Wirtschaftswachstum aktuell

Liebe/-r Experte/-in,

Ich versuche zurzeit mein Volkswirtschaftsverständnis etwas voranzutreiben.
Folgendes ist mir nicht ganz klar:

Woher kommt letzten Ende das Geld, welches Banken als Zinsen ihren Kunden auszahlen? Das wächst ja schliesslich nicht von alleine.

Angenommen die Bevölkerung eines Staates/der Welt würde nicht mehr wachsen. Kann die Wirtschaft dann auch stagnieren oder muss sie weiterhin zumindest zu einem gewissen Grad wachsen, damit sie als „gesunde Wirtschaft“ gilt? Falls ja, weshalb?

Im Moment wächst die Wirtschaft in vielen Staaten schneller als die Bevölkerung und trotzdem ist in all diesen Staaten von Rezession die Rede. Weshalb?

Vielen Dank im Voraus für eine ausführliche Antwort!
Mit freundlichen Grüssen

Thierry

Lieber Thierry,

aus Zeitgründen nur kurze Antworten: Das von dir gesparte Geld verleihen Banken zu einem höheren Zinssatz an Kreditnehmer. Von ihren Zinserträgen zahlen sie dir deinen - niedrigeren - Anlagezins.

Tendenziell wird eine wachsende Bevölkerung auch höheres Wirtschaftswachstum generieren - die demographische Komponente ist ein Wachstumsfaktor (für nichts legen sich Menschen so ins Zeug wie für sich und ihre Kinder). Phasen der Stagnation kann es aber auch in zahlreicher werdenden Gesellschaften geben.

Rezession heißt heute eigentlich eher „unterdurchschnittliches“ denn „negatives“ Wachstum des Bruttoinlandsprodukts.

Das muss genügen, mehr Zeit ist nicht…

J.

Hey Thierry,

  1. Das Geld (die Banknoten und das Münzgeld)werden von den Zentralbanken (bei uns die EZB) an die Banken ausgegeben und von dort aus in Umlauf gebracht. Die Geldmenge wächst dabei (u.a. ist das auch für die Zinszahlungen, aber auch für das Wachstum der Wirtschaft notwendig).

  2. Die Vorstellung, eine Wirtschaft müsse unbedingt „wachsen“ ist eine unzutreffende Ideologie. Allerdings ist wirtschaftliches Wachstum die Voraussetzung für die Umsetzung politischer Versprechungen, die die Bevölkerung ruhig stellen, und dafür, dass die damit verbundenen Steuermehreinnahmen dazu ausreichen, die hoch verschuldeten Staaten zu refinanzieren.

  3. Deine Frage ist falsch gestellt. Von einer Rezession spricht man erst ab einem massiven Einbruch der Wirtschaft („Negativwachstum“). Bei uns war das 2008 der Fall.

Beste Grüße

Dr. Matthias Meyn

Hallo und vielen Dank für ihre Anfrage. ich werde versuchen, die Zusammenhänge zu erläutern.

Das Hauptgeschäft der Banken besteht darin, Gelder der Kunden in Form von Spareinlagen hereinzunehmen und Aktivseitig in Form von Krediten zu vergeben. (vgl. dazu: Ausleihungsquote einer Bank). Der Zins selbst ist dabei nichts anderes der Preis des Geldes oder kann auch als eine Risikoprämie angesehen werden (default). Allgemein möchten die Sparer kurzfristig und hochverzinst anlegen, während die Kreditnehmer die Gelder langfristig und nieder verzinst möchten. Die Banken müssen also Transformieren (u.a. Losgrößen oder Fristentransformation,…). Wenn nun weniger Sparer vorhanden sind,als Kreditwünsche bestehen, so muß die Bank den Fehlanteil am Kapitalmarkt aufnehmen, was idR. teurer ist als der Zins für Sparer. (vgl. Liquiditätskrise). Die EZB pumpt Geld zu den Banken, die jedoch nur einen Teil des Volumens dem Geldkreislauf der gesamten Volkswirtschaft zu Verfügung stehen. (Mißtrauen).

