Wie werte ich eine Umfrage zur Preisgestaltung richtig aus?

Hallo zusammen,

für eine Produktidee habe ich eine Umfrage durchgeführt, bei der ich auch gefragt habe, wie viel den Leuten das Produkt wert wäre. Nun würden sich aber natürlich viele Leute dieses Produkt sowieso nicht kaufen, nennen aber trotzdem irgendeinen (meist niedrigen) Preis. Viele haben beispielsweise 25-30€ angegeben. Gäbe es das Produkt für diesen Preis zu kaufen, würden viele der Befragten sich das Produkt aber trotzdem nicht kaufen. Soll ich mich bei meinem Ziel-Verkaufspreis also danach richten, was Leute gesagt haben, die eigentlich gar nicht am Produkt interessiert sind? Wie gehen Profis mit solchen Ergebnissen um?

Hallo,

welchen Preis akzeptieren denn die, die das Produkt u.U. kaufen?

mki

Hallo!

Warum interessieren Dich solche Leute überhaupt? Du musst Dich natürlich an Deiner Zielgruppe orientieren. Dabei gibt es keine für jeden Fall taugende Methode der Preisfindung. Manchmal orientiert man sich am üblichen Marktpreis, in anderen Fällen am Kundennutzen. Die Sache mit dem Kundennutzen ist aber ein weites Feld und längst nicht immer führt ein niedriger Preis zu hohem Absatz. Sogar das Gegenteil kann der Fall sein, dass nämlich allein der hohe Preis den Kaufanreiz bietet.

Beispiel: Eine Quarzuhr für 19,95 € erfüllt ihren Zweck, nämlich Anzeige der Zeit, in hervorragend präziser Weise. Rolex verlangt aber den tausendfachen Preis für Uhren, die weniger genau arbeiten. Würde bei Rolex ein BWLer mit Bätschlerweisheiten von Preis und Absatz auf die Idee kommen, zur Absatzsteigerung den Preisbrecher zu machen und Rolex-Uhren für 19,94 anzubieten, wäre das Unternehmen augenblicklich mausetot, weil es bei dem Produkt gar nicht um den Nutzen, sondern um die Exklusivität zum Herzeigen geht. So ähnlich verhält es sich mit vielen Produkten, die einfach nur teuer sind und genau deshalb Käufer finden.

In anderen Fällen kann man den Preis aufgrund einer Alleinstellung bilden. Lauter Verdurstende, aber Du bist weit und breit der einzige Anbieter von Wasser, winkt gutes Geschäft. Es muss nicht um Verdurstende gehen, es kann sich um ein bisher arbeitsintensives Herstellverfahren handeln und Du hast ein besseres Verfahren erdacht, mit dem der Herstellaufwand in den Keller geht. In solchen Fällen kann man ausrechnen, wie hoch der Kundennutzen ist und welcher Produktpreis für den Kunden noch attraktiv ist.

Du merkst nun sicher selbst, dass die Beantwortung Deiner Frage Kenntnisse von Produkt, Markt- und Wettbewerbssituation, Vertriebswegen u. v. m. voraussetzt. Insbesondere muss die Zielgruppe möglichst genau beschrieben und eingegrenzt sein. Dabei spielen je nach Produkt und seiner Anwendung z. B. in Betracht kommende Altersgruppen, soziale Schichten, Einkommen eine Rolle.

Mit solcher Denkarbeit kommst Du Schritt für Schritt der Lösung näher, während ich Umfragen zur Preisgestaltung für nicht belastbar halte. Beim Schokoriegel muss man potentielle Käufer probieren lassen und fragen, was den Leuten am besten schmeckt. Ob ein Bedienkonzept etwas taugt und eine Betriebsanleitung verständlich ist, findet man heraus, indem man Menschen befragt, nachdem man ihnen das Produkt zum Ausprobieren gab.

Gruß
Wolfgang

Danke für deine ausführliche Antwort. Das ist natürlich sehr einleuchtend. Bei meiner Umfrage habe ich auch versucht, meine Zielgruppe etwas einzugrenzen. Da ich nur 40 Leute befragt habe (50% online, 50% auf der Straße) ist das Bild noch nicht sehr scharf, aber es zeichnet sich ab, dass Menschen ab 18 relevant sind und mit zunehmenden Alter uninteressierter werden. Über 50 war kaum noch jemand begeistert. Außerdem waren Frauen etwas interessierter als Männer.

30-40€ habe noch recht viele als angemessen empfunden. Mehr hätte niemand gezahlt. Für diesen Preis wird es aber schwierig, das Produkt gewinnbringend anzubieten. Und ein ähnliches, minimal aufwendigeres Produkt gibt es für 100€. Da stellt sich die Frage, ob die alles richtig oder falsch machen…

Hallo Fleischklops,
zunächst schließe ich mich der guten und richtigen Antwort von Wolfgang Dreyer zu 100% an. Vielleicht solltest du aber zusätzlich noch folgendes bedenken:
Wenn es sich bei deinem Produkt um ein „Lifestyle“ -Produkt handelt, also ein Produkt ( ich nenne das „Will-Produkt“ - sh. auch meine Antwort unter Musik/Medien, Werbung/Marketing, „Was ist das erfolgreichste Werbekonzept?“ ), welches ein inneres Bedürfnis eines Menschen erfüllen kann (z.B. Status signalisiert, „Schönheit“ verspricht oder optimiert, Genüsse erfüllt usw.), wenn dein Produkt also in diesem Feld agiert, dann kommt noch seine aktuell vorhandene Status-Aufladung hinzu. Das Rolex-Beispiel von Wolfgang Dreyer zeigt das zum Beispiel: Die identische Uhr der Marke Rolex würde sich unter „Meier“ nicht zum Rolex-Preis verkaufen lassen. Der Unterschied liegt in der bei „Meier“ nicht vorhandenen werblichen „Aufladung“. Das gilt entsprechend bei deiner Umfrage. Dein Produkt verfügt (noch) nicht über eine solche Aufladung, die sich erst nach langer, häufiger und richtig gemachter werblicher Kommunikation einstellt.
Bei „Muss-Produkten“ -sh. auch meine „Werbe“-Antwort, gilt eine andere Situation: Hier liegt der Wert eher im erkenn- und ggfls. berechenbaren Sachnutzen im Verhältnis zum dagegen gerechneten Kaufpreis.
Gruß
Heinz