Wir verraten das amerikanische Volk

(Der Offene Brief ist schon einige Tage alt. Falls der folgende Hinweis bereits hier gepostet worden sein sollte, bitte ich um Entschuldigung.)

Der US-Diplomat John Kiesling, bis dato politischer Berater in der amerikanischen Botschaft in Athen, hat gegenüber Aussenminister Colin Powell seinen Rücktritt in einem Offenen Brief erklärt:

**Sehr geehrter Herr Außenminister, hiermit erkläre ich meinen Rücktritt vom diplomatischen Dienst der Vereinigten Staaten und von meinem Amt als politischer Berater in der amerikanischen Botschaft in Athen. Es ist ein Schritt, der mir sehr schwer fällt.

Bis zur Amtsübernahme der gegenwärtigen Regierung glaubte ich daran, dass ich mit der Politik des Präsidenten auch die Interessen des amerikanischen Volks vertrat. Daran glaube ich nicht mehr.

Unsere Politik ist nicht nur unvereinbar mit amerikanischen Werten, sondern auch mit amerikanischen Interessen. Mit unserem unermüdlichen Drängen auf einen Krieg gegen den Irak verspielen wir die internationale Reputation, die seit Woodrow Wilson Amerikas wirksamste Waffe war. Wir sind dabei, das weitreichendste und effektivste Netzwerk internationaler Beziehungen zu zerstören, das es je gab. Unser Kurs wird zu mehr Instabilität und Gefahr führen, nicht zu mehr Sicherheit.

(…)**

Vollständiger Text unter: http://www.das-gibts-doch-nicht.de/seite1422.php

Marco

Hallo Marco,

auch wenn Du keine Frage gestellt hast, eine kleine Bemerkung zum Text:
Nestbeschmutzer gibt es überall. Wenn ich kündige bzw. von irgend etwas zurücktrete, muss ich das nicht in einem offenen Brief erklären.

Gruß, Joe

Nestbeschmutzer gibt es überall. Wenn ich kündige bzw. von
irgend etwas zurücktrete, muss ich das nicht in einem offenen
Brief erklären.

Wieso wird immer derjenige als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet, der auf den Dreck hinweist, nicht der der ihn produziert hat?
Wenn interne Kritik nicht gehört wird, dann hat ein anständiger Mensch geradezu die Pflicht diese öffentlich zu äußern.

LG
Stuffi (der sich mehr „Nestbeschmutzer“ wünscht)

Hallo Stuffi

Wieso wird immer derjenige als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet,
der auf den Dreck hinweist, nicht der der ihn produziert hat?

Gute Frage. Ist halt so´n Ausdruck.

Wenn interne Kritik nicht gehört wird, dann hat ein
anständiger Mensch geradezu die Pflicht diese öffentlich zu
äußern.

Hat er vorher interne Kritik vorgebracht? Dies ging aus dem Artikel nicht hervor. Wenn ich als Angestellter etwas an meiner Firma auszusetzen habe, gehe ich zum Chef und nicht an die Öffentlichkeit.
Aber wahrscheinlich wird die Meinung eines untergeordneten Beamten hier überbewertet. Es passt halt so schön ins Konzept: Selbst ein Amerikaner kritisiert Amerika. Super, echt.

Gruß und schönes Wochenende,
Joe

Hallo Jörg!

Hat er vorher interne Kritik vorgebracht? Dies ging aus dem
Artikel nicht hervor.

Ich weiss das auch nicht! Natürlich wäre es korrekt gewesen. Aber: hätte ihm da wer zugehört?

Ich weiss auch nicht, ob er seinen Rücktritt nicht zuerst dem US-Aussenministerium mitgeteilt hat und erst dann der Oeffentlichkeit. Dann wäre es m. E. vollkommen korrekt gewesen, auch wenn zwischen den beiden Briefen nur wenige Sekunden lägen.

Wenn ich als Angestellter etwas an
meiner Firma auszusetzen habe, gehe ich zum Chef und nicht an
die Öffentlichkeit.