Zur zweiten Frage:
Man geht davon aus, dass jede Volkswirtschaft in bestimmten Intervallen von sog. exogenen Schocks heimgesucht wird, was als natürliches Regulativ der Population angesehen werden kann. (Erdbeben, Sturm-, Hungerkatastrophen,etc…). Dem Gleichgewichtsmodell (Angebot = Nachfrage) stehen die Annahmen der Produtkionsfaktoren gegenüber. Die Volkswirtschaft pendelt in einem Zyklus (Aufschwung - Hochkonjunktur - Abschwung - Rezession - Depression) und es kommt je nach Phase zu sog. Output - gaps. D.h. entweder sind die Produktionsfaktoren unter- oder überausgelastet --> z.B. Produktionfaktor ARBEIT!. Im langfristigen Mittel geht man immer davon aus, dass die Wirtschaft wächst, bedingt durch den technologischen Fortschritt, da man immer einen Weg finden wird, effizienter zu produzieren.

zu drei: Rezession bedeutet per Definition, dass die Wirtschaft über zwei Perioden stagniert. Dann hätten wir erst eine technische Rezession. Es haben sich somit nur die Wachstumsraten der Volkswirtschaften verringert. Diese Abschwungphase hat ihren Grund nicht in unterschiedlichen Wachstumsraten von Bevölkerung zu Wirtschaftswachstum, sondern ist aufgrund unterschiedlicher makroökonomischer Parameter zu diskutieren.

Grundsätzliche makroökonomischer Ansatz liegt auch darin wie der vorhandene Kuchen (Ressourcen) am bestten alloziert als verteilt werden soll und dies unter der Maxime, dass der Mensch vor allem eines ist: ein Nutzen- und Gewinnmaximierer. Hohes Wachstum, also sprich hohes BIP zeugt für einen hohen Wohlstand, sagt aber rein gar nichts über die Wohlfahrt aus!! Das BIP setzt sich ja zusammen aus: Y = C+I+(G-T)+Ex-Im > also: BIP = Consum + Investment + Government - Tax + Exports - Imports.

Wie gesagt, ihre Fragestellung ist sehr umfangreich. Wenn sie noch Fragen haben, oder eine Literaturempfehlung benötien, können sie mich gerne jederzeit kontaktieren.

mit bestem Gruß und einen Schönen Abend.

Thierry,
das ist ein weites Feld…hier ein Antwortversuch

>>:Woher kommt letzten Ende das Geld, welches Banken als Zinsen ihren Kunden auszahlen?
Antwort: Das kommt von den (Aktiv-)Kunden, die sich von den Banken was leihen (Hypotheken, Immobilienbesicherte Kredite, Kredite an Unternehmen) und diese können diese Zinsen an die Sparer (Passivseite der Bankbilanz) dann zahlen, wenn sie Einkommen haben oder mittels der erhaltenen Kredite Einkommen generieren konnten. Die Bank selber lebt von dem, was sie von den Aktivzinsen (Kreditzinsen) nimmt, bevor sie es an die  Sparer (Passivzinsen) weiterleitet.

>>Angenommen die Bevölkerung eines Staates/der Welt würde nicht mehr wachsen. Kann die Wirtschaft dann auch stagnieren oder muss sie weiterhin zumindest zu einem gewissen Grad wachsen, :damit sie als „gesunde Wirtschaft“ gilt? Falls ja, weshalb?
Antwort: Die Wirtschaft muss gar nix…Wachstum ist nicht alles, qualitative Aspekte fallen bei der herkömmlichen Betrachtung ausser Betracht. Doch traditionell ist man der Ansicht, dass Wachstum gut und nötig ist. Dabei fokussiert man klar auf das Pro-Kopf-Wachstum. 

Es gibt durch Bevölkerungswachstum einen entsprechenden Schub für das Wachstum; das hat man gut in der Schweiz gesehen, als etwa 100’000 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien nahezu gleichzeitig hereinkamen; das BIP stieg aussergewöhnlich an. Bei der Heimkehr dann der umgekehrte, bremsende Effekt, allerdings verteilt über mehr als ein Jahr. 

Wächst die Wirtschaft stärker als die Bevölkerung, würde man annehmen, dass sie „gesund“ ist. Muss nicht sein, man müsste sich die Verteilungsproblematik auch noch ansehen.

