Wirklichkeit

Hallo!

Dieser Thread ist ein Ableger des Hawking-Threads. Ich lieferte mir dort eine Diskussion mit ambival, die drohte, ins Offtopic abzurutschen. Daher habe ich beschlossen, aus dem Offtopic ein Topic zu machen:

Zwei Aussagen von ambival finde ich besonders interessant:

„Die Welt wird nicht einfach erfasst oder erkannt, sondern durch den menschlichen Geist geformt und erst strukturiert.“

Hier geht es um die Hierarchie der Erkenntnis: Steht der Geist bei der Erkenntnis über der Wirklichkeit oder umgekehrt? Etwas konkreter: Ist Wirklichkeit das Bild, das sich unser Geist von seiner Umwelt macht, oder ist Wirklicht das, wovon sich der Geist ein Bild macht? (Ich habe dazu eine klare Meinung, aber mich würden zunächst Eure Meinungen interessieren).

Zweite Aussage von ambival:
"Denn es gibt keine Verpflichtung, die Welt so zu erfassen, wie Du das gerne möchtest.

Mir geht es nicht um mich als Person und meine persönliche Weltsicht. Mir geht es darum, inwieweit Erkenntnis universell, also auf andere Menschen übertragbar ist. Wo verläuft die Grenze, bis zu der man noch objektiv sagen kann: „A ist wahr und Nicht(A) ist falsch“? Ab wann steht Meinung gegen Meinung?

Bin gespannt auf Eure Antworten!

Michael

Hallo Michael,

A Ist Wirklichkeit das Bild, das
sich unser Geist von seiner Umwelt macht, oder
B ist Wirklichkeit
das, wovon sich der Geist ein Bild macht?

Ich tendiere zu
‚Die Wirklichkeit‘ sind für mich physikalische und chemische Gesetze in diesem Universum.
Weiter hat jeder hat seine eigene Wirklichkeit, abhängig wie er diese Konstanten interpretiert.
Z.B. ‚rot‘ von uns eine entsprechende Wellenlänge genannt ist für mich am dichtesten an der Wirklichkeit wie möglich.
was DU aber bei dieser Wellenlänge empfindest, werde ICH nie genau wissen können und umgekehrt.

Ich habe inzwischen meine Schwierigkeiten mit dem Begriff ‚Geist‘. Das suggeriert etwas ‚selbständiges‘, das es imo nicht gibt.

Zweite Aussage von ambival:
"Denn es gibt keine Verpflichtung, die Welt so zu erfassen,
wie Du das gerne möchtest.

„A ist wahr und Nicht(A) ist falsch“?
Ab wann steht Meinung gegen Meinung?

wie sollte man sie sonst erfassen? Endet das nicht in der ‚haben wir einen freien Willen‘-Diskussion.
Selbst, wenn jemand ‚beschließen‘ sollte die Welt anders zu erfassen, woher käme der Wunsch und dies zu tun? Hat man z.B. bei der Folie 53
www.w-weitensfelder-chirurg.at/…/ScienceWeek2002-S…
in den schwarz-weißen Flecken den Dalmatiner einmal erkannt, wird man nicht mehr ‚keinen Dalmatiner‘ mehr sehen können.
Mir gelingt das wenigstens nicht.
gruss…lux

