Das wird der wesentliche Effekt sein und bleiben. Ich weiß von einigen, die die verbilligte Monatskarte in dieser Zeit kaufen und nutzen wollen, aber das werden Experimente für Ausflüge sein. Man muss nämlich schon ziemlich viel konstruieren, damit die Fahrt zur Arbeit mit dem Auto billiger ist als eine Monatskarte. Entscheidend für die Nutzung des ÖPNV für Fahrten zur Arbeit ist also nicht der Preis, sondern es sind die sonstigen Umstände: Verfügbarkeit, Pünktlichkeit, Fahrtzeit.
Ich wohne hier in einer Stadt mit rd. 25.000 Einwohnern und einem Bahnhof. Die Entfernung zur Landeshauptstadt Düsseldorf (Hauptbahnhof) beträgt knapp 30 Kilometer, zu meinem Arbeitsplatz sind es zwei Kilometer mehr, wobei die Entfernung Arbeitsplatz <–> Hbf rd. 10 km beträgt.
Mit dem Auto benötigt man im allgemeinen 30 Minuten, im Winter zu Stoßzeiten vor Corona meist um die 45 Minuten. Mit dem ÖPNV ist die Strecke unter 1:30 nicht zu schaffen. Auf dem Hinweg kann man das und eventuelle Verspätungen noch hinnehmen wollen, aber auf dem Rückweg wäre eine gewisse Pünktlichkeit schon hilfreich, damit man zu Hause ist, wenn das ein oder andere Kind eintrifft. Also verließe ich das Büro natürlich nicht um 14 Uhr, wenn ich um halb vier zu Hause sein will, sondern (unter Berücksichtigung des Fahrplans) um 13:15. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, plane ich 45 Minuten ein, was immer reicht (auch bei Stau, weil es verschiedene Routen gibt) - also 14:45. Das sind bei fünf Arbeitstagen 7,5 Stunden pro Woche mehr Arbeitszeit. So viel billiger als heute kann eine Monatskarte gar nicht werden, um den Einkommensverlust auszugleichen.
Um den ÖPNV so zu optimieren, dass er auch auf dem Land bzw. zwischen Land und Stadt den Individualverkehr mit dem KfZ ersetzen kann, müsste er so weit ausgeweitet werden, so viele Umsteigemöglichkeiten bieten und so gut getaktet sein, dass er am Ende nichts anderes wäre als ein öffentlicher PKW-Verkehr (ich las mal ein Buch, in dem der Verkehr durch selbstfahrende, über in den Boden eingelassene Signalleitungen gesteuerte „Gondeln“ dargestellt wurde, die ihre Routen flexibel gestalten konnten; so in etwa müsste ein Konzept aussehen). Hinzu kommen aberwitzige Planungszeiten insbesondere beim Schienenverkehr. Schon in den 80ern diskutierte man über eine S-Bahn-Strecke zwischen Düsseldorf und Ratingen-West bzw. Lintorf. Die Bahnstrecke selber ist seit weit über 100 Jahren vorhanden und wird für den Güterverkehr genutzt. Bis 2030 will man nun ein erstes Konzept erstellen, wenn ich den aktuellen Stand richtig im Gedächtnis habe. Hier laufen ähnliche Diskussionen ebenfalls seit vielen Jahren, nur dass bei den Diskussionen übersehen wird, dass sich die Verkehrsströme in den letzten zehn Jahren durch neue Baugebiete dramatisch verändert haben und auch weiter verändern werden. Sofern es in 20 Jahren oder so eine S-Bahn geben wird, dann fährt die von unserem Dorf hier schlichtweg zur falschen Großstadt .
Kurz gesagt: das 9€ -Ticket ist dämliche Symbolpolitik und bringt auf Dauer exakt gar nichts.
Gruß
C.