Da viel im konjunkturellen Geschehen von Psychologie und Erwartungen abhängt, kann eine Stagnation die Gemüter so trist stimmen, dass kein Wachstum zu Stande kommt; irgend jemand müsste ja mit investieren und/oder konsumieren anfangen… Insofern könnte man argumentieren, dass ein Nullwachstum auf aggregierter Basis auch dann als negativ zu bewerten wäre, wenn die Bevölkerung stagniert oder gar schrumpft (dann hätten wir eine miese Stimmung, auch wenn wir Pro-Kopf-Wachstum haben)

Stagniert das Pro-Kopf-Einkommen oder schrumpft gar würde man schon annehmen, das sei negativ. 

>>:Im Moment wächst die Wirtschaft in vielen Staaten schneller als die Bevölkerung und trotzdem ist in all diesen Staaten von Rezession die Rede

Antwort: Das kann nicht sein:

  1. Die Bevölkerung wächst nicht überall, in EuropA SCHRUMPFT sie gar in einigen Ländern so wohl in Deutschland und in Polen.
  2. Unter Rezession versteht man ein Schrumpfen der Wirtschaft, also einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes. 
    3.Von Rezession ist auch nicht die Rede, wenn die Wirtschaft langsamer wächst als die Bevölkerung; zwar schrumpft das Pro-Kopf-Einkommen, aber die Wirtschaft wächst insgesamt.

Das Missverständnis vielleicht: Gegenwärtig haben wir in den meisten Ländern ein (schmales) Wachstum; es wird IN DER ZUKUNFT eine Rezession, also ein Umkippen der positiven Wachstumszahlen in negative erwartet.

Grüsse
Rudolf

Hallo Thierry,

ich versuche mal das Ganze für Nichtvolkswirte verständlich zu machen. Wenn etwas unklar ist, bitte weiter nachfragen.

Also Zinsen sind kein Geld - das könnte einfach gedruckt werden - sondern Einkommen. Dahinter steckt ein reale Produktionsprozess. Und zwar geben die Banken die Ersparnisse der Kunden an andere Kunden, die Kredite benötigen. Hier sind zwei Kundengruppen zu unterscheiden: die Unternehmen, die mit den Krediten Investitionen finanzieren. Durch diese Investitionen kann mehr produziert werden, was zu steigenden Gewinnen führt mit denen die Unternehmen wiederum neben den Krediten auch die Zinsen bedienen. Zum anderen die Haushalte, die über Kredite z.B. ihre Eigenheime finanzieren. Auch hier werden die Zinsen aus Einkommen gezahlt, die durch Arbeit entstehen - also auch Produktion. Da Unternehmen mehr prodzieren durch die Investitionen kann auch mehr gearbeitet werden.

Was Deine Frage nach dem Zusammenhang von Bevölkerung und Wachstum betrifft, da gibt es die klassische Ökonomenantwort: es kommt darauf an. Wenn eine Bevölkerung nicht mehr wächst, kann das Wachstum auch stagnieren. Ein großer Anteil des Wachstums kommt aus dem Konsum der Menschen und wenn es davon nicht mehr gibt, wird auch nicht mehr konsumiert, nicht mehr produziert… Aber Menschen wollen naturgemäß immer mehr und immer mehr neue Sachen haben. Also wollen die selbe Menge an Menschen auch mehr Güter konsumieren, so daß auch trotz konstanter Bevölkerung Wachstum existieren kann.

Die Rezession, von der Du sprichst, ist eine normale Phase im Konjunkturzyklus. Immer wenn die Produktion in einzelnen Ländern zu schnell und zu stark gewachsen ist und das zu Preissteigerungen führt oder der Staat - wie das aktuell der Fall ist - sparen muß und somit weniger einkauft, geht die Wirtschaftsleistung der einzelnen Länder zurück, da dann weniger Güter produziert werden. Das nennt man Rezession. Meist folgt auf eine Phase der Rezession wieder ein Aufschwung, weil die Leute wieder mehr Güter haben wollen und auch der Staat bsp. bei den Straßen oder den Schulen wieder mehr Aufträge z.B. für Renovierung/ Instandsetzung ausgibt.