Wirklichkeit - objektiv vs. intersubjektiv
Eigentlich wollte ich mich aus dieser Diskussion heraushalten. Wo ein „Eigentlich“, da auch ein „Aber“. Es geht in der Debatte, so meine ich, nicht um ein „entweder – oder“, sondern um ein „sowohl als auch“. Ist das ein fauler Kompromiss?
Naturgesetze, Empirie etc. sind schon wichtig und stellen eine echte Erleichterung da bei der Strukturierung der Welt. Und gerade in der Physik hat sich in den letzten einhundert Jahren viel getan. Man spricht wohl zu Recht vom Paradigmenwechsel, den die Quantenphysik bewirkt hat. Unser Alltagsdenken ist aber immer noch von Newton und seiner klassischen Mechanik bestimmt. Das ist auch nicht so schlimm, denn im Alltag reicht die völlig aus. Erklärt man nun aber die klassische Mechanik zur allein selig machenden Physik, schütteln die Quan-tenmechaniker den Kopf. Es gibt also einen echten Fortschritt in Sachen Naturgesetze. Auch die Quantenphysik ist nicht der Weisheit letzter Schluss.
Wie ist sie denn nun, die physikalische Wirklichkeit? Oder gibt es mehrere Wirklichkeiten? Kommt es eventuell auf Kontexte an? Vielleicht ist es ein Trost: Als Planck seine Erkenntnisse publizierte, fand selbst Albert Einstein, der kurz zuvor die Relativitätstheorie aufgestellt hatte, dass die Quantenphysik falsch und unverständlich sei.
Worum es aber hier und heute geht: Es kommt auf den Weltbezug an. Als Naturwissenschaftler kann man (ganz im Sinne von Descartes und Newton) die Welt vermessen, beobachten und beschreiben. Empirie und Statistik können überaus hilfreich sein. Für die Philosophie ist das aber nur bedingt interessant. (Es sei denn, man verwechselt Philosophie mit Philosophiegeschichte.) Wirklichkeit ist immer mit Sinn verknüpft. Sinn ist aber keine empirische Größe, sondern wird intersubjektiv in der Lebenswelt (Husserl, Schütz, Habermas) vermittelt.
Es ist also der Mensch, der – weil er immer schon in einem Sinnhorizont steht – Sinn an das Sein heranträgt und so die Wirklichkeit intentional konstruiert. Keine Sorge: Das ist kein beliebiges oder willkürliches Handeln, sonst würden wir alle in der Psychiatrie sitzen.
Ich wiederhole mich: Das Ding an sich (was immer das auch sein mag) ist nicht besonders interessant. Es kommt auf die Deutung und den Sinn an, der sich damit verbinden lässt. Wenn Physiker also darüber streiten, ob das UNIVERSUM endlich oder unendlich ist, und ob da ir-gendwo Raum für Gott sein könnte oder auch nicht, geht das weit, sehr weit, über die Physik hinaus, sondern zeigt, dass es immer auch um Sinn und intendierte Wirklichkeit geht.
Uuuups. Das war jetzt sehr lang :wink:

Hallo!

Zwei Aussagen von ambival finde ich besonders interessant:

„Die Welt wird nicht einfach erfasst oder erkannt, sondern
durch den menschlichen Geist geformt und erst
strukturiert.“

Das würde bedeuten, dass du mit deinem Geist z.B. einen Baum formen kannst.
Das musst du nun unter kontrollierten reproduzieren können, dann kann man dir das abnehmen. Ich bin gespannt :wink:
Oder was ist gemeint mit Welt „formen“?
IMHO kann der/dein Geist die physische Umwelt erkennen, erfassen (Unterschied?) und dann strukturieren.

Hier geht es um die Hierarchie der Erkenntnis: Steht der Geist
bei der Erkenntnis über der Wirklichkeit oder
umgekehrt? Etwas konkreter: Ist Wirklichkeit das Bild, das
sich unser Geist von seiner Umwelt macht, oder ist Wirklicht
das, wovon sich der Geist ein Bild macht? (Ich habe dazu eine
klare Meinung, aber mich würden zunächst Eure Meinungen
interessieren).

Hier gibt es m.E. noch keine allgemeingültige Definition von Wirklichkeit/Realität. Wirklichkeit ist in erster Linie keine Materie/Physik, sondern ein menschlicher Begriff, um deren (Be-)Deutung ein Wettbewerb geführt wird (in der Philosophie.
Die materielle Welt ist auch ohne den Menschen und seinen (streitbaren) Geist vorhanden, daher würde ich dieses Objekt der Betrchtung durch den Geist vor den Geist setzen, ist er doch Subjekt beim Betrachten.

Zweite Aussage von ambival:
"Denn es gibt keine Verpflichtung, die Welt so zu erfassen,
wie Du das gerne möchtest.

Ist dir hier ein Fehler unterlaufen? „Es gibt keine Verpflichtung, die Welt so zu erfassen, weil andere (!) das gerne möchten“, sollte es vllt. heissen?
Der Vorgang des Erfassens geschieht durch die Wahrnehmungsorgane, dann kommt der Geist ins Spiel und versucht zu ordnen. Über das Ergebnis der Tätigkeit des Ordnens kommuniziert der Mensch. Gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Ordnung, entsteht ein Wettbewerb über die vermeintlich „richtige“ Ordnung, ein Meinungsstreit (s.u.).

Mir geht es nicht um mich als Person und meine persönliche
Weltsicht. Mir geht es darum, inwieweit Erkenntnis universell,
also auf andere Menschen übertragbar ist. Wo verläuft die
Grenze, bis zu der man noch objektiv sagen kann: „A ist wahr
und Nicht(A) ist falsch“? Ab wann steht Meinung gegen Meinung?

