Willen aufzwingen

Die Ansprüche, die du an diese 88-jährige Dame stellst, sind eindeutig zu hoch.

Hallo Wolfgang,

in welcher Handlungsweise der Oma siehst Du eine demenzielle „Erkrankung“?

Ich sehe nur eine alte Frau, die noch Einfluß haben möchte und dies durch ihre Bestimmungen auch fordert. Ich sehe nichts Realitätsfremdes an ihr. Sie ist offenbar eine willensstarke Persönlichekeit, die sich, bedingt durch die Umstände, in einen Personenkreis begeben musste, den sie sich offensichtlich gar nicht ausgesucht hat…jedenfalls wissen wir nichts davon.

Die Klagen der Enkelin beziehen sich auf Störungen wie: „Nicht richtig abgewaschen“: kann es nicht einfach sein, dass die Oma nicht mehr gut sieht? (das war bei meiner Mutter so).

Genauso wie das Thema „Kein Essen wegwerfen“. Die Großmutter kommt aus einer Zeit, wo Essen kostbar war und man sich nicht sicher kein konnte, am nächsten Tag satt zu werden. Man könnte davon lernen, finde ich.

Alles andere würde ich unter Ringen nach Bedeutung einsortieren, aber niemals als Demenz oder krankhafte Etnwicklungen, die ein Heim rechtfertigen könnten, es sei denn, die Oma möchte selbst dorthin.

Schönen Gruß, Sylvia

Hallo,

wir hatten auch iene ganze Zeit unsere Oma im Haus meiner Eltern, bis sie so dement wurde, das es leider nicht mehr ging. Anfangs aber kannten wir diese Probleme auch, und waren dann bei einer Beratungsstelle.

Praktisch war es dann so, das wir Oma echt beschäftigt haben. Wäsche legen, Socken sortieren, Kartoffeln schälen, Erdbeeren säubern , etc, sowas in der Richtung.

Dieses einmischen (mein Bruder sollte auch ständig zum friseur, lach) haben wir mit Humor genommen und nicht diskutiert. Ganz oft kam dann der Kommentar von uns „sind halt andere Zeiten, ist ne andere Mode“.

Wir haben ganz bewusst sie zu vielen Dinge auch mitgenommen, Einkaufen zB wenn die Zeit es zuliess, und sie aber auch „abgegeben“, zwar nicht ins Bällchenbad bei Ikea, aber sie zu Verwandten gefahren, zum Handarbeitstreff, zum Chor, so das man man Zeit alleine hatte. Auszeiten sind wichtig!!

Eine Freundin von mir hat ihre Mutter übrigens in der Tagespflege.

Das Essen war auch ein Problem, schließlich haben wir es so gemacht, das wir Reste eingefroren haben und dann irgendwann entsorgt haben , oder das Oma dann die Reste abends zum Abendbrot bekam bzw am nächsten Tag. So war sie glücklich, es gab keinen stress.

Lg

Brenna

Miteinander reden
Servus,

dieses hier:

Ja ich denke auch, dass das mit dem Essen daran liegt, dass es während des Krieges wenig Nahrung gab

zeigt, dass Ihr offenbar sehr wenig miteinander redet - sonst hätte Dir die Großmutter ziemlich wahrscheinlich bereits irgendwann erzählt, wie das wirklich war. Vor allem auch, weil sich in diesem Alter die persönlichen Themen stärker in Richtung Vergangenheit orientieren.

Während des Krieges war bis zuletzt die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet - freilich mit Einschränkungen, viele Dinge gab es nicht oder nur in schlechter Qualität, zum Ende hin gab es oft nur Kartoffeln oder Rüben, aber hungern mussten im Reichsgebiet während des Krieges „nur“ Häftlinge und Fremdarbeiter. Die große Hungersnot begann mit der Ernte 1945 und dauerte etwa bis Sommer 1947. Selbst in der relativ gut versorgten amerikanischen Zone hätte es ohne die Hilfslieferungen der Quäker richtig viele Hungertote gegeben.