Hoffentlich konnte ich das einigermaßen klar und verständlich erklären. Wenn nicht - einfach nochmal nachfragen…

Viele Grüße,
Susanne

Hallo Susanne

Vielen Dank für Deine Antwort!
Einiges ist mir nun klarer. Allerdings möchte ich gerne noch einmal etwas nachhaken:

Du schreibst „Zinsen sind kein Geld sondern Einkommen“, damit bin ich einverstanden. Für die Bereitschaft Geld auszuleihen wird man entlöhnt. Dass Geld zahlt die Bank aus, diese „verrechnet“ es ihren Kunden in Form eines etwas höhren Zinses. Im Beispiel des Unternehmen als Kunden braucht dieses Kapital um ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Der Preis ihrer Produkte muss alle Kösten mindestens enthalten und somit auch den an die Bank zu zahlenden Zins. Somit trägt schlussendlich der Konsument die Kosten des Zinses. Ist das richtig schlussgefolgert?

Weiter schreibst Du: „Menschen wollen naturgemäß immer mehr und immer mehr neue Sachen haben.“
Ich bin nicht sicher ob sich damit die Notwendigkeit des Wirtschaftswachstum begründen lässt. Anders gesagt denke ich nicht dass der Mensch unglücklich wird, wenn sein Lebensstandard auf einem gewissen Level bleibt, sofern dieses einigermassen erträglich ist.
Deshalb denke ich, dass eine nicht wachsende Bevölkerung mit einer nicht wachsenden Wirtschaft glücklich sein könnte.

Die am weitesten verbreitete Definition von Rezession ist laut Wikipedia allerdings „wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder ein Rückgang zu verzeichnen ist.“

In einer funktionierenden Gesellschaft mit ausreichendem Lebensstandard müsste also die Wirtschaft stetig wachsen.
Hand aufs Herz - das macht langfristig doch keinen Sinn.

Was meinst Du dazu?

Mit gutem Gruss
Thierry

Hallo Rudolf

Vielen Dank für Deine Antwort!
Einiges ist mir nun klarer. Wenn nun für 20.- eine Pizza essen gehe, wandert ein Teil davon an die Bank, welche dem Restaurantesitzer Kredit gewährt hat. Über die Bank landet das Geld schliesslich beim Sparer. Somit werden schliesslich alle Zinsen von den Konsumenten bezahlt. Richtig?

Weiter: Du hast recht, in einigen wenigen Ländern schrumpft die Bevölkerung, und auch der ganze Euroraum wächst nur sehr langsam (2.7promille/jahr).
Dies unterstreicht ja gerade die Tatsache, dass die Wirtschaft schneller wächst als die Bevölkerung.

Mein Gedankengang war folgermassen: Eine Bevölkerung der Grösse A braucht eine Menge X an Gütern, die produziert werden muss (Wirtschaft), damit ein gewisser Lebensstandard gewährleistet werden kann. Wenn die Bevölkerung wächst, muss auch die Menge an Gütern grösser werden damit sich der Lebensstandard nicht verschlechtert.

Allerdings gewinne ich aus den Zeitungen den Eindruck, dass in Wirklichkeit die Wirtschaft wachsen MUSS damit der Lebensstandard GLEICH bleibt, auch wenn die Bevölkerung nicht oder nur mässig zunimmt.

Laut Wikipedia ist die am weitesten verbreitete Definition von Rezession der Zustand, „wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder ein Rückgang zu verzeichnen ist.“

Die Rezession ist also unabhängig vom der Bevölkerungsgrösse. Meine Frage ist, weshalb Rezession etwas schlechtes ist für eine Bevölkerung deren Wachstum ebenfalls stagniert. Der Lebensstandard sollte sich dann eigentlich nicht verschlechtern.

Anscheinend tut er das aber - und das leuchtet mir nicht ein.

Ich hoffe Du verstehst nun meine Frage etwas besser. Was meinst Du dazu?

Mit gutem Gruss
Thierry

Hallo economist

Vielen Dank für Ihre Antwort. Die Zusammenhänge sind mir nun etwas klarer. Habe ich folgendes richtig verstanden?

Zum Zins: Den Zins zahlt die Bank dem Sparer, indem sie den Kredit den sie den Kreditoren gewährt etwas höher verzinst (sie selbst will ja auch einen Gewinn). Die Kreditoren wiederum müssen das Geld nun irgendwie auftreiben und tun dies indem sie die Zinskosten durch den Verkauf ihrer Produkte hereinholen. Somit werden die Zinsen schliesslich von den Konsumenten getragen. Richtig?