Objektivität gibt es IMHO im Wettbewerb der Meinungen nicht, sondern nur Mehrheiten.
Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften (das Gravitationsgesetz ist in Jakarta dasselbe wie in Berlin - das ist objektiv) gibt es bei den geistigen Produkten des Menschen keine Allgemeingültigkeit (der Gott der Muslime ist ein anderer als der Gott der Christen), dafür sorgt schon die Religion oder die Philosophie.

LG
Castiglio

Bäume und Wirklichkeit(en)
Ich will mal (nur) zwei Aspekte aus dem hier Gesagten aufgreifen.
DER BAUM. Es gibt, keine Frage, Bäume. Es gibt sie als Gewächs in der Natur, als Stammbaum in gemalter und geschriebener Form oder als Strukturbaum in Explorer meines Computers. Bleiben wir mal bei dem Baum, der u.U. eine Kastanie oder Eiche ist. Dessen Beschreibung kann, Dank Wahrnehmung, zum Konsens werden. Eichen haben spezifische Blätter und recht gutes, d.h. festes Holz etc. Biergärten finden sich, auch das kann empirisch erwiesen werden, zumeist unter Kastanien (in Bayern war das einmal gesetzliche Bestimmung für Biergärten.) Das alles ist zwar ganz nett und sogar nützlich, aber – betrachtet man das so einseitig – recht uninteressant. Es geht darum, was ein Baum für den, der ihn wahrnimmt oder an ihn denkt, BEDEUTET. Sehe ich in der Eiche den rustikalen Kleiderschrank, der einmal daraus werden kann? Sehe ich darin ein Stück Mythologie? Oder ist dies der Baum, in dessen Schatten ich einst saß und ein erhellendes Buch lesen durfte. Das alles ist am BAUM selbst nicht ablesbar, und auch die allgemeine Beschreibung oder Wahrnehmung des Baumes gibt all das nicht her. Es geht um SINN, DEUTUNG und BEDEUTUNG, wenn es um Wirklichkeit geht. Dass Eichen empirisch und statistisch eine bestimmte Höhe und ein bestimmtes Alter erreichen können, ist da vergleichsweise uninteressant.
Der GOTT der Christen und Muslime. Das wäre in der Tat die Frage. Können sich monotheistische Religionen tatsächlich auf je verschiedene GOTTHEITEN berufen? Ich wäre dafür, dass der GOTT der Christen und Muslime (und der der Juden auch) derselbe sein muss. Aber das wäre eine eigene Diskussion im Bereich der Religionswissenschaft oder Theologie.

Hallo!

Zwei Aussagen von ambival finde ich besonders interessant:
„Die Welt wird nicht einfach erfasst oder erkannt, sondern
durch den menschlichen Geist geformt und erst strukturiert.“

als Materialist würde ich da entgegnen, das es der Welt (Universum)
so was von egal ist, was ich denke oder mir vorstelle.
Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild der
objektiven Realität.

Es gibt aber auch philosophische Strömungen, die das vollkommen anders sehen.
-> Idealismus.

Hier geht es um die Hierarchie der Erkenntnis: Steht der Geist
bei der Erkenntnis über der Wirklichkeit oder umgekehrt?

Das kann offenbar zwischen den jeweiligen philosophischen Ausrichtung
nicht per logischer Überlegung entschieden werden.
Die die grundsätzliche Fragestellung: „Existiert die Welt real?“ oder
„existiert die Welt nur im Bewustsein“ basiert auf Postulaten.

Etwas konkreter: Ist Wirklichkeit das Bild, das
sich unser Geist von seiner Umwelt macht, oder ist Wirklicht
das, wovon sich der Geist ein Bild macht? (Ich habe dazu eine
klare Meinung, aber mich würden zunächst Eure Meinungen
interessieren).

Ja, genau. Mehr als eine Meinung kann es nicht sein.
Ist fast so wie mit Gott. Man darf an ihn glauben, muß aber nicht.

Zumindest ist in der Materialismus mit der Grundthese:
„Das Sein bestimmt das Bewußtsein“ deutlich pragmatischer.

Zweite Aussage von ambival:
"Denn es gibt keine Verpflichtung, die Welt so zu erfassen,
wie Du das gerne möchtest.

Das ist sowieso eine individuelle Entscheidung.

Mir geht es nicht um mich als Person und meine persönliche
Weltsicht. Mir geht es darum, inwieweit Erkenntnis universell,
also auf andere Menschen übertragbar ist.

Das hat IMHO nicht mal as direkt mit der obigen Frage zu tun.
In beiden darf darf doch das Kausalitätsprinzip gelten.

Wo verläuft die Grenze, bis zu der man noch objektiv sagen kann: „A ist wahr
und Nicht(A) ist falsch“? Ab wann steht Meinung gegen Meinung?

