Wirksamkeit Impfstoff AstraZeneca

Hallo zusammen,

wenn die Wirksamkeit des Impfstoffes von AstraZeneca mit ca. 62 Prozent angegeben wird (2x volle Dosis in einem Monat Abstand), was ist dann damit gemeint?

  1. Der Geimpfte kann 62/100 Viren im Körper durch passende Antikörper bekämpfen, die restlichen 38/100 werden nicht erkannt und nicht agglutiniert. Ob man dadurch dann erkrankt - wer weiß das schon …

  2. Jedes Mal, wenn ein Geimpfter mit einer theoretisch virulenten Dosis infiziert wurde, beträgt bei ihm die Wahrscheinlichkeit 38 %, dass er erkranken könnte und 62 %, dass er nicht erkrankt …

  3. Oder eben doch nur ganz simpel: 100 Leute werden in einen Raum gesteckt und infiziert und 62 davon erkranken nicht, weil sie die volle Dröhnung Antikörper gebildet haben, sondern nur 38 mit keinen oder nur zu wenigen Antikörpern. Das heißt, diese 62 Personen sind immer immun, egal wie oft dieser Versuch durchgeführt werden würde und die 38 anderen Probanden würden immer erkranken …

Danke und viele Grüße

Servus,

wenn Du ein wenig drüber nachdenkst, wie man Deine Modelle 1. - 3. eigentlich messen oder sonstwie bestimmen sollte, wird Dir schnell klar, dass keines von diesen gemeint sein kann.

Die Angaben zur Wirksamkeit stammen aus Studien, in denen zwei Gruppen von Probanden gebildet wurden, von denen eine das untersuchte Vakzin und eine gleichartig zusammengesetzte und gleich große ein Plazebo bekommen hat. Beide Gruppen werden gleichen Bedingungen im jeweiligen „Lebensalltag“ ausgesetzt und man zählt, wie viele Probanden in welcher der Gruppen erkranken.

Wie groß die Gruppen sein müssen und auf welchen Zeitraum so seine Studie angelegt sein muss, um brauchbare Aussagen zu liefern, ist eine Wissenschaft für sich.

Die Berechnung des „Prozent“-Wertes ist dagegen recht einfach:

(100 -(Erkrankte aus der Plazebo-Gruppe / Erkrankte aus der Vakzin-Gruppe))/100

Dass man in solchen Studien nicht mit irgendwelchen geheimnisvollen Apparaten von Professor Düsentrieb Viren zählt oder Menschenversuche anstellt, bei denen Probanden mit einem Menü aus Viren in Rachensekret oder sowas besprüht werden, ist beiläufig der Grund dafür, dass es eine Weile dauert, bis man hier brauchbare Aussagen kriegt (es liegt nicht an irgendwelchen verschlafenen Beamten), dass die Aussagen immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden sind und, wenn die Studien vorliegen, teils auch kontrovers über die Methodik diskutiert wird, und dass die Ergebnisse sich mit der Zeit ändern können - wenn nämlich die selben Gruppen, die der ersten Auswertung zugrunde lagen, weiter beobachtet werden.

Schöne Grüße

MM

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  • Weiterführend: Empirie im Allgemeinen und Stochastik im Besonderen sind recht spannende Anwendungsbereiche von Mathe, die dabei schon über pures Rumrechnen hinaus geht. In den Naturwissenschaften und in den ihnen benachbarten Geisteswissenschaften werden diese Disziplinen im Vergleich zu ihrer Bedeutung stiefmütterlich behandelt, insbesondere weil Leute an die Unis geschickt werden, die keinen Schimmer davon haben, was da an Mathe in Fächern auf sie zukommt, die sie von außen für „Laberfächer“ gehalten hatten - weil diese eben an der Schule auch so unterrichtet wurden (wenn überhaupt), und weil Mathelehrer grundsätzlich darüber erhaben sind, auf die Frage, wofür Mathe denn gut oder nützlich sein soll, eine ordentliche Antwort zu geben: Schweres Versagen der Schulen an dieser Stelle, das u.a. dazu führt, dass man Dissertationen im Dutzend in die Tonne kloppen kann, weil sie sich mit irgendwas empirisch beschäftigen, es grade noch schaffen, die Fragestellung so zu formulieren, dass sie überhaupt quantitativ auswertbar ist, sogar noch die Rechnerey hinkriegen, aber zum schlechten Schluss einen für diese Fragestellung und diese Auswertung völlig unbrauchbaren Test anwenden, im Zweifelsfall einen aus den Unterlagen der Einführungsvorlesung abgeschriebenen t-Test, den sie schon damals hassten und nie verstanden haben.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

Ich hatte es immer so verstanden:

Wirksamkeit = 100*(1-Erkrankte aus der Vakzin-Gruppe/Erkrankte aus der Plazebo-Gruppe )

oder anschaulich: Wenn in der Placebogruppe 1000 Probanden an Corona erkranken, in der Vakzingruppe nur 380, dann wird eine Wirksamkeit von 100*(1-380/1000)=62% angenommen.

Der Wert ist wenig aussagekräftig, wenn man nicht die Lebensumstände, den Gesundheitszustand und das Verhalten der Probanden beider Gruppen während der Studie kennt und mit den entsprechenden Parametern eines jetzt Geimpften vergleicht. Bei einer Person mit einer Vielzahl von engen Kontakten ist das Risiko, sich trotz Impfung anzustecken sicher höher als bei einem alleinlebenden Rentner, der das Haus nur einmal in der Woche zum Einkauf verlässt.

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Servus,

ja, Du hast Recht - misslungener Versuch meinerseits, „mal eben“ die Formulierung in Prozent in die Formel reinzumultiplizieren.

Entscheidend ist dafür bei Studien „im Feld“, wie man dafür sorgt, dass die beiden Gruppen von Probanden repräsentativ sind und jeweils ausreichend große und für die einzelnen „Risikoklassen“ gleich große Anteile von Probanden enthalten. Das Gemeine daran ist, dass die Gültigkeit der Aussagen, die man aus der Auswertung zieht, mit jedem Parameter, den man an die Zusammensetzung der beiden Probandengruppen anlegt, erheblich eingeschränkt wird.

Dass die statistische Behandlung dieses Konfliktes nicht trivial ist und die Reduzierung auf diese Formel das Thema zwar greifbar macht, aber ziemlich vereinfacht (ich denke mit Grausen an die dümmliche Arroganz der - Ganz einfach! Du musst nur-Fraktion) - und daher im Fall AZD1222 nicht formuliert werden sollte „ist für die Altersgruppe ab 65 nicht ausreichend wirksam“, sondern „ist für die Altersgruppe ab 65 möglicherweise genauso wirksam wie für andere, aber bisher nicht mit signifikanten Ergebnissen untersucht“, zeigt das Original zum Thema BNT162:

Schöne Grüße

MM

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Bei AZ schaut es konkret so aus:
Vakzingruppe: 64 von 5,258 erkrankt
Placebogruppe: 154 von 5,210 erkrankt

Da käme ich jetzt eigentlich auf 58,4%, die EMA spricht aber von 59,5%. Wird die etwas größere Anzahl an Probanden in der Vakzingruppe bei der Berechnung berücksichtigt?

Naturlich muss man das berücksichtigen. @Aprilfisch und ich haben der Einfachheit halber angenommen, dass die Placebo- und die Vakzingruppe gleich groß sind. Um es genau zu machen, muss man in meiner Formel die Anzahl der Erkrankten durch die Anzahl der Probanden in der jeweiligen Gruppe teilen.