Hi René,
Du sprichst eine der ältesten Fragen/Problemstellungen der Kosmologie- und Philosophiegeschichte an. Eine vollends schlüssige Antwort wirst Du nicht bekommen (und ich halte mich im Folgenden eher im philosophischen Bereich auf).
Vorneweg: „Wenn es etwas von Anfang an gab stellt sich die Frage woher es denn gekommen ist, von nichts kommt schließlich nichts.
Daraus schlies ich das am Anfang nichts da war, also = 0.“ Der Schluss ist nicht logisch. Unter der Annahme „Von/aus Nichts kommt nichts“ und der Feststellung eines existierenden Etwas (das Universums oder Du z.B.) müsstest Du vernünftigerweise schließen, (irgend)etwas war schon immer da (sonst könntest Du ja nicht da sein). Wenn man von allem einen Anfang sucht, trifft man auf einen infiniten Regress. Was war der Grund für den Grund für den Grund… ? Aristoteles geht dem z.B. aus dem Weg durch das Postulat eines ersten unbewegten Bewegers – der IST einfach (ohne „Grund“). Schon viele Vorsokratiker haben den von Dir erwähnten Satz erkannt: aus Nichts kommt nichts – sie schlossen nun, dass es weder Entstehen noch Vergehen geben kann, denn das würde Entstehen aus dem Nichts und Vergehen ins Nichts bedeuten. All das beobachtbare (scheinbare) Werden und Vergehen sollte nun einfach eine Art Umwandlung/Neuordnung des bereits Vorhandenen sein.
Da hier im Brett (Ulf hat auch auf den Astronomieartikel verwiesen) der grundlegende Satz „Aus (dem) Nichts wird nichts“ anscheinend immer wieder bestritten wird und erst einmal „bewiesen werden soll“: das verbietet allein schon der 1. Satz der Thermodynamik. In diesem Zusammenhang sind die ganzen Energieerhaltungssätze zu nennen, die (ich habe sie oben erwähnt) auch schon bei den Vorsokratikern eine Rolle gespielt haben. Der Vollständigkeit halber sollte man aber ein wenig differenzierter arbeiten: in den besagten Artikeln wird immer wieder sehr schlampig mit dem „Nichts“ umgegangen. Das philosophische (und je nach Betrachtung theologische) Nichts ist etwas anderes als das physikalische Nichts. Auf der einen Seite haben wir abstrakt die Abwesenheit von Sein, auf der anderen Seite z.B. das Quantenvakuum mit all seinen schönen Fluktuationen. Am Ende werde ich nochmal auf ein paar „Nichts-Konzeptionen“ eingehen…
Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: solltest Du damit Deine/unsere Existenz nun logisch nicht ableiten können, wundert das nicht. Die Kategorien menschlichen Denkens sind unter Umständen nicht dazu da, über die prinzipielle Möglichkeit der eigenen Existenz ABSCHLIESSEND aufklärend zu wirken. Dies bezieht sich sowohl auf logische, als auch auf empirische (kosmologische, physikalische) Probleme. Das menschliche Dilemma tritt schon bei den immer wiederkehrenden Fragen nach einem „Davor“ des Urknalls oder dem „Worin“ der Expansion des Universums auf. Der Mensch liebt es, in den Kategorien Raum, Zeit und Kausalität denken (was ihm aus evolutionsbiologischer Sicht auch viel gebracht hat). Diese Fragen sind aber sinnlos – und das per se: sie sind prinzipiell falsch gestellt (und nicht nur aus möglicherweise handfesten physikalischen Gründen, wie die Frage nach einem „Davor“ im Falle eines singularitätsfreien Universums).
So kann ich, ein letztes Mal auf Deine Eingangsfrage zurückkommend und diese mit Leibniz verbindend, Dir in Bezug auf die alte Frage „Warum ist Etwas und nicht (vielmehr) Nichts“ auch nur sagen: die Frage ist falsch gestellt (vgl. z.B. Grünbaum, Kanitscheider) und weist möglicherweise auf ein Scheinproblem. Das Nichts ist nicht so problemlos möglich, wie die Existenz von Etwas.
Die Erklärung: Prinzipiell könnte man sich leicht vorstellen, dass nichts von dem wäre, was ist, dass also nichts bzw. das Nichts ist. Nun, dieses Nichts soll ja tatsächlich nichts sein – also wären z.B. der bloße Raum (egal in welcher Newtonschen, Leibnizschen, Einsteinschen oder Wheelerschen Variante) oder das Vakuum (vgl. Quantenfluktuationen) für ein solches Nichts ungeeignet, da sie immer noch über viel zu viel Struktur/“Substanz“ verfügen. Die mathematische leere Menge {}=(x:x≠x) kommt unserem geforderten Nichts dagegen sehr nahe. Nun wollen wir aber, dass dieses Nichts nur möglich wäre, genauso möglich wie die Tatsache, dass es etwas gibt (denn uns gibt es nunmal). Das geht aber nicht: das Nichts MUSS sein, das Gegenteil kann schon aus der Definition heraus NIE erfüllt sein. Folglich ist das Nichts nicht (so leicht) möglich wie das Sein möglich ist, das ist.
Gruß