Wie wurden bei den alten Folianten die Fehler ausgebessert?

Ich sah in Florenz in einem Museum alte Folianten. Schön geschrieben und verziert. Ich sah aber keinerlei Ausbesserungen (Durchgestrichene Wörter oder übermalte Stellen) . Die Bücher wurden ja von Hand gemacht und kein Mensch ist fehlerfrei. Wie wurden bei so einem Foliant der Fehler behoben? Das ganze Blatt (4 Seiten) neu geschrieben? Die Leute im Museum konnten mir die Frage nicht beantworten.

Vielen Dank im Voraus!

Dafür wurden nur qualifizierte Schreiber eingestzt die keine Fehler machten. Das konnte nichtsdestotrotz trotzdem passieren, z.B. durch ausgelasufene Tinte einer nicht ordentlich geschnittenen Kielfeder.
Geschrieben wurde auf Pergament.
Je nach Pergament, war es möglich diese Stelle auszuschaben und mittels Bimsstein und Eierschalenpuver wieder so zu glätten, dass es wieder beschreibbar wurde.
Wenn dies nicht möglich war, war die ganze Seite futsch und der Schreiber Gegenstand eines gewaltigen Rüffels.
Pergament konnte und kann von nahezu jeder Tierart, die nicht gerade Krokodil- oder Echsenhaut hat, hergestellt werden. Das ist ein, im Gegensatz zum Leder, ungegerbtes Verfahren und sehr aufwändig. Wobei Ziegen- und Kalbsleder die perfekte Beschreibbarkeit bieten und Kalbspergament noch um einiges dünner ist als Ziegenpergament. ramses90

Hallo!

Heute sind wir gewohnt, einem Blatt Papier keine besondere Bedeutung zukommen zu lassen - 500 Blatt 80 g/m², Format A4 für den Gegenwert einer Viertelstunde Arbeit. Wenn es aber kein industriell hergestelltes Massenprodukt ist, sondern handgeschöpft oder Tierhaut, gibt es weder Schmierpapier noch unbedachtes Gekrakel. Aber trotz aller Sorgfalt können Fehler unterlaufen. Dann muss eben per Klinge vorsichtig eine Schicht abgeschabt werden.

Bis in die 80er Jahre gab es Zeichensäle, in denen auf großformatigem Papier (Zeichenpergament) per Hand mit Bleistift und Tusche gezeichnet wurde. In einem einzigen Blatt Papier konnten viele Tage, zuweilen Wochen Arbeit stecken. Natürlich passierten Fehler oder Konstruktionen mussten geändert werden. Deshalb gehörte ein Skalpell zum Entfernen von Tusche so selbstverständlich an jeden Arbeitsplatz wie Bleistift und Radiergummi. Im Durchlicht war zu erkennen, dass ausgebessert wurde, sonst nur bei genauem Hinsehen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, wegen eines Fehlers oder einer Änderung ein Blatt vom Zeichenbrett zu nehmen, um womöglich die Arbeit von Wochen zu vernichten. Auch sämtliche Beschriftungen wurden per Hand durchgeführt - womit auch sonst? Dafür gab es Schriftschablonen, aber geübte Zeichner brachten einwandfreie Normschrift auch ohne Hilfsmittel zu Papier. Dass sich CAD so schnell durchsetzte und Jahrhunderte alte Methoden binnen kurzer Zeit verdrängte, kam nicht von ungefähr.

Gruß
Wolfgang

Interessant! Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!