Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei?

Es sei Zeit für eine »robustere Türkei-Politik«, sagte Trittin. Da niemand aus der Nato ausgeschlossen werden könne, müsse über wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen die Türkei nachgedacht werden.

Was soll das?
Geht er (und Roth und noch einige andere, die das fordern) davon aus, dass die Türkei ohnehin sehr bald unser Kriegsgegner (TK-Griechenland-Konflikt) sein wird?

Dann wäre dieser Diskussions-Anstoß immerhin nachvollziehbar und nicht als Spätsommerloch-Thema abzutun.

Innenpolitischer Aspekt:
Übernähme sich die Ampel (+CDU) da nicht langsam?

Wie sollte die Polizei klar kommen können gegen die allseitig prognostizierten Energie-Proteste + die sicher wieder (in geringerer Stärke als letzten Winter) aufkommenden Corona-Proteste + Proteste gegen Türkei-Sanktionen?
(Ich denke, es ist keine kühne Annahme, dass Türkei-Sanktionen oberhalb einer bestimmten Schmerzgrenze stark mobilisieren würden.)

1 Like

Warum sollte die freie Türkei nicht der Shanghai-Gruppe beitreten?
Soll Deutschland hier so argumentieren wie Rußland bei der Ukraine?

Abgesehen davon sehe ich die Türkei dort eher als Spaltpilz.
Die Türkei und China haben in Innerasien zuviele eigene Interessen, die würden sich wahrscheinlich bald gegenseitig behindern/blockieren.

2 Like

Ich glaube, dass es nur vordergründig darum geht, eigentlich darum, dass bald kriegerische Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland aufkommen werden (wie türkische und griechische Medien melden; letzte Woche soll bereits ein Schiff von den Griechen beschossen worden sein, was aber natürlich reine Propaganda sein kann), das aber im Moment noch nicht so artikuliert werden soll.

Ich sehe es auch so, dass die Türkei nicht in die NATO passt. Schon rein geographisch. Sie haben im Westen eine gut verteidigbare Außengrenze mit wenigen km Landgrenze, im Süd-/Nord-/Osten dagegen lange Landgrenzen mit gleich mehreren anti-westlichen Staaten.

Erster Effekt dieser Annöherung wird sein, dass die Türkei Chinas Genozid an den Uiguren gar nicht mehr thematisieren wird. Bisher waren sie ja so ziemlich die einzige kleine Lobby für sie.

Fast an der gesamten Süd- und
Ostgrenze hat die Türkei Problemfälle:

Syrien– ein Vasall Russland

Kurdistan eine ewig offene Wunde

Irak - Interessengebiet des Irans

Armenien, Russland-Partner – im Streit mit dem Türkei-Partner Aserbaidschan

Und die härteste Nuss: der Iran, der seine Interessen massiv in der Region ausdehnen will und dabei unweigerlich mit der Türkei zusammenstößt.

Ähnlich wie Putin kommt Erdogan aus irgendeinem Hinterhof und glaubt jetzt den Sultan spielen zu müssen.

Vielleicht glaubt er, dass in der Shanghai Gruppe einige der Probleme in seiner Region besser abgefedert werden können.
Wenn er dann aber tatsächlich die Verbindung zu den Turkvölkern in Innerasien als türkische Brüder stärken will, wird er vermutlich mit China einige Diskussionen haben.

Den Konflikt mit Griechenland forciert er vor allen Dingen wegen der im nächsten Jahr, so viel ich weiß, anstehenden Präsidentschaftswahlen. Seine Umfragewerte sind im Moment ziemlich im Keller aufgrund der wirtschaftlichen Situation. Er will also die nationale Karte spielen.
Dennoch habe ich Zweifel, dass er sich tatsächlich Probleme mit der NATO ans Bein binden will.

1 Like

Ich denke, es geht darum, dass die Türkei sich nicht zu sehr in dieser Region im Osten isolieren kann, was bei einer Zuspitzung der globalen Blockbildung halt eine zwingende Folge der NATO-Mitgliedschaft wäre.
Einzig Israel könnte man dann als Bündnispartner in der Region gewinnen.