Wenn der Chef Deinen Vorschlag aber ablehnt oder überhaupt nicht ernsthaft anhört? Wenn es Dir reicht und Du kündigst, weil Du keinen anderen Ausweg siehst? Selbstverständlich bringst Du es dann an die Oeffentlichkeit. Ich sehe das sogar als moralische Pflicht an. Nur durch negative Publicity können die Verursacher oftmals zur Vernunft gebracht werden (ist nicht nett, aber leider Realität)!

Aber wahrscheinlich wird die Meinung eines untergeordneten
Beamten hier überbewertet.

Untergeordnet ist er wahrscheinlich nur dem Minister gewesen. Beamter ist er auch nicht mehr. So gesehen ist das die Meinung einer Privatperson. Was die Presse daraus macht, bleibt ihr überlassen.

Es passt halt so schön ins Konzept:
Selbst ein Amerikaner kritisiert Amerika. Super, echt.

Es ist eine Meinung. Unabhängig davon, ob die allen ins Konzept passt oder nicht, gilt in Europa Meinungsfreiheit. Natürlich nutzen die Gegner von Bush und Co. das aus und bedienen sich der Aussagen.
Aber das entspricht dem, was die US-Medien auch machen. Er ist nicht der einzige, der die Meinung vertritt, dass die grossen US-Sender (vor allem Fox) die öffentliche Meinung in den USA massiv zu Gunsten der Vereinigten Staaten und deren Präsidenten verschieben.

Warum sollen deutsche Medien nicht auch den Kurs, den das deutsche Volk (gilt ebenso für Frankreich, Belgien, Oesterreich, Schweiz…) will, mit Argumenten und - persönlichen - Meinugen untermauern. In Oesterreich will der Rundfunk schliesslich auch immer verbreiten, was Jörg Haider denkt (der vergelichsweise noch viel weniger ist als ein US-Botschafter in Griechenland).

Gruß und schönes Wochenende,

Dem schliesse ich mich an,
Bernd

 

Hallo Jörg!

Hat er vorher interne Kritik vorgebracht? Dies ging aus dem
Artikel nicht hervor. Wenn ich als Angestellter etwas an
meiner Firma auszusetzen habe, gehe ich zum Chef und nicht an
die Öffentlichkeit.

Für jeden Menschen gibt es einen Punkt, an dem er das, was er bis jetzt gutgeheissen hatte, nicht mehr mit sich vereinbaren kann, wenn für ihn bestimmte Grenzen überschritten sind. Deshalb ist nicht auszuschliessen, dass er mir-nichts-dir-nichts seinen - sicherlich nicht schlechtbezahlten - Job hingeschmissen hat.
    Aber sei doch mal ehrlich. Wenn Du zu Deinem Chef gehst, glaubst Du tatsächlich, er wird sich ausgerechnet um Deine Meinung bzw. wird sich die US-Administration um die Kritik eines - wie Du ihn nanntest - untergeordneten Beamten scheren? Selbstverständlich dann nicht, wenn Dein Chef bzw. diese Regierung andere Pläne haben und Deine Kritik unerwünscht ist.
   Was würde beispielsweise wohl jemand tun, dem lebensbedrohende Missstände in der Firma auffallen und der den Chef darüber informiert, den es aber überhaupt nicht interessiert. Klappe halten, weiter arbeiten und die Gefahr eingehen? Klappe halten, kündigen und andere weiter der Gefahr aussetzen? Oder vielleicht doch den… Nestbeschmutzer spielen?

Marco

Also echt…
Wer heute noch glaubt, dass die Beschwerden eines einzelnden US-Botschafters den Kurs der Bush-Regierung auch nur periphär beinflussen könnte, der hat entweder noch nichts von den Debatten im UN-Sicherheitsrat mitbekommen, wo ganze Länder ihre Kritik äußern, noch von den Demonstrationen, die rund um den Globus stattfinden (auch in den USA) oder er hat es schlichtweg nicht verstanden, DASS DER KRIEG AUF JEDEN FALL KOMMT!!!
Es ist vollkommen egal was irgendwer auf der Welt davon hält, solange die US-Regierung sich ihrer Sache sicher ist, wird sie sich durch Nichts und Niemanden davon abringen lassen. Nicht durch Freunde, nicht durch Feinde und auch nicht durch die UNO.
Der Rücktritt des Botschafters war die logische Handlungskonsequenz seiner Überzeugung.

