Mystik vs. Fanatismus
Hi Claus.
Du hältst einen ja richtig auf Trab 
… weil ich mich selbst jahrelang mit östlicher Philosophie
beschäftigt habe, aber eben nicht aus dem Grund der Mystik,
sondern der PSYCHOLOGIE, die in der westlichen Kultur generell
MECHANISTISCH ist in ihrer Sprache. Dies gilt sogar für Psychologen und Philosophen, wie z. B. Maslow, Wilber oder
Capra usw., weil sie sich eben gerade NICHT auf die Sprache
der Mystik einlassen wollen.
Wilber lässt sich nicht auf die Sprache der Mystik ein? Er hat wie kein anderer versucht, Mystik und Wissenschaftlichkeit zu verbinden, und das mit einem tiefen Verständnis für das Mystische. Er zitiert zudem oft asiatische Mystikliteratur (Haikus, Zen-Sprüche usw.). Da haust du wieder hübsch auf den Putz.
Icih zitiere eine Wilber-Stelle, die ihrerseits einen tibetischen Mystiker zitiert:
„Dies Gewahrsein, ohne ein Innen oder Außen,
ist offen wie der Himmel.
Es ist allesdurchdringende Wachheit, frei von
Beschränkung und Voreingenommenheit.
Im weiten, offenen Raum dieses allumfangen-
den Geistes
manifestieren sich alle Phänomene von
Samsara und Nirvana wie Regenbogen am
Himmel.
In diesem Zustand unablässiger Bewußtheit
ist alles Erscheinende und Existierende wie
ein Spiegelbild -
es erscheint und ist doch leer, es tönt und ist
doch leer.
Sein Wesen ist Leerheit von Urbeginn an.“
Tsogdruk Rangdrola
(aus: Ken Wilber: „Eros, Kosmos, Logos“)
Dann behauptest du, nur die westliche Psychologie konzipiere mechanistisch. Irrtum. Es gibt die buddhistische Abhidarma-Psychologie, die gleichfalls Aspekte hat, die man mechanistisch nennen könnte (in dem Sinne, dass der menschliche Geist fein säuberlich in seine Bestandteile zerlegt wird, die kausal interagieren).
Zitat:
http://www.tibet.de/studium/grundstudium/neuer-lehrp…
"Hinzu kommen entsprechend dem System des Abhidharma Begriffe und Kategorien wie die 18 Elemente, 12 Sinnesquellen und fünf Aggregate, welche erklären, wie aus buddhistischer Sicht die Welt und die Lebewesen beschaffen sind, wie Sinneswahrnehmungen zustande kommen usw.
Im Abhidharma werden die Phänomene eingeteilt in materielle und immaterielle, befleckte und unbefleckte, verursachte und unverursachte usw. In diesem Zusammenhang werden auch Themen besprochen wie die sechs Ursachen, die fünf Wirkungen, die vier Umstände, Karma (Handlungen und ihre Resultate), sowie Grundlagen der ethischen Disziplin (Vinaya) …
Die buddhistische Psychologie wird anhand der Darstellung von Geist und Geistesfaktoren, den sieben Arten von Gewahrsein und Erkenntnis sowie den verschiedenen Arten der Wahrnehmung von Objekten eingehend betrachtet."
Zitat Ende.
Was bleibt ist sind zwei Weltanschauungs-Axiome, die gemeinsam
die Welt beherrschen: Gott als Methaper einer „Philosophie des
Als Ob“ sowie die „Mechanik“ als einer „Philosophie des Als
Ob“.
Auch hier kann ich dir nicht folgen. Was soll das heißen, „Gott“ sei eine philosophische Metapher? Dieser Begriff kommt nicht aus der Philosophie, sondern entstammt Epochen eines naiven mythisch-religiösen Denkens. Bitte nicht dieses klare Faktum aus dem Blick verlieren. Danke.
…im Gegensatz zu der „ersten“ Phase
seines Denkens, wo er so naiv ist, die Sprache als eine exakte
ABBILDUNG der Wirklichkeit zu betrachten, so naiv, wie die
Buschneger, die an ein Totem glauben und es als WAHRHEIT
definieren.
