Hallo,
ich kümmere mich zur Zeit um meine Oma, 88 Jahre alt. Vorher lebte sie mit meiner Mutter zusamen, aber diese wurde jetzt selbst pflegebedürftig. Nun haben wir es so aufgeteilt, dass sich mein Bruder um meine Mutter kümmert, ich habe unsere Oma zu mir geholt, denn in ein Heim soll sie definitiv nicht.
Mittlerweile hat Oma aber das Regiment bei uns übernommen, wenn ich es mal so nennen darf. Sie versucht allen ihren Willen aufzuzwingen. Meine Tochter (16 Jahre alt) nimmt das ganz locker und sagt „Ja, ja, Oma, passt schon.“ und sucht dann schnell das Weite und zieht sich so aus der Affäre. Ich dagegen werde schnell genervt und so kommt es fast täglich zu Machtspielchen. Hier mal ein paar Beispiele:
Meine Oma hat sich ein Wurstbrot gemacht und fordert mich auf auch eines zu essen, weil Wurst so gesund ist (sagt meine Oma). Ich sage „Nein, du weißt doch, dass ich Vegetarierin bin“ und Oma wiederholt im Laufe des Vormittags 6x ihre Aufforderung ich solle doch auch ein Wurstbrot essen, weil soviel Wurst im Kühlschrank ist und sie sonst schlecht wird. Beim sechsten Mal reichts mir und ich werde sauer und laut, sage ihr, sie soll gefälligst respektieren, wenn ich „nein“ sage. Daraufhin ist sie beleidigt, fängt an zu weinen und sagt: „Ich meine es doch nur gut.“
Oft geht es bei solchen Streitereien ums Essen oder drumherum. Zum Beispiel will sie immer das Geschirr spülen, obwohl sie wegen Osteoporose Schmerzen in den Armen hat und eigentlich körperlich gar nichts mehr machen sollte. Ihr ist langweilig und sie will gebraucht werden. Das verstehe ich natürlich. Also darf sie jetzt abspülen, wenn es nicht viel zu spülen gibt. Aber viele der Sachen sind nach dem Abspülen noch schmutzig und ich muss alles nochmal spülen. Wenigstens haben wir Oma schon soweit gebracht, dass sie das noch dreckige Geschirr nach dem Abspülen nicht in die Schränke einräumt, sondern auf dem Tisch stapelt, so dass ich es nochmal nachspülen kann.
Auch regt sie sich immer schrecklich auf, wenn ich Reste wegwerfe. Wenn ich nicht schnell genug reagieren kann, sammelt sie die Reste von den Tellern in ihrem Teller und ißt alles auf, selbt wenn sie schon satt ist. Deshalb ist es mittlerweile schon 2x vorgekommen, dass ihr am Abend total schlecht war und sie sich in der Nacht übergeben musste. Besonders schlimm ist es, wenn wir in einem Restaurant essen. Dort kann ich die Portionen nicht vorher abschätzen und für sie ist es ein Unding das „schöne Essen“ zurückgehen zu lassen und bekundet das auch lautstark, bzw. schimpft dann minutenlang vor sich hin, so dass wir zur Belustigung der anderen Gäste beitragen.
Eine andere „Unart“ von ihr ist, dass sie überall „rumkramen“ muss. Sie schaut in alle Schränke und wühlt herum. Weiß der Kuckuck was sie zu finden hofft.
Zur Zeit ist sie auch auf dem Frisörtripp. Täglich nervt sie mich, ich solle mir die Haare schneiden lassen. Dabei gefallen mir meine Haare so, wie sie sind. Aber jeden Tag die selbe Leier: „Komm, gehen wir zum Frisör. Du musst dir deine Haare mal wieder schneiden lassen.“.
Ich komme mir mittlerweile von meiner 88 jährigen Großmutter bevormundet vor. Ich tue alles, damit sich meine Oma bei uns wohlfühlt und vermeide alles meine Oma zu bevormunden. Sie wird in alle Entscheidungen mit einbezogen, darf ihre Wünsche bei der Speisenzusammenstellung, bei Unternehmungen und Ausflügen usw. äußern. Aber sie glaubt mir (und meiner Tochter) andauernd sagen zu müssen, was ich zu tun und zu lassen habe, wie wir unser Leben zu gestalten haben, wann wir ins Bett gehen sollen, was wir anziehen sollen, wie wir unsere Haare zu tragen haben usw. usf. und das frustriert mich jetzt nach kurzer Zeit schon total.
Hat jemand Tipps für mich, wie man mit solchen Senioren umgeht? Ich weiß, groß ändern werden wir Oma nicht mehr können, aber vielleicht hat jemand Tipps, wie ich am besten reagieren könnte, um Konflikte zu vermeiden, aber dennoch nicht das Gefühl zu haben, dass ich in solchen Situationen machtlos bin. Mit meiner Oma vernünftig reden bringt überhaupt nichts, sie ist für Kritik völlig unempfänglich, „sie meint es ja nur gut“ und fühlt sich unverstanden, ist dann oft stundenlang beleidigt, packt ihre Koffer und packt sie erst wieder aus, wenn ich mich bei ihr entschuldige. So kann das nicht auf Dauer weitergehen und bin deshalb für jeden Input, jede Erfahrung und jeden Tipp dankbar.
Tanja
P.S. Sorry für das lange Posting