Ich denke, wenn man sich grundsätzlich konträren Denksystemen (Weltbildern)
gegenüber sieht, ist diese Frage wohl nicht zuverlässig beantwortbar.
Gruß Uwi

ohne überflüssige Fremdworte wäre das Leben doch schonmal viel einfacher?!
Zottel

Hallo!

nur schnell zwei Anmerkungen:

Zwei Aussagen von ambival finde ich besonders interessant:
„Die Welt wird nicht einfach erfasst oder erkannt, sondern
durch den menschlichen Geist geformt und erst strukturiert.“

als Materialist würde ich da entgegnen, das es der Welt
(Universum)
so was von egal ist, was ich denke oder mir vorstelle.
Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild
der
objektiven Realität.

  1. Diese Position firmiert in der Philosophie als „Realismus“, nicht als „Materialismus“.

  2. Diese „Vorstellung als Spiegelbild der objektiven Realität“-Position gibt es in der heutigen Philosophe im Grunde gar nicht mehr, auch nicht mehr im Paradigma des „Realismus“.
    Bezeichnet wird sie als „naiver Realismus“ des Alltagsbewusstseins.

Es gibt aber auch philosophische Strömungen, die das
vollkommen anders sehen.

Wie gesagt, im Grunde sieht es, also die Widerspiegelsvorstellung, die ganze heutige Philosophie anders.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hallo!

Hier steckt der Kern meiner Frage:

  1. Diese „Vorstellung als Spiegelbild der objektiven
    Realität“-Position gibt es in der heutigen Philosophe im
    Grunde gar nicht mehr, auch nicht mehr im Paradigma des
    „Realismus“.
    Bezeichnet wird sie als „naiver Realismus“ des
    Alltagsbewusstseins.

Ich vermute, dass Du mit „naiver Realismus“ die Ansicht meinst, dass unsere Vorstellung ein korrektes Abbild der Wirklichkeit ist. Habe ich Dich so richtig verstanden? Wir sind uns schnell einig, dass dieser „naive Realismus“ in einem philosophisch-erkenntnistheoretischen Sinn keine Bedeutung haben kann.

Meine Frage bezog sich nun auf einen weniger naiven Realismus, nämlich auf die Idee, dass unsere Vorstellung von der Wirklichkeit zwar nie vollkommen diese widerspiegeln kann, aber dass eine objektive Wirklichkeit außerhalb unserer Vorstellung gibt. ambivals Postings (und auch einige andere) erweckten nun bei mir den Eindruck, dass die Existenz dieser objektiven Wirklichkeit in der heutigen Philosophie angezweifelt wird. Ist das so? Wenn ja: Ist das Konsens? Wenn ja: Was machen dann die Naturwissenschaftler in der Vorstellung der Philosophie?

Michael

Hallo!

  1. Diese „Vorstellung als Spiegelbild der objektiven
    Realität“-Position gibt es in der heutigen Philosophe im
    Grunde gar nicht mehr, auch nicht mehr im Paradigma des
    „Realismus“.
    Bezeichnet wird sie als „naiver Realismus“ des
    Alltagsbewusstseins.

Ich vermute, dass Du mit „naiver Realismus“ die Ansicht
meinst, dass unsere Vorstellung ein korrektes Abbild der
Wirklichkeit ist.

„Abbild“ ist mir schon fast zu viel. Der „Naive Realismus“ (das ist ja ein mehr oder minder feststehender Terminus) geht -sowohl als (überkommene) philosophische Position wie auch als Alltagsbewusstsein- von einer Nicht-Differenz von Vorstellung und Wirklichkeit aus. Die Welt ist so, wie wir sie wahrnehmen.

Meine Frage bezog sich nun auf einen weniger naiven Realismus,
nämlich auf die Idee, dass unsere Vorstellung von der
Wirklichkeit zwar nie vollkommen diese widerspiegeln kann,
aber dass eine objektive Wirklichkeit außerhalb unserer
Vorstellung gibt. ambivals Postings (und auch einige andere)
erweckten nun bei mir den Eindruck, dass die Existenz dieser
objektiven Wirklichkeit in der heutigen Philosophie
angezweifelt wird. Ist das so?

Ich denke, es gibt eine Doppelbedeutung dessen, was „objektive Wirklichkeit“ meint.

