Hi Marion,
Hab ich das also richtig verstanden, dass es alle möglichen
Textstellen gab, die kursierten, und irgendwann hat sich (wer
?) hingesetzt und diese ganzen Textstellen aussortiert und
beschlossen, was nun dazu gehört, was nicht und in welcher
Reihenfolge und das Ergebnis war dann das, was wir heute als
Bibel kennen, von der es wiederum unterschiedliche Versionen
gibt ?
Nicht ganz. Denn damals - also auch schon im 1. Jhdt. natürlich - haben die Texte ja komplett vorgelegen und sind verbreitet worden. Sie wurden ja diskutiert damals und von diesen Diskussionen hat man ja ebenfalls Kenntnis gehabt und hat sie auch heute.
Taju hat inzwischen ja genaueres darüber gechrieben. Eben durch diese Dokumente damaliger Auseinandersetzungen findet man u.a. Argumente für das Mindestalter des einen oder anderen Textes. Daß man heute keine kompletten Papyri hat, manchmal sogar nur Schnipsel
http://metapher.apk.is-a-geek.net/gallery/P_Oxy_LXV_…
http://metapher.apk.is-a-geek.net/gallery/fragboth.gif
liegt eben daran, daß nach und nach vieles verloren gegangen ist, oder zersetzt wurde.
Aber manche problematische Passage, wo es manchmal um ein Komma geht oder ein Iota, kann man gottseidank auch heute noch an alten Papieren studieren, die recht komplett vorliegen, wie z.B. bei diesem „gut lesbaren“ Joh.-Ev. vom Ende des 2. Jhdts:
http://metapher.apk.is-a-geek.net/gallery/BODMER2C.jpg
Eine ganz andere Frage ist dann, welche Texte überhaupt in den Kanon aufgenommen wurden. Das wurde dann jeweils auf Synoden diskutiert und entschieden, wie es ja beim buddhistischen Kanon auch war.
Und wenn es so ist, wie kommt es, dass die schiere Menge des
christlichen Kanons so mager ausfällt ?
Vielleicht, weil es soviel nicht zu schreiben gab?
Kann man davon ausgehen, dass im Laufe der Zeit viele Texte vielleicht
auch schlicht verloren gegangen sind ?
Es sind auch Schriften komplett verloren gegangen, allerdings wurden vermutlich auch Texte verloren gemacht. Darüber weiß Taju sicher genaueres …
Und eine Menge von Texten, die man „Apokryphe“ nennt, sind halt nicht in den Kanon aufgenommen worden, liegen aber dennoch heute noch in Dokumenten vor. Eine Menge hat man ja in Nag Hammadi gefunden (Link in FAQ:1604).
Oder beruht das Christentum weniger auf einer „Lehre“ sondern auf…ja auf was ?
Natürlich auf eine Lehre. Viele Details dieser Lehre haben sich aber erst über lange Zeiträume herauskristallisiert. Aber die Zeitreise endet bei dem, was die ersten Schüler schriftlich zurückgelassen haben, wie bei Buddha ja auch. Einen O-Ton gibt es nicht.
Wenn ich das mit dem Umfang des buddhistischen Kanons vergleiche, ist
der christliche Kanon ja nun nicht gerade viel.
Der daodejing ist auch nicht sehr umfangreich und von Bodhidarma gibt es nur ein paar legendäre Zitate. Von Zarathustra gibt es ein kleines Bündel von Gathas. Für was sollte der Umfang von Schriften ein Kriterium sein?
Gruß
Metapher