Gruss!

Der Michael

steter Tropfen…
Hallo,

Wer heute noch glaubt, dass die Beschwerden eines einzelnden
US-Botschafters den Kurs der Bush-Regierung auch nur periphär
beinflussen könnte, der hat entweder noch nichts von den
Debatten im UN-Sicherheitsrat mitbekommen, wo ganze Länder
ihre Kritik äußern, noch von den Demonstrationen, die rund um
den Globus stattfinden (auch in den USA) oder er hat es
schlichtweg nicht verstanden, DASS DER KRIEG AUF JEDEN FALL
KOMMT!!!
Es ist vollkommen egal was irgendwer auf der Welt davon hält,
solange die US-Regierung sich ihrer Sache sicher ist, wird sie
sich durch Nichts und Niemanden davon abringen lassen. Nicht
durch Freunde, nicht durch Feinde und auch nicht durch die
UNO.

diese fatalistische Einschätzung trifft zwar derzeit den Kern der Sache, greift m.E. aber zu kurz. Blair kommt derzeit in Schwierigkeiten, weil es etliche derartige „Nestbeschmutzer“ gibt. Bush dann allein gegen den Rest der Welt? Natürlich möglich, aber nicht wirklich für ihn einfacher.

Ich war gerade quasi drüben. Die Umfrageergebnisse in der US-Bevölkerung sind phantastisch für Bush und katastrophal für die UNO. Sie kommt auf die schlechtesten Zustimmungswerte seit der Gründung! Die Bush´sche Meinungsmaschine funktioniert. Inzwischen glauben 51% der US-Amerikaner, daß Hussein an den 9/11-Attacks beteiligt war, obwohl das niemand behauptet hat (CNN/USA Today/Gallup-Umfrage von Montag).

Eigentlich sind die Amis gar nicht mal so sehr für einen Krieg und sie hätten ihn auch lieber mit UN-Mandat, aber dennoch: Little Bush laufen sie derzeit hinterher, wie hinter einem „all for free“-HotDog-Stand.

Derzeit ist nichts imstande zu den Cola-durchspülten Hirnen der Amerikaner durchzudringen, was sie davon abbringen könnte, daß Bush „Gods own country“ in die richtige Richtung führt.

Und solange das so ist, müssen wir um jedes noch so kleine Licht dankbar sein - und wenn es der US-Botschafter in Burkina Faso ist-, das seine Kritik öffentlich und deutlich äußert.

Derzeit wird alles von den Amis ferngehalten, das darauf hindeutet, daß die Kritik eben nicht nur von der axes of weasel und den früheren Reich des Bösen kommt (z.B. wurden etliche Stars nicht zu den Oscar-Feierlichkeiten eingeladen, die sich zu einem Krieg oder Bush kritisch äußern). Genau aus diesem Grund brauchen wir vermeintlich belang- und sinnlose Aktionen.

Um es klar zu sagen: Die Nachrichten(sender) in den USA berichten neutral und nicht pro-Bush, wie man meinen sollte. Aber sie haben nun einmal kaum anderes zu berichten, als das was die Regierung von sich gibt. Defätistische Meinungen - wie der genannte offene Brief - werden treudoof auch gebracht, aber solange sie eben in der Unterzahl sind, fallen sie bei den inzwischen fast stündlichen Reden von Rice, Fleischer, Powell, Rumsfeld und Bushibaby schlichtweg unter den Tisch.

Die Welt dort drüben funktioniert nun mal anders. Dort wird noch sehr viel weniger selbständig gedacht als schon bei uns. Politics by information overflow. Derjenige hat recht, der am häufigsten gezeigt wird.

Hundert offene Briefe von Regierungsangestellten würden mehr in der amerikanischen Meinung bewirken, als eine lautstarke Rede von Putin, Chrirac oder Joschka.

Gruß
Christian