  1. eine von der Subjektivität (also DEM Subjekt, dem Menschen und seinem Erkenntnisapparat) unabhängige Wirklichkeit.
  2. eine vom jeweils erkennenden, zeit- und kulturrelativen, Subjekt unabhängige Wirklichkeit

zu 1.: Mit und seit Kant (wobei das bis in die Antike zurückreicht) gibt es die in der Philosophie bedeutsame Position, dass eine vom Subjekt bzw. vom Bewusstsein unabhängige Wirklichkeit unerkennbar ist.
Diese Position kann freilich nicht behaupten, dass es eine solche Wirklichkeit „nicht gibt“, denn diese Erkenntnis wäre ja selbst wiederum ein Erkenntnis des Subjekts …

zu 2.: Das wäre eine Radikalisierung der Position Nr. 1, wie das beispielsweise der sog. „Radikale Konstruktivismus“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus) ist, der die Wirklichkeit(en) als Konstruktionsleistung des einzelnen erkennenden Subjekts (das nicht mehr, wie bei Kant, als DER Mensch und sein Erkenntnisapparat aufgefasst wird, sondern als wesentlich historisch und kulturell situiert) auffasst. Zum „gibt es nicht“ gilt natürlich auch hier obiges.

Wenn ja: Ist das Konsens?

Position 1 in all seinen Spielarten ist sicher sehr wirkmächtig, einen allgemeinen Konsens zu dieser Frage aber gibt es in der Philosophie nicht.

Wenn
ja: Was machen dann die Naturwissenschaftler in der
Vorstellung der Philosophie?

zu 1. Die Naturwissenschaften treffen keine Aussagen über die absolute/Subjekt-unabhängige Wirklichkeit.

zu 2. Die Naturwissenschaften und ihre praktischen Anwendungen konstruieren Wirklichkeit(en).

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Autorität durch Objekt und Realität durch Subjekt
Hallo Michael Bauer,

Wirklichkeit kommt von wirken. Ob Sachen / Dinge / Realien existieren, also ob sie sind oder nicht sind, ist somit nur eine Facette, eine andere ist die, inwiefern Zusammenhänge sind, bspw. inwiefern Kausalitäten dem Geist einleuchten können.

Nehmen wir nun etwas Neuentdecktes, an dem der Geist wächst. Einige erkennen es nicht, sie bedürfen der Führung durch grössere Geister, die die Sache nicht nur entdecken, sondern ein Stück weit erkennen. Z. B. eine Kausalität hinter der Kausalität entdecken, neue Zusammenhänge erörtern, tiefer in Detail und Ganzem. Dass zwischen Geistern Kommunikation erforderlich ist, verkompliziert das Ganze so weit, dass „grössere“ Geister längst nicht immer die „Klügeren“ sind.

Hallo,

nur schnell zwei Anmerkungen:

Zwei Aussagen von ambival finde ich besonders interessant:
„Die Welt wird nicht einfach erfasst oder erkannt, sondern
durch den menschlichen Geist geformt und erst strukturiert.“

als Materialist würde ich da entgegnen, dass es der Welt
(Universum)
so was von egal ist, was ich denke oder mir vorstelle.
Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild
der objektiven Realität.

  1. Diese Position firmiert in der Philosophie als „Realismus“,
    nicht als „Materialismus“.

Naja, so wie ich das verstehe, ist philosophischer Realismus eher eine
übergeordnete Kategorie, in der doch eine Fülle von Strömungen
zugerechnet werden, oder?
Wenn ich mich als Materialist oute, dann meine ich das schon im dem
Sinne, dass ich annehme: Alles ist Materie und auch alle
geistigen Prozesse lassen sich auf materielle Vorgänge zurückführen.
Das ist IMHO in der etwas weiter gefassten Definition des Realismus
nicht zwingend so, oder?
Das geht es doch um die Frage, dass es unabhängig vom Bewußtsein
ein „Sein“, also eine vom Bewußtsein unabhängigen Realität gibt.

  1. Diese „Vorstellung als Spiegelbild der objektiven
    Realität“-Position gibt es in der heutigen Philosophe im
    Grunde gar nicht mehr, auch nicht mehr im Paradigma des „Realismus“.
    Bezeichnet wird sie als „naiver Realismus“ des Alltagsbewusstseins.

Das ist für den Alltagsberauch sicher auch eine pragmatische Lösung,
aber so einfach sehe ich das nun auch wieder nicht. Abgesehen, davon
das unsere Wahrnehmung der Umwelt sicher nur ein unvollkommenes Modell
ist, bin mir völlig darüber im klaren, das wir sowieso nur einen
winzigen Bruchteil der Formen von Materie wahrnehmen können.
Das sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch und vor allem in
Bezug auf Strukturen und Wechselwirkungen.

Es gibt aber auch philosophische Strömungen, die das
vollkommen anders sehen.

