigt, seine Meinung für die wahre zu halten.

Und drittens verführt dieses Thema dazu, dogmatisch zu werden und zu glauben, daß nur meine Meinung andere glücklich machen kann, daß meine Lösungen auch für alle gelten.

Traurigerweise passiert das beim Thema Gender / Männer vs Frauen / Feminismus immer und immer wieder, und bei artverwandten Themen auch (Abtreibung, Erziehungsurlaub, Frauen in Spitzenpositionen etc.)

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Was für mich wahr und richtig ist, kann für jeden anderen falsch sein.
Für die meisten Frauen ist die Möglichkeit, arbeiten zu gehen und unabhängig zu sein, unbestritten ein Segen. Aber dennoch gibt es Frauen, die auch heute noch gerne heiraten und den Haushalt versorgen möchten, und die sind deshalb weder dümmer noch rückständiger als solche, die das nicht (mehr) wollen.
Für viele ist die Möglichkeit, abtreiben zu können, ein Segen. Andere zerbrechen daran.
Für manche Paare ist es eine hervorragende Lösung, sich den Erziehungsurlaub teilen zu können. Es gibt aber auch Frauen, die einfach gerne zu Hause bleiben, bis die Kinder größer sind. Und es gibt welche, die das lieber völlig ihren Männern überlassen und vom ersten Tag an wieder arbeiten gehen.

So what? Es geht niemanden etwas an außer den direkt Betroffenen. Aber gerade bei diesem Thema fühlt sich jeder berufen, seine Meinung zu haben, kund zu tun und missionarisch zu verteidigen. Selbst der/die, der bei anderen Themen tolerant und offen sein kann.

Übrigens ein Grund, warum ich hier im F&F Brett nie poste (dies ist mein erstes Posting hier, iirc) - es gibt Dinge, darüber bringt’s nichts, zu diskutieren (zumindest mir nicht *g*)

Liebe Grüße,
Nike

hi lotus,

grundsaetzlich ist es jedem selbst ueberlassen, wie er seine beziehung gestaltet. solange keine anderen personen verletzt werden. ich glaube, darueber sind wir uns alle einig, war aber nicht immer so!

zur ehe:
die eheschliessung wurde frueher hauptsaechlich aus wirtschaftlichen aspekten vollzogen - heiraten aus liebe ist ein eher neues konzept. waere schoen, wenn hier jemand noch konkreteres dazu posten koennte. am deutlichsten sieht man den wandel momentan in indien, wo heiss ueber vor- und nachteile der arranged und der love marriage diskutiert wird.
aber nochmals zu westeuropa: die ehe diente der sicherung des nachwuchses. eine katholische frau konnte und kann die ehe als ungueltig erklaeren lassen, wenn der mann sexuellen kontakt und damit kinder verweigerte. oder es gab im mittelalter zeiten, wo maegde und knechte nicht heiraten durften, da ihr einkommen zu gering war, um nachwuchs zu haben.

ehe als historisch gewachsene institution sollte man also getrennt von „gefuehlen und beziehungen“ betrachten.

zu beziehungen:
hier sehe ich eigentlich keine verbuerokratisierungen. jedem steht heutzutage frei eine beziehung mit wem-auch-immer einzugehen. der gesellschaftliche druck wurde im vergleich zu frueher extrem gelockert: beziehungen ohne heirat, zwischengeschlechtliche beziehungen, mehrfachbeziehungen, interkulturelle und interreligioese beziehungen. vieles ist heute moeglich, was frueher suende pur gewesen waere.

zu deinen beziehungen:
von fronten in einer beziehung zu sprechen finde ich fatal! so eine einstellung laesst eine glueckliche beziehung doch gar nicht zu (meine persoenliche meinung).

liebe gruesse
coco

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Hi Coco,

zur ehe:
die eheschliessung wurde frueher hauptsaechlich aus
wirtschaftlichen aspekten vollzogen - heiraten aus liebe ist
ein eher neues konzept. waere schoen, wenn hier jemand noch
konkreteres dazu posten koennte. am deutlichsten sieht man den
wandel momentan in indien, wo heiss ueber vor- und nachteile
der arranged und der love marriage diskutiert wird.
aber nochmals zu westeuropa: die ehe diente der sicherung des
nachwuchses. eine katholische frau konnte und kann die ehe als
ungueltig erklaeren lassen, wenn der mann sexuellen kontakt
und damit kinder verweigerte. oder es gab im mittelalter
zeiten, wo maegde und knechte nicht heiraten durften, da ihr
einkommen zu gering war, um nachwuchs zu haben.

Das mit der Annulierung der Ehe bei Entsagung wusste ich noch nicht. Mir ist lediglich bekannt, dass der Koitus im Mittelalter an Feiertagen untersagt war. Wenn es denn dann doch mal gestattet war, sollten Gewänder gertragen werden, die lediglich die Genitalien freigaben. Die „Missionarsstellung“ wurde angeraten, da sie eher unbequem ist und Sex ja, wie du schon gesagt hast, lediglich wegen Wegen Nachwuchs praktiziert werden sollte.
Vor diesen Konventionen (kann keine Jahreszahl angeben), gab es jedoch sogar priesterliche Huren, die allen Männern zur Verfügung standen. Ihre Tätigkeit hatte jedoch nichts unmoralisches. Sie und auch die Kinder mit nicht zuordenbaren Vätern wurden gemeinhin hoch geschätzt.