Zum Wirtschaftswachstum: Sie schreiben, dass man langfristig davon ausgeht, „dass die Wirtschaft wächst, bedingt durch den technologischen Fortschritt, da man immer einen Weg finden wird, effizienter zu produzieren.“
In diesem Punkt stimme ich nicht ganz überein. In den letzten Jahrzehnten konnte die Effizienz der Produktion stetig gesteigert werden. Dass dies allerdings bis in alle Ewigkeit der Fall sein wird, bezweifle ich. Die Mehrkosten übersteigen irgendwann den Mehrwert, irgendwann kann man zum gleichen Preis nicht mehr noch schneller und noch mehr produzieren und irgendwann werden auch die Rohstoffe knapp, die man zur Produktion braucht.

Deshalb denke ich, dass man früher oder später gezwungen sein wird, mit einer stagnierenden Wirtschaft zu leben.
Dies sollte eigentlich doch auch kein Problem darstellen. Wenn eine stagnierende Bevölkerung eine stagnierende Menge an Gütern produziert, sollte den Lebensstandard aufrechterhalten können.

Allerdings gewinne ich aus den Zeitungen den Eindruck, dass in Wirklichkeit die Wirtschaft wachsen MUSS damit der Lebensstandard GLEICH bleibt, auch wenn die Bevölkerung nicht oder nur mässig zunimmt.

Das verstehe ich nicht.

Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüssen
Thierry Lustenberger

Ich denke, ich habe die Frage schon verstanden. Und mindestens eine Teilantwort gegeben.

Daraus könntest Du lesen, dass Rezession eben nicht unabhängig vom Bevölkerungswachstum ist; das kann man aus der Definition von Wikipedia nicht schliessen.

Und ob der Lebensstandard gerade gleich bleibt, wenn das Bruttoinlandprodukt gerade mit Null Prozent wächst bei einem Bevölkerungswachstum von Null Prozent ist für mich nur Buchhalterisch und auf den ersten Blick klar. Ich hatte dich auf die Verteilungsproblematik hingewiesen.

Nochmals: Mehr als: „Insofern könnte man argumentieren, dass ein Nullwachstum auf aggregierter Basis auch dann als negativ zu bewerten wäre, wenn die Bevölkerung stagniert oder gar schrumpft (dann hätten wir eine miese Stimmung, auch wenn wir Pro-Kopf-Wachstum haben)“ werde ich nicht sagen!

Hallo,

Zum Zins: Dies ist korrekt, die Bank macht ihr Geschäft zum größten Teil aus den Zinserträgen welches in die GuV abgebildet wird. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Zinsspanne. Die Kreditoren (u.a. private Haushalte, Unternehmen und Staat) tilgen den Kredit über ihr Einkommen. (Ein Teil wird konsumiert, ein Teil gespart, also Spareinlagen und der letzte Teil investiert. Die Invesitionsquote hängt u.a. wiederrum mit Investitionsanreizen des Staates zusammen (z.B. Investitionsfreibeträge oder Vorzeitige Abschreibung von Wirtschaftsgütern…). Im groben kann man also der Theorie zustimmen, dass die Zinsen vom Konsumenten getragen werden (hiezu zählen aber wie oben erwähnt auch alle anderen Wirtschaftssubjekte wie Staat und Unternehmen.)

Bezüglich Wirtschaftswachstum: Ich möchte hier gerne auf die Theorie des abnehmenden Grenznutzens hinweisen. Hierbei werden z.B. solange Arbeitskräfte eingestellt, bis ein zusätzlicher Input an Arbeit „y“ nicht mehr zu einem zusätzlichen Output iHv. einer Einheit entspricht.

Außerdem kommt hier natürlich der Aspekt des Marktgleichgewichts eine hohe Bedeutung zu. Es gibt einerseits die „Wiener Schule“ als auch die „Chicagoer Schule“. Man geht einerseits von einem Marktgleichgewicht aus (dh. Angebot = Nachfrage) und die Marktkräfte tendieren dazu ins Ungleichgewicht zu fallen. Aufgrund unterschiedlicher exogener Faktoren kommt es in weiterer Folge wieder zu einer Annäherung zum Gleichgewicht. Man spricht in diesem Zusammenhang also von einem Pendeln zwischen Gleich- und Ungleichgewichten. Z.b. gibt es einem Bestimmten Preis § für Brot (x1). Das Gleichgewicht befindet so dort, wo die Steigung von p jener von x1 entspricht. Sagen wir nun, dass es aufgrund von einer Steuererhöhung zu einer Verteuerung der Produktion von Brot kommt. Der Produzent wird p1 erhöhen und der Konsument wird die Nachgefragte Menge x1 anpassen (verringern). Es ensteht also ein neues Gleichgewicht.