Wie gesagt, im Grunde sieht es, also die
Widerspiegelsvorstellung, die ganze heutige Philosophie anders.

Vermutlich ist das Wort „Widerspiegelung“ in irgend einem Zusammenhang
einer veralteten Lehre diskreditiert oder es wird anders definiert,
als ich es verstehe? Spricht man dann lieber von Reflexion?

Was spricht also dagegen, dass man Wahrnehmung als „Spiegelbild“
(natürlich nur unvollkommen und fehlerhaft) versteht?
Dass unser Bewußtsein nicht die materielle Umwelt selbst ist, stand
doch in dem Zusammenhang nicht mehr als Frage?
Gruß Uwi

Hallo!

  1. Diese Position firmiert in der Philosophie als „Realismus“,
    nicht als „Materialismus“.

Naja, so wie ich das verstehe, ist philosophischer Realismus
eher eine
übergeordnete Kategorie, in der doch eine Fülle von Strömungen
zugerechnet werden, oder?

Ich weiß, dass man Realismus und Materialismus oft gleichsetzt, oder letzteren dem ersten unterordnet, finde das aber reichlich ungut, denn der Realismus sucht nach Bewusstseins-unabhängigen Dingen (die er nicht zwingend auf Materie rückführen muss), während der Materialismus u.a. das Bewusstsein auf Materie rückführt, und so, rein von der Logik her, gar nicht mehr erst Bewusstseins-unbhängige Dingen postulieren muss.

Das sind für mich zwei wesentlich unterschiedliche Programme, auch wenn sie sich oft überkreuzen und vermischen.

Um es -sehr schematisch- am Unterschied zwischen Hegel und Marx festzumachen: Beide kann man gleichermaßen als Überwinder des Gegensatzes von Realismus und Idealismus verstehen, während Marx sich rühmt, den Hegelschen Idealismus ‚vom Kopf auf die Füße‘ gestellt zu haben, sprich in einen Materialismus überführt zu haben.

Das zeigt die beiden nicht-identischen Gegensatzpaare Idealismus/Realismus und Idealismus/Materialismus.

Wenn ich mich als Materialist oute, dann meine ich das schon
im dem
Sinne, dass ich annehme: Alles ist Materie und auch alle
geistigen Prozesse lassen sich auf materielle Vorgänge
zurückführen.
Das ist IMHO in der etwas weiter gefassten Definition des
Realismus
nicht zwingend so, oder?
Das geht es doch um die Frage, dass es unabhängig vom
Bewußtsein
ein „Sein“, also eine vom Bewußtsein unabhängigen Realität
gibt.

Ja, EBEN.
Da du eben im ersten Post sinngemäß das Fettmarkierte geschrieben hattest und nicht das Unterstrichene, habe ich auf den Begriff des „Realismus“ hingewiesen.

Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild
der objektiven Realität
.

… bin mir völlig darüber im klaren, das wir sowieso nur
einen
winzigen Bruchteil der Formen von Materie wahrnehmen können.
Das sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch und vor allem
in
Bezug auf Strukturen und Wechselwirkungen.

Das ist dann aber doch gerade keine Spiegelbildvorstellung mehr, wenn die objektive Realität nur zu Bruchteilen wahrgenommen werden kann. Der Spiegel ermöglicht ein direktes Abbildungsverhältnis (und so sieht es der ‚Naive Realismus‘ ja auch), und das ist hier ja gerade nicht gegeben, wenn das Urbild nur zu Bruchteilen im Abbild widergespiegelt wird.

Vermutlich ist das Wort „Widerspiegelung“ in irgend einem
Zusammenhang
einer veralteten Lehre diskreditiert oder es wird anders
definiert,
als ich es verstehe?

z.B. hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Widerspiegelungstheorie

Was spricht also dagegen, dass man Wahrnehmung als
„Spiegelbild“
(natürlich nur unvollkommen und fehlerhaft) versteht?