Es ist extrem schwierig, mit Leuten der kollektiv traumatisierten „sprachlosen Generation“ persönlich zu reden - zumal in Familienstrukturen noch alle möglichen anderen Hemmungen dazu kommen. Aber das miteinander Reden ist hier ein Schlüssel zum gegenseitigen Respekt: Gib der Großmutter die Möglichkeit, zu erzählen, warum es ihr so zuwider ist, wenn Essen weggeworfen wird; schaffe Dir die Möglichkeit, ihr zu erzählen, warum Du kein Fleisch essen magst usw. - versucht, miteinander zu reden. Ohne besonderes Ziel, ohne besondere Struktur, einfach so. Das kann mit älteren Leuten, die viel Zeit mit sich haben, recht anstrengend sein, weil es dauert und auch, weil bei Leuten aus der sprachlosen Generation leicht der Eindruck entsteht, sie würden durch ständige Wiederholung von Nebensächlichkeiten immer nur im Kreis herum reden. Aber es hilft, versprochen!

Im Idealfall kommt Ihr dabei sogar dazu, dass sie sich irgendwann früher oder später verabschieden kann, und Du nicht hinterher das Gefühl hast, es wäre noch so viel Unerledigtes und Unausgesprochenes offen. Aber wie gesagt, das soll kein Programm sein - allenfalls ein erfreulicher Nebeneffekt.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Hallo Brenna,

vielen Dank für Deine Erfahrungsgeschichte mit Deiner Oma. Es ist wirklich beruhigend zu hören, dass meine Situation kein Einzelfall ist.

Ich werde mich auf jeden Fall auch im Seniorentreff unserer neuen Wohngegend beraten lassen, wenn wir umgezogen sind. Wie ihr die Probleme gelöst habt finde ich richtig toll. Wir werden mal alle (Oma, meine Tochter und ich) beraten, wie wir uns den Haushalt in der neuen Wohnung aufteilen. Die Sachen, die Oma machen kann und auch mag, soll sie dann ruhig auch machen, wenn es ihr nicht zu anstrengend ist oder eben wegen ihrer Schmerzen nicht geht.

Das alles ist halt auch Neuland für mich, mich um einen älteren Menschen zu kümmern, bisher hatte ich nur mit Kindern zu tun. Und es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen :smile:

Viele Grüße
Tanja

Hallo liebe tanja!

hab jetzt nicht alles gelesen, nur 2 sachen:

meine oma ist eine light-version von deiner, weil noch 10 jahre jünger, aber ich erkenn uns in deiner schilderung stark wieder
(einmal hat sie auf meinem komposthaufen herumgeschnüffelt, eine verschimmelte tomate herausgenommen, die samen getrocknet und angebaut und die tomate nach mir benannt. ja ich weiß, nachkriegsgeneration, aber trotzdem… mein kompost! :smile:

und: hol dir hilfe bzw. spricht mit jemand, der ausgebildet ist für demente personen. sonst erklärst du dich zu tode.
kürzlich im seniorenheim sah ich ein „haltestellen-symbol“ neben einer couch. dachte mir nichts dabei, bis eine ältere dame darauf drängte: sie will zur haltestelle! statt lang hin und her zu erklären, warum das nicht geht, setzt man sie auf die couch mit dem haltestellen-wimpel und sie war rundum happy! auf sowas kommen wir normalos eben nicht immer gleich :smile:

wünsche dir viel kraft,
lg birgit

edit:
ok, hab das mit „dement“ aus einem anderen posting aufgeschnappt und falsch interpretiert, sorry. nehm ich zurück, will keine ferndiagnose aufstellen.

lg birgit

Nur mal so wieder…
…einen Applaus für Dich, dass Du Dir soviel Gedanken machst und diese Bürde eingegangen bist!

Respekt!