Kinder sind aber auch Arbeit !
Hallo Claudia, hallo Stefanie, hallo miteinander,
auch von mir noch nachträglich frohe Weihnachten
Ich verfolge Eure Diskussion interessiert. Beide erwähnt Ihr Aspekte, die ich auch so sehe. Mir fehlt aber ein ganz wichtiger Punkt, nicht nur hier, sondern insgesamt in der Feminismus-Diskussion:
Kindererziehung ist auch Arbeit !
Ich bin mir sicher, Ihr werdet das nicht abstreiten *g*, aber es geht ein bißchen unter. Angenommen, es gebe perfekte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, zeitlich und qualitativ, so dass ein Vollzeitjob möglich wäre. ICH fände es keineswegs erstrebenswert, nach 8 anstrengenden Stunden an meinem Arbeitsplatz ein Kind abholen und als Mutter präsent sein zu müssen. Für das Kind ist es dann auch das Ende eines langen Tages, es ist unter Umständen dann auch quengelig (Kleinkind) oder motzig (Grundschulalter), es möchte mehr oder weniger wichtige Dinge erzählen, braucht Abendbrot, Zuwendung, je nach Alter Körperpflege, Gutenachtgeschichte usw.
Eine Freundin von mir lebt als Deutsche in Dänemark, wo es üblich ist, dass beide Elternteile 6 Monate nach der Geburt des Kinder in Vollzeit arbeiten. Es gibt dort traumhafte Betreuungsmöglichkeiten - aber auch beinahe ein MUSS zur Berufstätigkeit, öknomischer Art (wer schon einmal in DK war, weiss, wie extrem teuer dort alles ist) sowie in Form eines gewissen gesellschaftlichen Drucks, ähnlich dem Druck in meiner dörflichen Umgebung, als Mutter gar niemals eine Berufstätigkeit auszuüben, wenn nicht eine Oma zur Stelle ist - FREMDBETREUUNG ist völlig verpönt.
Ich frage mich bei zwei voll berufstätigen Eltern schon, ob es da nicht besser gewesen, auf ein Kind zu verzichten. Muss denn ALLES für JEDEN möglich sein ? Sollte man sich nicht schon vor dem Kinderplan (so es denn geplant war) darüber klarwerden, dass Kinder auch Verzicht bedeuten ? Man bekommt ja auch etwas zurück
Der Punkt für mich ist lediglich, dass nicht nur die Mutter verzichtet, sondern dass partnerschaftliches Elternengagement selbstverständlich sein sollte. Das geht auch in Führungspositionen, gerade dort hat man in gewissen Grenzen erheblich mehr Zeitautonomie als beispielsweise ein kleiner Kundenberater bei einer Bank - als Chef geht man dann eben für eine Stunde und holt das Kind vom Hort, bringt es zum Kindergeburtstag oder was-auch-immer. Eine gemeinsame Arbeitszeit von ca. 150 % im Vergleich zu 200 % für ein kinderloses Paar sollte realisierbar sein - ist es aber wegen der miesen Betreungsmöglichkeiten definitiv nicht, denn es bleiben eben bei obiger Variante 50 % „Lücke“.
Außerdem wünsche ich mir, dass Arbeit mit Kindern sowie das ganze Drumherum mehr anerkannt wird. Ich kenne etliche Frauen (auch mich *g*), die nicht nur den Haushalt schmeißen (ein öder Job, aber leider auch nötig), sondern auch in nicht unerheblichem Maße ehrenamtlich tätig sind (Elternbeiräte, Vereinsarbeit, Nachbarschaftshilfe…). Emanzipiert zu sein bedeutet nicht zwingend, erwerbstätig zu sein, wird aber leider viel zu gerne gleichgesetzt. Natürlich kenne ich (LEIDER!) ganz schrecklich viele Klischeehausfrauen, deren Horizont am Bügelbrett endet und deren zu betreuenden „Kinder“ schon fast aus dem Haus sind - aber es gibt durchaus die männlichen Gegenstücke dazu, sie fallen nur weniger auf, weil sie an irgendeinem Schreibtisch ihre Zeit dumpf absitzen.
Wer aber - Männlein oder Weiblein - wirklich für sich uneingeschränkt die große Karriere anstrebt, der sollte meiner Meinung nach keine Kinder bekommen. Dessen „Kind“ ist dann eben der Beruf, und das sollte auch für Frauen normal sein dürfen (kinderlose Frauen werden ja noch immer schräger angeschaut als kinderlose Männer).
Ich selbst hatte übrigens einmal sehr hochfliegende Pläne, wollte damals auch keine Kinder. In Laufe meiner Minikarriere wurde ich von Vorgesetzten nach Familienplanung und Hochzeitswünschen gefragt, nach meiner Heirat kam ein Vermerk in meine Personalakte, dass man mich „wegen Heirat“ nicht versetzen dürfe, was ich niemals in irgendeiner Form so gesagt hatte, als ich schwanger wurde, legte ich mit dem Attest einen Plan vor, wann ich wieder einsteigen wolle, inklusive geregelter Betreuung, und wurde belächelt. „Bekommen Sie erst einmal Ihr Kind, dann halten Sie sich doch nicht daran!“ meinte der Kotzbrocken von Personalchef. Als ich mich aber doch an meine Pläne hielt, herrschte völliges Erstaunen und ich wurde flugs mit Versprechnungen, dass alles nur eine vorübergehende Notlösung sei, bis man wieder etwas adäquates für mich gefunden habe, wochenlang hingehalten. Ich habe dann gekündigt und mich selbständig gemacht, ganz miniklein, im Laufe der Jahre wachsend.