So gesehen nichts, aber dein Satz:

Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild
der objektiven Realität.

legte den Gedanken an die Position des ‚Naiven Realismus‘, so wie er hier (http://books.google.de/books?id=Enx0lYbUM0MC&pg=PA15…definiert) ist, nahe. Von Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit hattest du zu dem Zeitpunkt ja noch nichts geschrieben.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Wirklichkeit als Konstrukt @CANDIDE
@CANDIDE – Du hast meinen Abend gerettet :wink: Ich hätte ja nie gedacht, dass derartige Grundfragen der Philosophie hier derartige Reaktionen hervorrufen. Wieso, so frage ich mich, scheint vielen das, was sie „objektive Wirklichkeit“ nennen so evident, dass sie vom erkennenden Subjekt völlig absehen wollen? Wieso ist es denn so schwer zu verstehen, dass das, was man für Wirklichkeit hält Sache des erkennenden Subjektes selbst ist, wobei es nicht um Willkür, sondern um Inter-Subjektivität geht?
Meine Gedanken gehen natürlich alle in genau eine Richtung: Die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Und dann ist zumindest mir recht schnell klar, dass all die empirischen Zuschreibungen, die als „objektiv“ aufgefasst werden sollen, zwar selbstverständlich erscheinen, aber nicht sonderlich tragfähig, wenn man einen zweiten Blick wagt.
Was der Mensch ist, lässt sich eben nicht einfach naturwissenschaftlich beobachten. Nur in der Teilnehmerperspektive in der Ich-Du-Relation etc. kann das deutlich werden. Was machen die Naturwissenschaftler? Sie konstruieren Wirklichkeit nach Maßgabe (natur-)gesetzlicher Vorgegebenheiten. Dumm wird das immer dann, wenn es als das GANZE der Wahrheit verkauft und alles andere als Metaphysik niedergemacht wird. Wir können den Spieß gerne einmal umdrehen und klar machen, dass EMPIRIE eine Hochform der Metaphysik ist :wink:
Das war jetzt wohl wieder zu viel Stoff. ODER?

Hallo!
somit ist in dieser Frage alles geklärt :smile:

Ich weiß, dass man Realismus und Materialismus oft
gleichsetzt, oder letzteren dem ersten unterordnet, finde das
aber reichlich ungut, denn der Realismus sucht nach
Bewusstseins-unabhängigen Dingen (die er nicht zwingend auf
Materie rückführen muss), während der Materialismus u.a. das
Bewusstsein auf Materie rückführt, und so, rein von der Logik
her, gar nicht mehr erst Bewusstseins-unbhängige Dingen
postulieren muss.
Das sind für mich zwei wesentlich unterschiedliche Programme,
auch wenn sie sich oft überkreuzen und vermischen.

Alles klar.

Um es -sehr schematisch- am Unterschied zwischen Hegel und
Marx festzumachen: Beide kann man gleichermaßen als Überwinder
des Gegensatzes von Realismus und Idealismus verstehen,
während Marx sich rühmt, den Hegelschen Idealismus ‚vom Kopf
auf die Füße‘ gestellt zu haben, sprich in einen
Materialismus überführt zu haben.

Hm, ging es da nicht eher um die Hegelsche Dialektik,
die Marx „vom Kopf auf die Füße gestellt hat“?
Mit dem Hegelschen Idealismus war Marx doch wohl ganz und
gar nicht einverstanden.

Wenn ich mich als Materialist oute, dann meine ich das schon
im dem Sinne, dass ich annehme: Alles ist Materie und auch alle
geistigen Prozesse lassen sich auf materielle Vorgänge
zurückführen.
Das ist IMHO in der etwas weiter gefassten Definition des
Realismus nicht zwingend so, oder?
Das geht es doch um die Frage, dass es unabhängig vom
Bewußtsein
ein „Sein“, also eine vom Bewußtsein unabhängigen Realität gibt.

Ja, EBEN.
Da du eben im ersten Post sinngemäß das Fettmarkierte
geschrieben hattest und nicht das Unterstrichene, habe ich auf
den Begriff des „Realismus“ hingewiesen.

Ja gut, in einer kurzen Antwort kommen oft nicht alle Hintergründe
und Feinheit so daher, wie es eigentlich gemeint war.
Man redet schnell aneinander vorbei :frowning:

Das ist dann aber doch gerade keine
Spiegelbildvorstellung mehr, wenn die objektive Realität nur
zu Bruchteilen wahrgenommen werden kann. Der Spiegel
ermöglicht ein direktes Abbildungsverhältnis (und so sieht es
der ‚Naive Realismus‘ ja auch), und das ist hier ja gerade
nicht gegeben, wenn das Urbild nur zu Bruchteilen im Abbild
widergespiegelt wird.

Was spricht also dagegen, dass man Wahrnehmung als
„Spiegelbild“
(natürlich nur unvollkommen und fehlerhaft) versteht?

So gesehen nichts, aber dein Satz:

Also ist meine Vorstellung von der Welt nur ein Spiegelbild
der objektiven Realität.

legte den Gedanken an die Position des ‚Naiven Realismus‘, so
wie er hier
(http://books.google.de/books?id=Enx0lYbUM0MC&pg=PA15…definiert)
ist, nahe. Von Unvollkommenheit und Fehlerhaftigkeit hattest
du zu dem Zeitpunkt ja noch nichts geschrieben.

