Hallo,
zu Punkt 1.)
Beides ist berechtig und beides verwerflich. Im Folgenden werde ich versuchen, den Sachverhalt aus meiner Sicht möglichst nachvollziehbar darzulegen.
Warum scheiden sich die Geister, wenn es um Wikileaks geht?
Zumindest in Deutschland - ich vermute eigentlich in fast jedem westlichen Staat - fühlt sich einer großer Teil der Bevölkerung nicht ausreichend von seiner Regierung repräsentiert, was auch die wachsende Politikverdrossenheit zeigt. Manche Bürger wenden sich gar ganz gegen das System.
Den Hauptgrund mache ich für mich in der Tatsache aus, dass sich viele übergangen und nicht gefragt fühlen. Die Vermutung ist gebräuchlich, dass die Regierung ihr eigenes Ding dreht und „die da unten“ nicht an der Regierung des Landes beteiligt sind bzw. übergangen werden.
Wikileaks setzt diese Personen wieder mitten ins Bild und weckt ihre Hoffnung auf eine bessere Kontrolle der regierenden Politiker.
Und an genau dieser Sichtweise scheiden sich die Geister. Denn es gibt daneben noch eine andere Gruppe:
Die bereits genannte Gruppe ist der festen Überzeugung, dass die Demokratie sukzessive erodiert / nicht mehr vorhanden ist / nie vorhanden war, etc.
Sie befürwortet Wikileaks als Stärkung der Demokratie. Wobei unter diese Kategorie auch per se undemokratische Strömungen wie etwa Libertäre etc. fallen dürften.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die sich zwar der Mängel derzeitiger Regierungen bewusst sind, jedoch meinen, die Demokratie sei im Grunde genommen gewahrt und auch die politische Partizipation reiche aus. Diese sehen eine Bedrohung ihrer Demokratie in der Veröffentlichung eben jener vertraulichen Dokumente.
Und da diese beiden Gruppen aus völlig verschiedenen Sichtweisen aber trotzdem logisch argumentieren, wird es zwischen ihnen über kurz oder lang keine Einigung geben können.
Ob man Wikileaks gut findet, hat also komischerweise weniger mit Wikileaks zu tun, als mehr mit der Weltvorstellung, der man anhängt:
Versetzt man sich nun in die Lage der ersten Gruppe, ist das Sperren von Wikileaks zwangsläufig verwerflich, da es dazu beiträgt ein undemokratisches System zu etablieren.
Aus der Sicht der zweiten Gruppe ist es nur logisch, die Sperrung zu befürworten. Denn die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente ist quasi eine groß angelegte und öffentliche Spionageaktion.
Beide Seiten haben dieselbe logischen Schlussfolgerungen gezogen, nur aufgrund verschiedener Annahmen.
Zu Punkt 2.)
Nachdem alle Dokumente nicht öffentlich waren, ist die öffentliche Verbreitung der Daten sicherlich zumindest in den USA strafbar.
Zu Punkt 3.)
Die Gesetze, um die es sich handeln dürfte, sind wahrscheinlich allesamt US-Gesetze. Vielleicht gibt es ja auch internationale Vereinbarungen, die besagen dass etwa in Schweden oder GB die Weitergabe von US-Geheimnissen genauso geahndet werden, wie die Weitergabe der örtlichen Geheimnisse.
Wie Gesetze der USA beschlossen werden, steht wahrscheinlich auf einer ihrer Regierungsseiten, auf Wikipedia oder in einschlägigen Fachbüchern.
Nun zu meiner Meinung: Ich kann mich noch nicht ganz zwischen den beiden Gruppen entscheiden. Was mir jedoch negativ auffällt, ist dass durch die Veröffentlichung China, Russland und was-weiß-ich-noch-wem ein Bärendienst erwiesen wurde. Sollte Nordkorea herausfinden, dass die USA im Ernstfall doch nicht eingreifen würden, hätte das unmittelbare negative Konsequenzen. Soviel nur zu theoretischen Folgen.
Andererseits würde ich Wikileaks vollkommen befürworten, wenn es die Dokumente aller Staaten offenlegt. Schade nur, dass es scheinbar in demokratischen Staaten einfacher ist, die Daten zu beschaffen. Eine einseitige Veröffentlichung ausschließlich der westlichen Geheimnisse ist aber abzulehnen, da sie den Westen zu stark schwächen würde.
Zum Schluss noch zwei Fragen von mir:
a.) Woher wissen wir eigentlich, dass die Dokumente echt und unbearbeitet sind? Meint ihr wirklich, die USA würden alle anderen Inhalte verifizieren, indem sie sagen „Dokument XY ist komplett falsch und in Dokument YZ stimmt der zweite Paragraph nicht“?
b.) Außerdem noch eine Frage zu Assagne:
Was wollen die USA eigentlich von dem? Er ist zwar Gründungsmitglied aber im Endeffekt doch nur so etwas wie der Pressesprecher von Wikileaks, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Und warum haben die USA Interesse daran, aus ihm einen Märtyrer zu machen?
Mit freundlichen Grüßen,
DaBenn
P.S.: Wer hat überhaupt Wikileaks schon GENAUER angesehen, d.h. mehr als nur ein, zwei mal überflogen, sondern gezielt Infos etwa für eine Hausarbeit o.ä. herausgesucht?
Ich nicht, obwohl ich es sollte…