Hi.
Deine Frage beruht auf einem häufigen Missverständnis des Satzes „Ich und der Vater sind eins“. Es geht hier nicht um eine Identität von ´Vater´ und ´Sohn´, sondern um eine Identität ihrer - sagen wir mal - Gesinnung. Soll heißen: Der Sohn hat die gleichen Ziele wie der Vater, beide verfolgen den gleichen Plan. Man könnte also sinngemäß übersetzen: „Ich und der Vater sind (uns) einig (d.h. wir stimmen überein)“. Es heißt ja wenige Zeilen vor besagter Stelle::
(Joh 10,25)
Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir.
Also kann Vers 10,30 unmöglich die Identität von Sohn und Vater bedeuten.
Laut theologischem Verständnis sind ´Vater´ und ´Sohn´ Teile einer höheren umfassenden Entität namens ´Gott´. Der dritte Teil ist der ´Heilige Geist´. Das Ganze nennt sich ´Trinität´. Die einzelnen Teilen werden auch ´Hypostasen´ genannt. Beim Konzil von Nicäa hieß es, dass Jesus aus dem Vater gezeugt wurde und daher das gleiche göttliche Wesen wie der Vater hat. Problematisch daran ist, dass Jesus vom alles hervorbringenden Gott, bei gleicher Wesenhaftigkeit, nicht zu unterscheiden wäre, was seiner Herkunft aus diesem Gott widerspräche, denn als Sohn ist er kein Alles-Erzeugender. Die Synode von Konstaninopel versuchte dieses Dilemma durch die Hypostasenlehre zu lösen, indem die göttliche Ganzheit (ousia) das gemeinsame Wesen seiner Hypostasen (Vater, Sohn, Geist) bildet. Vater, Sohn und Geist haben als Hypostasen also teil am umfassenden Wesen Gottes (ousia).
Chan