Ich sehe übrigens auch nicht, dass das auf Erdoğans Mist wachsen würde.
Die beiden großen Oppositionsparteien sind zwar weniger islamistisch, aber bestenfalls die CHP mehr pro-westlich.

Aus meiner Sicht forciert vor allem Griechenland.

Sehe ich nur bedingt so.
Sowohl Erdoğans Koalitionspartner als auch İYİ, die zweitgrößte Oppositionspartei, sind deutlich nationalistischer als Erdoğans AKP.
Mit Nationalismus kann er also gar nicht so gut punkten. Eher mit Islamismus (was nicht das Gleiche ist).
Krieg würde ihm aber natürlich helfen.

Die regierenden Grünen haben ein sehr eigenes Verständnis von Diplomatie (z.B. Baerbock) oder Kompetenz (z.B. Habeck). Oder von beidem (z.B. Baerbock oder Habeck).
Unbedachte Äußerungen wie die von Trittin verstärken diesen Eindruck.

Die Umfragen tendieren nach unten.

Neue Wahrnehmungen, neue Tendenzen. In einigen Monaten sind sie durch hierzulande.

1 Like

Eine unbedachte Äußerung wars sicher nicht.
Andere Ampel-Politiker habe sich ja zeitgleich ähnlich geäußert.
Nun legt die taz nach:

… und fährt eine noch breitere Begründung auf.

Seit Jahrzehnten wird der Türkei ein EU-Beitritt verwehrt - und dann will man ihr verbieten sich anderen Bündnissen anzuschließen?

Das wäre so, als wenn jemand seiner verschmähten Geliebten verbietet einen anderen Partner zu haben.

2 Like

Wer will ihr das verbieten?

Es werden Strafen zur Sanktionierung eines gewissen Verhaltens gefordert. Dann könnte man davon ausgehen, dass man solche Verhaltensweisen generell verbieten möchte.

Oder wo siehst Du den praktischen Unterschied zwischen einem Verbot und einer Strafmaßnahme für gewisses Verhalten?

Hallo,

Aus meiner Sicht lässt sich beobachten, dass sich die Türkei mehr und mehr von der EU und der NATO zurück zieht. Dass sie sich immer weniger den Interessen eines geeinten Europas verpflichtet fühlt, sondern ihr „eigenes Ding“ macht. Und vor allem , dass sie gerne zur lokalen Hegemonialmacht im vorderen Orient werden möchte - also quasi zum Osmanischen Reich Version 2.0.

Als Indizien für meine Ansichten möchte ich anführen,

  • dass die Türkei immer wieder völkerrechtswidrige Angriffe gegen Syrien und den Irak durchführt, mit dem Ziel, die dort lebenden Kurden zu schädigen.
  • Sie kaufen militärische Güter sowohl von NATO-Ländern als auch von Russland.
  • Erdogan hat zwischen Russland und der Ukraine wegen der Weizenlieferungen vermittelt und „herrscht“ jetzt über die Kontrollen, die die UN wohl nicht so durchführen kann, wie es vereinbart war.
  • Die Türkei unterhält sehr lebhafte Kontakte zu Ländern, zu denen „der Westen“ die Beziehungen abgekühlt, weitgehend oder vollständig eingestellt hat.

Oder mit anderen, drastischen Worten formuliert: die Türkei unter Erdogan gibt nicht den unterwürfigen Vasallen und „muss wieder auf Linie gebracht werden“. Wenn ich mir den Iran, Nordkorea, Kuba oder Russlands Krieg gegen die Ukraine ansehe, habe ich allerdings Zweifel, dass „der Westen“ wirksame Mittel hat, dem Treiben Erdogans erfolgreich Einhalt zu gebieten. Die Lernkurve von Politikern scheint in den letzten 20 Jahren eher sehr flach geworden zu sein.

Vielleicht lohnte sich mal ein Blick auf die etwas andere Strategie Chinas im Umgang mit den Staaten, an deren Zukunft, Stabilität oder Rohstoffen sie ein Interesse haben. Neokoloniale Maßnahmen scheinen mir nicht der einzige Weg zu sein, Meinungsverschiedenheiten zu klären. (Ja, der Umgang der VR China mit der Republik China ist mir bekannt.)

1 Like