Just in dieser ersten Phase aber sprach er auch von der Mystik als dem Unsagbaren (ich zitierte ja aus dem Tractatus). Ganz so naiv war er also auch damals nicht. Und er hatte zeitlebens diese mystische Affinität, auch als Wittgenstein II.
(Am Rande: „Buschneger“ ist als Wort mega-out)
Was ich sagen will, ist im Kern, dass durch die Demokratie der
globalen Mediengesellschaft die Wahrheit „aufgeweicht“ wird,
die seit Jahrtausenden für alle Menschen in einer Kultur als
„politisch korrekt“ vertreten wurde.
Die Einzahl „Wahrheit“ ist hier extrem ungebracht. Auch früher war die Welt voll von sich widersprechenden Wahrheits-Konzeptionen, nicht anders als heute. Der Unterschied ist, dass damals die Konzeptionen in der Regel mit Gewalt propagiert und verbreitet wurden. Die Demokratie gibt den einzelnen Weltanschauungen ein formal gleiches Recht und dem Individuum die Möglichkeit, ungefährdet einem religiösen Weltbild frönen zu können.
Was du als „Aufweichen“ bezeichnest, ist das Zerbröckeln autoritärer Gewaltstrukturen, die bestimmte Welt-Konzepte als Dogma gewaltsam durchsetzten.
Das ist ein großer Unterschied. Du verwechselst also wieder einmal etwas: nämlich „Wahrheiten“ und die politisch-religiösen Machtstrukturen, die diese „Wahrheiten“ vertraten. Dass z.B. die christliche „Wahrheit“ aufweichte, liegt einfach nur daran, dass sie nicht mehr gewaltsam durchgesetzt und zementiert werden konnte.
Dieser Anspruch auf eine
ewig gleichbleibende WAHRHEIT wurde heute schon weltweit bei
den gebildeten Schichten „erschüttert“
Das ist einfach nur ein Christo-Zentrismus, der aus dir spricht, auch wenn du kein Christ bist. Die Welt ist voller anderer metaphysischer Konzepte, die in deiner Argumentation gar nicht auftauchen.
und wird sich in der
Zukunft noch weiter „aufweichen“, über das Internet und alle
sonstigen Medien, über die immer mehr Normalbürger zu Wort
kommen und nicht mehr ausschließlich nur wenige Machthaber,
wie früher.
Immer wieder dein „Normalbürger“. Kenne ich immer noch nicht. Meinst du vielleicht den Hemm-Bürger?
Gegen die „Aufweichung“ der Wahrheit kämpfen
fundamentalistische GLÄUBIGE an, bis zur Tötung von
„Ungläubigen“ und sich selbst. Warum gibt es diese Kämpfe
überhaupt um die sogenannte „ewige Wahrheit“ oder
sozialpsychologisch gefragt:
Was ist das so genannte Mystische??
Das sind doch völlig verschiedene Fragen.
- Warum es diese Kämpfe gibt, das hat komplexe Gründe, die man hier nicht mit links auflisten kann. Da vermischen sich jedenfalls politische Motive mit primitiv-magischem Denken und sadistischen Impulsen, die sich ausleben wollen.
Mit Mystik hat das nichts zu tun, das ist doch wohl klar. Denn das Mystische ist
- das Bewusstsein bzw. die Erfahrung des Einsseins von indivdiuellem und universellem, non-personalem Geist.
Aus diesem Bewusstsein kann unmöglich ein theoretisches oder praktisches Konzept erwachsen, das nach gewaltsamer Durchsetzung der mystischen Idee strebt. Die religiösen Fanatismen entspringen immer einem monotheistischen Glauben, bei dem das Wahre mit dem Glauben an einen allmächtigen personalen Gott zusammenfällt.
Einer plausiblen Hypothese zufolge (die ich bei Wilber las) entspringt dieser Bekehrungsfanatismus den eigenen unbewussten Glaubenszweifeln des Fanatikers. Er projiziert diese Zweifel auf „Nichtgläubige“, um sie, die Zweifel, mit Gewalt im Andern zu bekämpfen. Nur so kann er den eigenen Glauben stabilisieren.
Gruß
Horst