Nicht das Partikulare zum Universellen aufblasen
Hi Claus.
Da unsere Wilber-Debatte ziemlich OT ist und ich einer Intervention des Mods zuvorkommen möchte, schlage ich vor, das Thema in einem separaten Thread fortzuführen. Die Initiative dazu kann ich angesichts deines Fleißes getrost dir überlassen.
Zum Willensthema noch zwei Takte:
Du sagst, dass das Atmen ein „muss“ ist. Na und was ist dann dieses „Müssen“ als ein Wille, der uns selbst beim atmen weitgehend UNBEWUSST ist als Wille, den Sigmund Freud in Anlehnung auch an Schopenhauer und Nietzsche zurecht „Es“ nennt, das heißt „Es“ will atmen und nicht „Ich“ will.
Das sind Konstrukte, die ziemlich in der Luft hängen. Zu einem Willen gehört immer noch ein Wollender bzw. etwas Wollendes. Was soll das im Falle eines universalen Weltwillens konkret sein?
Der Willensbegriff scheint hier also überfordert zu sein. Er ist der empirischen Menschenwelt entnommen (Menschen „wollen“ etwas) und wird hypostasierend auf das Universum projiziert, mitten hinein ins Transzendente, das eh schon überfüllt ist mit skurrilen Projektionen (Gott, Allah usw.). Das kann schnell zu Unstimmigkeiten und logischen Problem führen.
Auch setzt du voraus, dass man zwischen einem freien und einem unbewussten Willen unterscheiden kann. So einfach ist das aber nicht. Der freie Wille ist nur eine Hypothese oder bestenfalls ein notwendiges Postulat.
Das größte Problem dabei ist, dass man dem Universellen nicht die Züge des Partikularen verleihen sollte. „Wollen“ aber ist etwas Partikulares, es ist ein Teil der Welt, der über Gebühr zu einem Weltprinzip aufgeblasen wird, wenn man vom „Weltwillen“ spricht.
Dann treten nämlich unüberbrückbare Widersprüche auf. Wenn alles Wille ist, dann ist auch der Widerstand gegen die Lehre vom Weltwillen ein Produkt des Weltwillens. Ja, sogar jedes fürchterliche Verbrechen wäre ein Ausdruck des Weltwillens, nicht anders als die Gesetze gegen diese Verbrechen. Der Begriff gibt also viel zu wenig her, um ein universales Prinzip begründen zu können. Man könnte auch keine Ethik aus ihm ableiten.
Dagegen verstehe ich unter dem BEWUSSTEN Willen (im Gegensatz zu Unbewusszten Willen), dass wir Philosophieren, ein willendliches FÜHLBARES Bedürfnis, wie Hunger und Durst usw. FÜHLBARE Bedürfnisse und deshalb auch WAHRHEITEN für alle Menschen sind, ganz unabhängig ihrer jeweiligen WAHRHEITSINTERPRETAIONEN
Hunger, Durst usw. gehören laut Vedanta zur Sphäre der Maya, der Illusion. Da die Maya nun einmal verdammt mächtig ist, erscheinen ihre Produkte als verdammt real. Aber das gilt doch auch für s e h r viel mehr Dinge als Hunger und Durst.
Innerhalb dieser Maya gilt natürlich die Aussagenwahrheit. „Ich habe Hunger“ kann eine wahre Aussage sein - innerhalb der Maya, wohlgemerkt. Im Brahman fällt das weg, da das universelle Bewusstsein keinen Hunger kennt.
Gruß
Horst