Zur Problematik der Rohstoffe. Hier gibt es zwei Aspekte. Endliche Rohstoffe werden in langfristiger Sicht durch Substitute ersetzt werden können. Und weiters sind die Kaufpreielastizitäten erwähnenswert. Preissteigerungen speziell in Rohstoffe werden bzw. können von den Konsumenten meist nicht ohne weiteres substituiert werden. Nimmt mann z.B. Käse: Gouda steigt hier der Preis wird der Konsument relativ rasch auf ein Substitut umsteigen wie z.B. Emmentaler. Dies funktioniert beim Benzin oder Gas nicht so leicht.

…Die Annahme dass die Wirtschaft immer wachsen wird ist nicht unbegründet. Ein langfristiger Vergleich zeigt, dass es genau „immer ein best. Wachstum“ gegeben hat und gibt. Dies heißt nicht, dass es keine Rezessionen oder gar Depressionen geben kann…(massive Outputgaps) .sondern nur das im (un-)endlichen Vergleich die Wirtschaft letztlich immer wächst.

Die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden werden sicherlich im Laufe der Zeit einen Anpassungsprozess erfahren. Man denke z.B. an den Beginn der Arbeitsteilung (vgl. Karl Marx - das Kapital - Bsp. Produktion einer Stecknadel). Oder wie massiv werden die staatlichen Eingriffe in den Markt ausfallen (Regulierungen). Dezentralisation oder Zentralisation. Auch die Nachfrage wird dadurch bestimmt wie sich z.B. das Währungsgefüge entwickeln wird. --> Kann eine zentrale Währung funktionieren, wenn die beteiligten Staaten in Summe betrachtet, eine völlig heterogene soziodemographische Struktur aufweisen?

Wie erwähnt langfristig im Sinne von unendlich brauchen wir Wachstum (vgl. der Mensch als homo oeconomicus bzw. MiniMax - Prinzip!). Dies heißt aber wie gesagt nicht, dass es keine Kriege, Depressionen, Hyperinflationen oder auch völlig Arnachie (wg. fehlendem Grundkonsens der Bevölkerung der Verfassung betreffend)geben kann.

Es ist jetdoch sicherlich nicht zu verneinen, dass wir uns gegenwärtig in einem Spannungsfeld befinden, welches historisch so noch nicht gegeben war. Auf die gegenwärtige Situation und Ausblick müsste aber im Rahmen einer anderen Fragestellung näher eingegangen werden, wenn gewünscht?

Ich hoffe nicht noch mehr zur Verwirrung beigetragen zu haben und stehe für weitere Anregungen oder Wünsche gerne bereit.

schöne Grüße

Hallo Thierry,

letztendlich zahlen wir als Kunden die Zinsen mit. Da hast Du schon recht, da die Unternehmen ja alle Kosten zusammeziehen um Preise für die Güter zu kalkulieren.

Eigentlich würde ich Dir emotional zustimmen, was den gleichbleibenden Lebensstandard betrifft. Aber wir leben heute in einer Gesellschaft, die den Lebensstandard über die Anzahl der Güter misst, die sich ein Mensch leisten kann. Und da wird danach gesehen, ob es mehr wird oder nicht. Dann gibt es den Ansatz von einem Wissenschaftler namens Maslow (Maslowsche Bedürfnispyramide), der eben beschrieben hat das nach der Befriedigung von Bedürfnissen nach bestimmten Gütern neue Bedüfnisse enstehen - nicht immer nur materielle - die sich aus der weiterentwicklung des Menschen ergeben. Da Menschen eben dazu tendieren sich weiter entwickeln zu wollen - wobei ich hier nicht über die individuelle Vorstellung von Weiternentwicklung philosophieren möchte - bedeutet das automatisch auch neue Güter und Dienstleistungen für die Betreffenden. Ein nächstens Problem in diesem Zusammenhang betrifft den technischen Fortschritt in unseren Gütern, der automatisch den Wunsch nach neueren Produkten bei z.B. TV, Waschmaschinen etc. auslöst und damit auch weitere Nachfrage schafft. Letztlich haben wir durch den demographischen Wandel zusätzlich noch das Problem der Finanzierung der Sozialsysteme bei sinkender Erwerbsbevölkerung, das Wachstum erfordert. Es ist also nicht so ganz einfach, das alles ohne Wachstum zu stemmen.
Langfristig ist dieser Wachstumsansatz unter vor allem ökologischen Gesichtspunkten problematisch, da Wachstum in der heutigen Ausprägung eben auch mit der Verwendung von Ressourcen verbunden ist, auch wenn die Energieeffizienz deutlich besser ist als noch von 10 oder 20 Jahren. Aber viele Ressourcen sind eben begrenzt.

