Hallo!
Heute sind wir gewohnt, einem Blatt Papier keine besondere Bedeutung zukommen zu lassen - 500 Blatt 80 g/m², Format A4 für den Gegenwert einer Viertelstunde Arbeit. Wenn es aber kein industriell hergestelltes Massenprodukt ist, sondern handgeschöpft oder Tierhaut, gibt es weder Schmierpapier noch unbedachtes Gekrakel. Aber trotz aller Sorgfalt können Fehler unterlaufen. Dann muss eben per Klinge vorsichtig eine Schicht abgeschabt werden.
Bis in die 80er Jahre gab es Zeichensäle, in denen auf großformatigem Papier (Zeichenpergament) per Hand mit Bleistift und Tusche gezeichnet wurde. In einem einzigen Blatt Papier konnten viele Tage, zuweilen Wochen Arbeit stecken. Natürlich passierten Fehler oder Konstruktionen mussten geändert werden. Deshalb gehörte ein Skalpell zum Entfernen von Tusche so selbstverständlich an jeden Arbeitsplatz wie Bleistift und Radiergummi. Im Durchlicht war zu erkennen, dass ausgebessert wurde, sonst nur bei genauem Hinsehen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, wegen eines Fehlers oder einer Änderung ein Blatt vom Zeichenbrett zu nehmen, um womöglich die Arbeit von Wochen zu vernichten. Auch sämtliche Beschriftungen wurden per Hand durchgeführt - womit auch sonst? Dafür gab es Schriftschablonen, aber geübte Zeichner brachten einwandfreie Normschrift auch ohne Hilfsmittel zu Papier. Dass sich CAD so schnell durchsetzte und Jahrhunderte alte Methoden binnen kurzer Zeit verdrängte, kam nicht von ungefähr.
Gruß
Wolfgang