Moin Claudia,
Über die Notwendigkeit in Deutschland eine bessere
Kinderbetreuung einzurichten sind wir uns alle einig. Du
schriebst und schreibst immer wieder über die Mitverantwortung
der Männer für ihre Kinder, auch das trage ich mit.
Aber all das ist ein aufgesetztes Ideal,
Ich sehe das nicht als Ideal sondern als Grundlage für folgendes
nämlich Frauen grundsätzlich
unabhängig von ihrer familiären Situation als wichtiges
Leistungspotential unserer Arbeitswelt zu sehen, die vor ihrer
Mutterschaft gute Ausbildungen hatten und an knowhow etwas zu
bieten haben.
Man kann Frauen nunmal nicht unabhängig von ihrer familiären Situation sehen, wenn man überlegt, ob man ihnen den Job gibt oder nicht. Die Ausbildung ist dabei nur ein Kriterium.
Haben sie Kinder, entsteht bei zuvielen das Bild
über ihre Doppelbelastung, die an ihr zu haften scheint, wie
bei einem Gliedmaßen-Behinderten, dem man den Umgang mit
Computern nicht zutraut.
Ich sehe das aber nicht als Bild, sondern als Realität. Die meisten Frauen haben nunmal diese Doppelbelastung. Es ist ja nicht so, dass Personalchefs die Realität nicht kennen würden. Viele haben selbst Kinder und wissen daher, wie die Realität bezüglich Kinderbetreuung aussieht.
Ich habe den Verdacht, dass nachwievor in unserer Gesellschaft
Mutterschaft idealisiert wird.
Ich denke, von diesem Vorwurf kann ich mich freisprechen
Es sind ja nicht einmal alle
Frauen selbst dazu fähig von ihren behütenden Aufgaben locker
loslassen zu können, geschweige denn zu delegieren.
Das ist dann aber das Problem dieser Frauen und es ist nicht die Aufgabe von Personalabteilungen von Unternehmen dieses Problem für sie zu lösen.
Ich nehme immer mal wieder mit einem Schmunzeln die Aussage von jüngeren, noch kinderlosen Frauen zur Kenntnis, dass sie natürlich Kinder wollen und natürlich wollen sie auch einen guten Beruf und nach 3 Jahren wieder einsteigen. Die Realität von Frauen mit Kindern, die versuchen, wieder berufstätig zu sein, wird von diesen jüngeren Frauen völlig ignoriert, grade so, als würde es sich um ein privates Problem handeln, dass sie selbst natürlich mit Leichtigkeit lösen werden. Wenn überhaupt irgendwo idealisiert wird, dann meiner Meinung nach hier. Die Vorstellung von der Frau mit Kindern, die gleichzeitig zufrieden ihrem erlernten Beruf nachgeht ist nunmal weitestgehend eine Illusion, die mit der Realität fast nichts gemeinsam hat.
Es scheint
keine selbstverständliche Vorstellung zu existieren, dass
diese Wiedereinsteigerinnen schlichtweg ausgebildete
Arbeitskräfte auf Arbeitssuche sind. Wiedereinsteigerinnen -
hmm - das klingt für mich immer wie Haftentlassene… weißt
Du was ich meine?
Stimmt, aber für einen Personalchef ist das ziemlich egal. Wie gesagt, die Ausbildung ist nur ein Kriterium.
Wird je ein Mann gefragt, wer sich um die Kinder kümmert?
Wenn sich bei mir als Personalverantwortliche ein Mann bewerben würde, der sich die letzten 3-10 Jahre um seine Kleinkinder gekümmert hat und nicht berufstätig war, dann kannst du sicher sein, dass ich das fragen werde
Aber diese
Verfügbarkeit ist so vorrangig, dass es manchen Arbeitgebern
absolut egal zu sein scheint, was die Person jemals gelernt
oder getan hat. Hat sie Zeit, ist alles ok. Der Rest gibt
sich. Diese Einstellung verstehe ich aus
betriebstwirtschaftlicher Hinsicht nicht.
Ich denke, jeder Arbeitgeber hat seine eigenen Vorstellungen, welche Anforderungen er an seine Mitarbeiter stellt. Bei vielen Jobs ist es wohl tatsächlich so, dass es nicht ganz so wichtig ist, was jemand für eine Ausbildung hat. Hier stehen andere Kriterien im Fordergrund. Wenn ich allein überlege, welche Jobs ich in meinem Leben schon so gemacht habe und das mit meiner Ausbildung vergleiche…
Der Ruf nach gesellschaftl. organisierter Kinderbetreuung ist
einer von vielen Aufgaben, die zu dem Engagement gehören, die
berufliche Integration von Frauen zu verbessern. Und ich halte
diese besagte Aufgabe für nicht die Wichtigste, weil dafür
eine bestimmte Grundeinstellung notwendig ist, die ich bei uns
allen nicht erkennen kann.
Tja, hier werden wir uns wohl nicht einig. Ich sehe das eben anders herum und meine Erfahrung mit Ländern, wo die Kinderbetreuung gut geregelt ist, bestätigt IMHO diesen Standpunkt und ähnelt den Erfahrungen von Stefanie. Wo in der Gesellschaft ein Bewußtsein herrscht, dass Kinderbetreuung gewährleistet ist, scheuen Personalchefs auch nicht davor zurück, Frauen mit Kindern einzustellen. Wo eine Kinderbetreuung jedoch nicht gewährleistet ist, und das ist sie nicht in unserer Gesellschaft, kann sich dieses Bewußtsein gar nicht erst entwickeln.
Gruss
und gruten Rutsch
Marion