Gruß Susanne

Hallo Susanne

Danke nochmals für diesen wertvollen Input. Das Thema Wirtschaftswachstum hat mich in letzter Zeit doch sehr beschäftigt und die Diskussion mit Dir hat mir viel gebracht.

Durch Googlerecherchen ist mir vor allem eins klar geworden: Viele Ökonomen scheinen selbst überhaupt nicht zu wissen, weshalb die Wirtschaft wachsen muss, damit es uns gut geht. Es hat mehr den Anschein, als ob die Notwendigkeit des Wachstum vorausgesetzt wird und im Nachhinein versucht wird, sich zu erklären weshalb.

Offenbar fragt sich fast niemand, wie ein Wirtschaftsystem aussehen könnte, das auch gesund ist wenn es nicht wächst und ob unser eigenes Wirtschaftssystem überhaupt dazu in der Lage wäre.

Für mich als Biologe ist es ziemlich klar, dass unser Konsum nicht stetig wachsen kann. Ich weiss jetzt was du denkst, ach ein Biologe ist das, so ein Öko halt. Wenn ich in dieser Sache ökologische Bedenken habe, ist das aber nicht wegen des bengalischen Bergtigers oder des Korallensterbens. Solange diese Dinge uns nicht am eigenen Körper betreffen, können sie uns ***egal sein. Ich denke wir sind noch nicht weit genug, dass wir aus ethischen Gründen grosse globale Probleme lösen können. Wenn sie allerdings unser Überleben beeinträchtigen, werden wir relativ schnell handeln.

Ich als Biologe mache folgendes Gedankenexperiment: Ich zoome aus meinem Blickwinkel als einzelner Mensch heraus und sehe die menschliche Weltbevölkerung als eine Tierpopulation, die die Welt sehr verbreitet bevölkert hat. Bis jetzt konnte sich diese Population immer weiter verbreiten. Ganz banal kann man die Population mit einer Bakterienpopulation vergleichen, die in einer Petrischale wächst (wie gesagt, ein Gedankenexperiment). Irgendwann wird die Population an eine Kapazitätsgrenze stossen. Sie kann noch so effizient in der Beschaffung und Rezyklierung von Rohstoffen werden, irgendwann kommt sie an die Kapazitätsgrenze K. Ab dann kann sie nicht noch mehr produzieren und auch nicht noch mehr konsumieren. Die Tatsache, dass die Wirtschaft bis jetzt immer gewachsen ist, ist also in keiner Weise ein Grund zur Annahme dass sie dies weiterhin tun wird.

Findest du das widersprüchlich, oder stimmst du dem zu?

Natürlich will der Mensch immer mehr - wenn es vor seinen Füssen liegt. Früher oder später müssen wir uns aber mit dem zufrieden geben, was wir haben, da die Erde nicht mehr hergeben wird. Eine andere Wahl haben wir gar nicht. Unglücklich werden wir darüber auch nicht sein, ehrlich gesagt bin ich mit dem Lebensstandard den ich jetzt habe, schon mehr als zufrieden.

Die Frage ist nur, wie wird sich das äussern, wenn die Kapazitätsgrenze erreicht wird? Wie werden wir gezwungen, nicht weiterzuwachsen? Tiere fressen sich gegenseitig die Nahrung weg - auf dieses Szenario bei uns Menschen habe ich allerdings nur begrenzte Lust.

Ich denke so, wie wir heute eine regulierte Wirtschaft haben, die für alle viel angenehmer ist als die absolut freie Marktwirtschaft, genau so könnten wir einen regulierten Wechsel zu einem nicht wachsenden Wirtschaftssystem angenehmer einleiten.

Dazu müssten sich Ökonomen allerdings langsam Gedanken machen, wie ein solches Wirtschaftssystem funktionieren könnte.