Ist klar, ich hätte das erwähnen sollen.

Als Techniker mit einigen Präferenzen zur Optik habe ich aber selbst zum
„Spiegel“ ein anderes Verständnis, als es umgangssprachlich üblich ist.

Da geben Spiegel auch nur ein unvollkommenes Abbild, weil z.B. die
Oberfläche eine Rauhigkeit hat, nicht perfekt plan ist, Licht nicht
zu 100% reflektiert wird und die Reflektionseigenschaften auch noch
abhängig vom Spektrum sind usw.
So beeinflusst Wissen und Erfahrung unser Denken und Sprache.
Gruß Uwi

Etwas konkreter: Ist Wirklichkeit das Bild, das
sich unser Geist von seiner Umwelt macht, oder ist Wirklicht
das, wovon sich der Geist ein Bild macht?

Ich denke: die Wirklichkeit ist vorhanden und unser Geist macht sich ein Bild davon. Nur so kann ich mir erklären, daß in einer Menge von Menschen unterschiedliche Auffassungen zum gleichen Geschehnis vorhanden sind. Im Umkehrschluss würde ja das Vorhandensein unterschiedlicher „Bilder“ sonst ja bedeuten, daß es unterschiedliche Realitäten gäbe :wink:

Wo verläuft die Grenze, bis zu der man noch objektiv sagen kann
„A ist wahr und Nicht(A) ist falsch“?

Um das wirklich 100% fehlerfrei behaupten zu können, müsste man schon allwissend sein :smile: ansonsten ist A immer eine Interpretation und somit fehleranfällig.

LG
MindShape

Hallo!

somit ist in dieser Frage alles geklärt :smile:

Yepp, alle Begriffe geschärft :wink:

Als Techniker mit einigen Präferenzen zur Optik habe ich aber
selbst zum
„Spiegel“ ein anderes Verständnis, als es umgangssprachlich
üblich ist.

Da geben Spiegel auch nur ein unvollkommenes Abbild, weil z.B.
die
Oberfläche eine Rauhigkeit hat, nicht perfekt plan ist, Licht
nicht
zu 100% reflektiert wird und die Reflektionseigenschaften auch
noch
abhängig vom Spektrum sind usw.
So beeinflusst Wissen und Erfahrung unser Denken und Sprache.

So wird die Spiegel-Metapher dann durchaus interessant.
Ist übrigens sicherlich eine der zentralsten Metaphern der Philosophie(geschichte).

Um es -sehr schematisch- am Unterschied zwischen Hegel und
Marx festzumachen: Beide kann man gleichermaßen als Überwinder
des Gegensatzes von Realismus und Idealismus verstehen,
während Marx sich rühmt, den Hegelschen Idealismus ‚vom Kopf
auf die Füße‘ gestellt zu haben, sprich in einen
Materialismus überführt zu haben.

Hm, ging es da nicht eher um die Hegelsche Dialektik,
die Marx „vom Kopf auf die Füße gestellt hat“?
Mit dem Hegelschen Idealismus war Marx doch wohl ganz und
gar nicht einverstanden.

Diese „vom Kopf auf die Füße stellen“ meint ja eben die Ersetzung der idealistischen, „mystifizierenden“ Form der Hegelschen Dialektik durch eine materialistische.

Im Nachwort zur 2. Auflage des Kapitals findet sich diese Formulierung Marx’ übrigens.

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Hallo!

@CANDIDE – Du hast meinen Abend gerettet :wink:

:wink:

Was machen die Naturwissenschaftler? Sie
konstruieren Wirklichkeit nach Maßgabe (natur-)gesetzlicher
Vorgegebenheiten. Dumm wird das immer dann, wenn es als das
GANZE der Wahrheit verkauft und alles andere als Metaphysik
niedergemacht wird. Wir können den Spieß gerne einmal umdrehen
und klar machen, dass EMPIRIE eine Hochform der Metaphysik ist

Umkehren würd ich das nicht unbedingt, aber es ist klar, dass die Naturwissenschaften einen sehr eingeschränkten Begriff von „Empirie“ haben.
Wobei das gar nicht so sehr das Problem der Naturwissenschaften ist (die funktionieren in pragmatischer Ausrichtung durchaus), in erster Linie ist es ein Problem der ‚Wissenschaften vom Menschen‘ (die Sozialwissenschaften, die Psychologie etc.), wenn sie sich an den Methoden der Naturwissenschaften orientieren.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _