Lieber Jonny Piff,
danke für die endliche einmal vernünftige Anfrage. Sosnt kriege ich immer Aufgaben wie: billiger Campingplatz oder: was kostet eine Kutschenfahrt.
Wien und Musik, ein weites Land ! Anfangen muss man eigentlich mit der Feststellung, dass es im Grunde die besonderen musikalischen Begabungen der Mitglieder des Kaiserhauses der Habsburger waren, die die Musikkultur und daher auch die Anziehungskraft Wiens für so viele Komponisten bewirkten. Leopold I. (1640-1705) war selbst ein erstrangiger Instrumentalist und Komponist, dessen
Werke heute noch mit den Großen seiner Zeit aufgeführt
werden. Beethoven zeigte sich erstaunt darüber, das die jungen Erzherzoginnen (Töchter des Kaiserhauses) seine Klaviersonaten vom Blatt spielen konnten. Also daher war der hohe, der niedere Adel und schließlich auch das Bürgertum ernster an der Musik interessiert, als es anderswo der Fall war. Logisch fanden damit auch die Komponisten hier ein interessierteres, aufgeschlosseneres Publikum und freundlichere Mäzene.
Die „Musikstadt“ Wien kann ja selbst lediglich Franz Schubert und Johann Strauss als gebürtige Wiener in Anspruch nehmen.
Alle anderen, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Brahms, Bruckner, Mahler, um nur die allerersten, größten zu nennen, die in Wien lebten und arbeiteten, kamen von woanders.
So kommt es, dass noch heute der Österreichische Bundestheaterverband mit Staatsoper, Volksoper, Burgtheater, Akadiemietheater und den Bühnen- und Kostümwerkstätten der am besten ausgestattete Theaterbetrieb der Welt ist und Wien insgesamt die meiste Anzahl von Theater- und Konzertsitzen pro Einwohner aller Städte hat. Und die sind, nota bene,
gut bis sehr gut jeden Tag des Jahres verkauft.
Meinen Freunden führe ich in die Musiktheater: Staatsoper (nicht jeden Abend - übrigens 300 x pro Saison - singen die besten Tenöre hier, aber im Orchestergraben spielen die Wiener Philharmoniker, jedenfalls das beste Opernorchester der Welt) das wunderschöne original erhaltene „Theater an der Wien“
und den Großen Saal des „Musikvereins“, den Goldenen Saal, der kleinere, neben dem Goldenen gelegene Brahmssaal ist der schönste Konzersaal, den ich kenne.
Gedenkstätten: Leider ist jetzt keine Fliederzeit, aber
trotzdem ist der Friedhof St. Marx, ein vollständig erhaltener Biedermeier-Friedhof mit dem Grab Mozarts, immer einen Besuch wert. In der Probusgasse im 19. Bezirk und daneben am Heiligenstädter Pfarrplatz gibt es
Beethoven Gedenkstätten. In Schuberts Geburtshaus in der Nussdorferstraße war ich noch nicht, aber vielleicht ?
Mozarts „Figarohaus“ in der Domgasse hinter dem Stephansdom kann man auch besuchen.
Jeden Dienstag gibt es original Wiener (Volks-)Musik auf Konzertniveau beim Heurigen Hengl-Haselbrunner in der Iglasseegasse im 19. Bez.
Eine Referenz könnte man auch Leopold I erweisen, der in der bemerkenswerten Kapuzinergruft am Neuen Markt in einem Zinnsarg liegt.
Jeden Sonntag gibt es um 10,30 ein muskalisches Hochamt
mit Messen von Händel bis Hindemith und von Bruckner bis Brahms in der Jesuitenkirche und in der Augustinerkirche
um 11 Uhr mit Chor und Orchester. JEDEN Sonnstag !
Das Programm, namentlich das musikalische, ist unüberschaubar, wirklich ein ganz besonderes Privileg, hier zu wohnen, wenns einen interessiert.
Schönen Aufenthalt und schöne Erlebnisse ! Stefan Culen