Sag mir ganz ehrlich, ob du das eine biologen Spinnerei findest oder ob du meine Gedanken nachvollziehen kannst.

Eine Idee, wo der Wurm im jetztigen System steckt habe ich schon, damit verschone ich dich jetzt aber :smile:

Sag mir, was du von all dem hältst!
Gruss

Thierry

Hehe, mein biologisches Gedankenexperiment ist wohl etwas gar apokalyptisch angekommen…

Hallo Thierry,

tut mir leid, daß ich erst jetzt antworte. In den letzten 1 1/2 Wochen war bei uns auf Arbeit die Hölle los und solch einen Gedankenaustaussch bekomme ich nicht in 3 Minuten zwischen Chaos, Panik und Hektik hin. Aber seit heute 14:45 habe ich ein paar Tage frei und kann jetzt auch abschalten und mich anderen Dingen zuwenden. Meine Sendepause hat also nichts mit denem Bioexperiment zu tun. Hatte zwar im Abi das letzte mal mit Bio zu tun aber da immer gerne, auch wenn nicht extrem viel hängen geblieben ist.

Dein Gedankenexperiement ist gar nicht so weit von einem etwas sehr alten Ansatz in der VWL weg. Es gab mal einen Ökonomen namens Malthus (einer der Altväter der Wirtschaftslehre), der hat sich überlegt, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum gibt. Und er hat dann folgende Überlegung gehegt: die Bevölkerung wächst expotentiell während die Wirtschaft nur linear wächst. Daher kann zu Beginn eines Zykluses die Wirtschaft die Menschen problemlos versorgen und die Menschen vermehren sich auf Grund der guten Voraussetzungen. Dann kommt jedoch die Wachstumsgrenze. Die Menschen werden immer schlechter versorgt, es kommt zu Krankheiten bis hin zu Epedemien die die Bevölkerung massiv reduziert. Daher ist die Wirtschaft wieder in der Lage die Menschen zu versorgen, die Bevölkerung wächst wieder…usw.
Wenn man das Ganze jetzt mal global betrachtet, wächst die wirtschaft international ja, aber ist nicht in der Lage alle Menschen zu versorgen und daher kommt es in weniger privilegierten Regionen wie Afrika zu Hungersnöten mit den bekannten Folgen. Hier könnte man jetzt ansetzen und argumentieren, das die Wirtschaft weiter wachsen könnte/ müsste, um alle versorgen zu können.
Dem widersprechen jedoch zwei reale Fakten: die Verteilung der Güter ist regional sehr einseitig und das werden die Unternehmen auf Grund ihrer Gewinnorientierung nicht ändern und es geht um die Ernährung und damit um die weitere Nutzung begrenzter Flächen, Wasserressourcen… Hier wäre nur mit Forschung & Entwicklung eine Lösung zu finden, jedoch mit ungekannten Folgen (vgl. Genmais…).

Die von Dir angesprochenen Kapazitätsgrenzen machen sich schon jetzt bemerkbar. Bei knappen Ressourcen steigen die Preise und manches wie z.B. Rohöl steigt inzwischen in solche Preishöhen, daß hier mittlerweile Preisobergrenzen erreicht sind. Solche Preise kan man/ frau sich auf Dauer nicht leisten. Ober aber wir müssen, wenn man an Heizung, Benzin etc. denkt und können dann eben andere Sachen nicht mehr oder nicht mehr so oft kaufen. Man muß ja auch nicht jedes Jahr 4 - 5 Paar neue Schuhe haben. Das wirkt sich natürlich auch jetzt schon auf die Nachfrage und damit auf das Wachstum bei uns aus. Die Wachstumsraten sind bei weitem nicht mehr so hoch wie noch vor 20 Jahren.

Es gibt in diesem Zusammenhang schon seit längerem Überlegungen wie wo was wann… bei den Ökonomen. Das hat mit Meadows/ Meadows „Die Grenzen des Wachstums“ angefangen, geht über Überlegungen, wie man die Nutzung der Umwelt in die Berechnung des BIP einbinden kann - was die Wachstumsraten deutlich absenken würde - und anderes mehr. Allerdings ist dieser Gedanke des qualitativen wachstums noch nicht in der Wirtschaft und der Politik angekommen.

So - kurz und knapp und hoffentlich für Dich weiter bringend.

Gruß Susanne