Die Ehe als Institution kannte ich bisher nur aus dem Kontext des Philosophen G.W.F. Hegel (Frühes 19.). Er ist meines Erachtens der wohl grauenhafteste und platteste Philosoph in der deutschen Geschichte. In der „Philosophie des Rechts“ legt er dar, dass die Ehe eine Kapitalgemeinschaft ist, die dazu existiert um gebildete Menschen zu produzieren und gewissermaßen zu domestizieren.

Falls du es aus einem anderen Kontext kennst, würde ich gerne wissen woher.

zu beziehungen:
hier sehe ich eigentlich keine verbuerokratisierungen. jedem
steht heutzutage frei eine beziehung mit wem-auch-immer
einzugehen. der gesellschaftliche druck wurde im vergleich zu
frueher extrem gelockert: beziehungen ohne heirat,
zwischengeschlechtliche beziehungen, mehrfachbeziehungen,
interkulturelle und interreligioese beziehungen. vieles ist
heute moeglich, was frueher suende pur gewesen waere.

zu deinen beziehungen:
von fronten in einer beziehung zu sprechen finde ich fatal! so
eine einstellung laesst eine glueckliche beziehung doch gar
nicht zu (meine persoenliche meinung).

Der Gebrauch des Wortes „Froten“ meinerseits hat mit beiden Absätzen zu tun. Dennoch bringen mich zwei Theorien dazu ihn so zu gebrauchen. Ich setze den Begriff nicht gleich mit Krieg im eigentlichen Sinne.

  1. Laut einer Studie von Eleanor E. Maccoby sozialisieren sich die Geschlechter primär in homogenen Gruppen. Die Interaktion ist verhältnismäßig niedrig. Insbesondere im Kindesalter spielen Jungs fast nur mit Jungs und Mädchen fast nur mit Mädchen. Diese sozialen Verhaltensmuster bleiben das gesamte Leben lang bestehen, auch wenn sich die Interaktion zwischen den Geschlechtern natürlich ändert.

  2. Die zweite Hälfte der Front geht auf den Individualismus zurück. Mit ihm ging es von der Feudalwirtschaft über zu Verhältnissen, in denen Einzelpersonen gewissermaßen mit Besitz verkittet wurden. Rechtssprechung wurde immer notweniger um diesen Besitz zu sichern. Ganz grob hat sich daraus bis in die Istzeit ein Individuum entwickelt, das mehr und mehr auf sich selbst gestellt ist. Dieses Individuum ist aber nicht frei, da es im abendländischen Wertepluralismus und dem Recht innere Mauern aufbaut, die es durch den „Zwang“ bildet. Ganz genau wird das von Michel Foucault in „Überwachen und Strafen“ beschrieben.
    Die Front die sich daraus ableiten lässt hängt mit dem Stereotyp zusammen, dem man als Frau oder Mann unterworfen ist. Dass weiblich und männlich immernoch von Wert sind, erkennt man daran, dass Transvestiten zwar irgendwie geduldet werden, aber trotz Allem befremdlich sind. Homosexuelle sind ja auf den ersten Blick als Männer oder Frauen zu erkennen. Gewissermaßen sind auch sie der inneren Mauer unterworfen zu wissen, wie sie in Erscheinung zu treten haben.

Daher die Theorie der Front. Hoffe ich konnte es sinnstiftend kondensieren.

Viele Grüsse,

Hilmar

hi hilmar

Das mit der Annulierung der Ehe bei Entsagung wusste ich noch
nicht.

meine eltern (katholisch) haben sich scheiden lassen und daher die moeglichkeit geprueft, sich auch kirchlich zu trennen. da stossen sie auf diese moeglichkeit.

Vor diesen Konventionen (kann keine Jahreszahl angeben), gab
es jedoch sogar priesterliche Huren, die allen Männern zur
Verfügung standen. Ihre Tätigkeit hatte jedoch nichts
unmoralisches. Sie und auch die Kinder mit nicht zuordenbaren
Vätern wurden gemeinhin hoch geschätzt.

ja, aehnlich die tempeltaenzerinnen im alten indien. erst mit der besetzung durch die moslems bekam ihr beruf einen anruechigen charakter. vorher waren das geachtete frauen, welche dem tempel dienten.

Falls du es aus einem anderen Kontext kennst, würde ich gerne
wissen woher.

wenn du geographie studierst, dann wirst du ebenfalls drueberstolpern. ich mag mich grad an keine namen/theorien mehr erinnern, allerdings war das inhalt in sozialgeographie.

Der Gebrauch des Wortes „Froten“ meinerseits hat mit beiden
Absätzen zu tun. Dennoch bringen mich zwei Theorien dazu ihn
so zu gebrauchen. Ich setze den Begriff nicht gleich mit Krieg
im eigentlichen Sinne.

vielleicht ist der begriff front ein etwas heikler, weil er sowohl im kriegsgebrauch, als auch in den von dir angefuehrten beispielen vorkommt. aber ich glaube ich verstehe jetzt, was du damit meinst.

wenn die geschlechterdiskussion zu einer wirklichen entscheidungsfreiheit der menschen fuerht, dann sehe ich darin keine verstaerkung der fronten.
im gegenteil, ich denke, dass menschen welche frei waehlen koennen und zu dem stehen was sie leben, viel stressfreier in eine beziehung hineingehen. denn sie sind zufrieden mit sich (egal ob als hausmann oder als karrierefutzi). weiters sucht sich ein mensch mit freier wahl automatisch einen passenden partner aus, was spaetere fronten-querelen minimiert. die sich outende hausfrau zb wird sich kaum einen geouteten hausmann suchen…

liebe gruesse
coco