Wieso gilt frischer Pferdemist als "scharf"?

Von Pferdemist wird immer wieder behauptet, er sei zu „scharf“, um ihn direkt nutzen zu können. Er müsse erst eine Weile gelagert oder gar kompostiert werden, sonst würden die empfindlichen Wurzeln von Gemüsepflanzen verbrennen.
Was soll denn da „scharf“ sein? Schließlich enthält Pferdemist weder scharfe Gewürze noch scharfe Messer! Auch die darin hauptsächlich enthaltenen Nährstoffe (Stickstoff, Phosphat, Kalium) sind von ihrem Gehalt her eher niedrig und können deshalb eigentlich nicht die Ursache irgendeiner Schärfe sein. Jedenfalls hat z. B. Grünschnittkompost höhere Werte und da wird nicht davor gewarnt, dass er „zu scharf“ sei. Siehe: https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/pdf/naehrstoffgehalte-organischer-duenger.pdf
Kann mir irgendjemand etwas Genaueres dazu sagen?

Weil Pferdemist beim Verrotten heiß wird… Wenn man also einen Hauch zuviel davon auf die Pflanzen packt gehen sie kaputt. Wenn er verrottet ist, ist er wieder kalt

Grünkompost wird ja auch erst verkauft, wenn er zu Ende gerottet ist, also die Heißrotte hinter sich hat. Sonst würde da das Gleiche passieren

Gruß h

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Der bei nicht abgelagertem Mist (nicht nur von Pferden) sehr schnell verfügbare, nicht oder kaum organisch gebundene Stickstoff.

Der geht bei Ausbringen von frischem Mist ruckzuck in die Bodenlösung über und sorgt dort für einen Nitrat-Peak, der nicht nur keinen Nutzen stiftet, sondern bei zu hoher Konzentration die Wurzeln der Pflanzen schädigt („verbrennt“) - wegen dieser Schäden spricht man von „scharfem“ Mist, obwohl der natürlich kein Capsaicin oder sowas enthält.

Beim Ablagern auf der Dunglege arbeiten eine Menge Mikroorganismen an der organischen Bindung des Stickstoffs, der auf diese Weise langsamer und gleichmäßiger pflanzenverfügbar wird. Das ist beiläufig ein riesiger Vorteil der Mist- gegenüber der Güllewirtschaft.

er hat, nur auf den N-Gehalt bezogen, ziemlich genau den gleichen Wert von etwa 12 kg N / t Trockensubstanz; dort eher das umgekehrte Problem einer zu langsamen Verfügbarkeit.

Achte beim Vergleich solcher Angaben darauf, ob sie sich auf Frischmasse oder Trockensubstanz beziehen. Welchen N-Gehalt Dein Pferdemist und Dein Kompost hat, kannst Du ohnehin nicht von irgendwelchen veröffentlichten Tabellen ablesen, Du musst ihn dafür schon zur Lufa schicken (oder selber eine quantitative Analyse kochen).

Das hier:

verwundert mich ein bisselchen.

Ich weiß ja nicht, womit Du da vergleichst - um Kalium geht es eh nicht, damit sind so gut wie alle Gartenböden ausreichend bis überversorgt; betreffend N waren in den Jahrhunderten vor Haber/Bosch Pferde- und Rindermist die wichtigsten Mittel zur Versorgung von Ackerböden (bergmännisch abgebauter Salpeter und Guano spielten eine marginale Rolle), Hühnergülle hat erst seit der schnellen Ausweitung großer, hoch spezialisierter Hühnerhaltungen in den 1970er Jahren eine Bedeutung, und P ist ein Thema für sich, das den Rahmen hier sprengen würde.

Wenn Du aus irgendeinem kühlen Grund keine Möglichkeit hast, Pferdemist vor dem Ausbringen abzulagern, solltest Du ihn keinesfalls vor April und danach in häufigen, kleinen Gaben ausbringen - sonst tust Du den Pflanzen nichts Gutes und schadest dem Grundwasser.

Schöne Grüße

MM

Servus,

jetzt hab ich ein bisselchen Ruhe & Muße zum Erklären, weshalb mit dem „Verbrennen“ keinesfalls die Temperatur gemeint sein kann, sondern dieser umgangssprachliche Ausdruck sich auf Schädigung von Wurzeln durch kurze, sehr hohe Nitratkonzentration bezieht:

In der ersten Heißrotte erreicht Pferdemist eine Temperatur von 80 °C. Wenn man jetzt ideal unterstellt, dass diese Temperatur auf dem Weg von der Dunglege zum Krautgarten nicht geringer wird und dass der Mist auch zwischen Ausbringen und Einarbeiten keine Wärme abstrahlt, sondern ideal gleichzeitig mit dem Ausbringen sofort eingearbeitet wird, und einen extrem flachen Wurzelraum von nur 10 cm Tiefe annimmt (z.B. Radieschen, Spinat, Kopfsalat - Kohlarten als Kultur mit hohem N-Bedarf wurzeln etwa 40 cm tief), und zuletzt noch annimmt, dass bereits ab 40 °C das Gewebe der Wurzeln geschädigt wird (und nicht erst bei Temperaturen über 60 °C, bei denen Proteine üblicherweise denaturieren), gelangt man zu der These, dass eine bereits ziemlich hohe Gabe von 3 Litern Mist / m² mit 80 °C ein Volumen von 100 Litern Gartenboden mit derzeit höchstens 10 °C um 30 °C erwärmen müßte.

Damit wäre es endlich gelungen, den Energieerhaltungssatz zu widerlegen!

Kurzer Sinn: Ja, die Wärme, die Pferdemist während der Heißrotte entwickelt, wird zwar durchaus genutzt (z.B. in der klassischen Chicoree-Treiberei, die daher auch in Belgien entwickelt wurde, als dort noch Unmengen Pferdemist aus den Bergwerken in der Wallonie anfielen, aber auch im Frühjahr bei Kulturen, die sehr wärme- und stickstoffbedürftig sind wie Gurken und Kürbis), aber für Hitzeschäden an Wurzeln ist sie viel zu gering.

Das „Verbrennen“ von Kulturen durch zu hohe Nitrat-Konzentration in der Bodenlösung ist übrigens in Wirklichkeit ein Austrocknen, wenn das Konzentrationsgefälle und damit der osmotische Druck an den Wurzeln umgedreht wird - relativ häufig zu beobachten bei stolzen Rasenbesitzern, die, damit der Rasen auch richtig schäää wird, Kalkammonsalpeter oder „Blaukorn“ draufwerfen, bis kein grüner Halm mehr da ist.

Schöne Grüße

MM

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Vielen Dank für die Antworten!

Mit der Antwort von Hexerl kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Dass Pferdemist bei der Verrottung sehr heiß (> 60°C) werden kann, ist mir bekannt. Deshalb hatte ich im Vorfeld auch schon überlegt, ob das die Ursache sein könnte, weshalb frischer Pferdemist zu scharf ist und Wurzeln von Gemüsepflänzchen schädigen kann. Allerdings wird auch von Hühnermist behauptet, er sei scharf. Und der gilt als „kalter Mist“, weil bei seiner Verrottung keine hohen Temperaturen auftreten. Siehe: https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/duengen/duengen-mist-pferdemist-rindermist-huehnermist-kaninchenmist-100.html#sprung1
Urin wird ebenfalls als „scharf“ bezeichnet und bei dessen Verwendung kommt es mit Sicherheit zu keiner Temperaturerhöhung.

Die Argumentation von Aprilfisch erscheint mir da wesentlich schlüssiger.

Gruß
Kerni