Zitat Stefanie:
Und genau da fange ich an, Leute wie Dich nicht zu verstehen.
Wann immer es um Kinderbetreuung geht, hört man als erstes,
dass man mit „etwas“ Eigeninitiative mit der vorhandenen
Kinderbetreuung ganz gut klar käme und die wirklichen Probleme
ganz woanders lägen.
Es ist einfach so, dass man, wenn das Kind da ist, irgendwie klarkommen MUSS. Das Leben geht ja weiter, soll man sich mit Baby in Berlin vor den Bundestag legen *g* ?
Diejenigen Frauen, die genau abwägen und sich vorher die Gegebenheiten genau ansehen, verzichten eben ganz auf Kinder, leider !
Zitat Claudia:
Mir wäre es lieber, wenn die Firmen Familienfreundlicher
eingestellt werden, und den Frauen flexiblere
Arbeitszeitbedingungen bieten würden. Mir ist die Denkweise
mancher Arbeitgeber zu starr und phantasielos.
Da wird für viel Geld an allen Orten Horte eingerichtet (ich
denke an unsere Stadt), mit dem knapper werdenen Geld zu wenig
Personal engagiert, die von vielen Gegebenheiten (mangels
guter Ausbildung, zu viele Kinder, Schulpensum, Problem- und
Ausländerkinder) überfordert sind.
Dem stimme ich zu, es sollte ein Mittelweg gefunden werden: flexiblere Arbeitszeiten für ELTERN, bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.
Und dann kommt die Polarisierung des Arbeitslebens in (a)
Kinderlose und Leute, deren Ehepartner ihnen den Rücken
freihält und (b) Leute mit Erziehungsaufgaben. Und hier wird
es wirklich fatal. Was aber immer verkannt wird: diese
Polarisierung entsteht erst durch den Mangel an guten
Betreuungmöglichkeiten. Mütter (und auch Väter - wollen wir
die mal nicht verschweigen) kommen gerade durch diesen Umstand
ja fast nie in höhere Posten und können so ihre Interessen
erst gar nicht einbringen.
Das Gros der Menschen landet unabhängig von der Kinderzahl sowieso nicht in Führungspositionen. Die Polarisierung ensteht meines Erachtens dadurch, dass frau heutzutage locker Kinder und Beruf zu wuppen hat, mann noch immer eher die Karriere macht, Kinder allzu oft nur ein weiteres Projekt im perfekten Leben darstellen. Die Lebenswelten der Kinderlosen und der Menschen mit Kindern sind oft stark getrennt, die einen verstehen die anderen nicht.
Zitat Stefanie:
Ich habe ja nun mehrere Jahre in Frankreich gelebt, wie ich
immer gerne erzähle. Dort ist nicht alles völlig ideal
geregelt, aber sagen wir mal: die normale Arbeitszeit ist ohne
grossen Organisationsaufwand durch Kinderkrippen, -gärten und
-schulen abgedeckt. Du kannst Dein Kind ab 6 oder 7 Uhr
morgend hinbringen,
Frage: Ist es denn schön für ein Kind, morgens um 6.00 Uhr schon unterwegs sein zu müssen ? Muss man zwingend schon Kleinkinder in so ein strenges Zeitkorsett zwängen ?
zur Arbeit fahren (selbst wenn der Weg wie
vielleicht in Paris eine Stunde beträgt), Deine normalen 8
Stunden plus Mittagspause arbeiten, zurückfahren und Dein Kind
abholen.
Und dann natürlich putzmunter und glücklich mit dem fröhlichen Kind spielen ?
Zitat Claudia:
Aber ich sehe aus eigener Erfahrung noch ein anderes Problem:
unser Schulsystem ist darauf ausgerichtet, dass Kinder ihr
Pensum nur schaffen, wenn sie Zuhause mithilfe der Eltern
üben.
Ich kenne 3 Beispiele in meiner Umgebung, bei der Frauen über
die Aufgabe ihrer Berufstätigkeit nachdachten, weil sie nicht
wußten, wie sie die Kinder aus ihrer Lernschwäche heraushelfen
sollen. Unterstützung, vorallem ideelle, seitens der Lehrer
und Hortbetreuer gibt es nicht.
Das stimmt absolut. Selbst bei allerbester Infrastruktur fallen die Kinder, die sich nicht an den „Entwicklungsplan“ halten, durch den Rost. Meine mittlere Tochter beispielsweise konnte mit drei Jahren nicht in den Kindergarten gehen (glaubt es einfach, es würde ausufern, das zu erklären), sie ging erst mit 4 Jahren. Auch ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht, meine Berufstätigkeit aufzugeben, weil die Situation mit schwierigeren Kindern extrem war.
Zitat Claudia:
Bis wir die Normalität erreicht haben, dass jede Frau ohne
große Anstrengungen nach ein paar Jahren nach der Geburt
SIC ! Ein bißchen Zeit „nur“ für das Baby, mit Kontakthalten zur Arbeitswelt, muss auch möglich sein
wieder arbeiten kann, müssen sich sehr viele Sachverhalte
ändern:
- genügend Gelder für gute! Horte
- Schulsystem weniger auf Leistung der Eltern ausgerichtet
- Arbeitszeiten und Hortöffnungszeiten müssen vereinbar sein
…usw
Völlige Zustimmung !
In diesem Sinne widme ich mich jetzt meinem Schönheitsschlaf
Viele Grüße,
Sylvia