Servus, Antonia:smile:
schön, wieder von dir zu lesen!!!
Ist es nicht Widerspruch an sich - eigene
Interpretation, künstlerische Freiheit, die eigene Sichtweise
der Darsteller und Kreativdirektors und dann zu sagen, es wäre
für uns?
Naja, jetzt muss ich ein bisserl grinsen:smile:
Am Abend sind 300 bis 1200 Leutln im Theater. Da wäre es selbst für den ambitioniertesten Acteur schwer, es allen Recht zu machen:smile:
Aber im Ernst: Eine Theatervorstellung, egal ob Oper, Musical oder Sprechtheater geht ja nicht von Heute auf Morgen. Da arbeiten, je nach Größe des Hauses und des Stücks bis zu 100 Leute (in allen Abteilungen) mindestens 3 Monate, manchmal auch mehr und inklusive aller Vorbereitungen sicher ein halbes Jahr.*** Regisseure bereiten sich oft jahrelang auf eine Inszenierung vor. Allein das Lesen der Sekundärliteratur (von Tertiär und Quartär…*g*…gar nicht zu reden) dauert Monate.
Warum ich das so ausführlich erzähle? Der Abend, den du dann siehst, ist das Ergebnis langer, langer Recherchen, Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten, oft Streit im Vorfeld, dann intensiver Proben, bis zu 12 Stunden am Tag, bei denen wieder Meinungen aufeinanderprallen, gerauft wird um Deutungen, Interpretationen, Möglichkeiten, wie was warum genau SO gemacht werden sollte.
Was du dann als Ergebnis siehst, ist der Extrakt all dessen, quasi eine Momentaufnahme, aufgenommen am Tage der Premiere und hoffentlich nach der 20. Vorstellung noch halbwegs „farbecht“.
Vieles, was du (und natürlich andere auch) bei einer Vorstellung vermisst, was du unpassend findest, was dich stört, ist nach langem Ringen entstanden, weil die „einfacheren“ Lösungen nach unserem Verständnis heute zu wenig aussagen.
Es ist auch schwer, über einen (möglichen) Faux Pas zu urteilen, wenn man die Stückentwicklung nicht kennt. Ich habe diese Traviata nicht gesehen, und kann daher nicht sagen, ob mir so ein Schluss plausibel erschienen wäre - welche Assoziationen er in mir ausgelöst hätte, etc.
Die Freiheit mich
aufzuregen behalte ich aber dennoch.
Die wollt’ ich dir, um Himmels Willen, auch nicht absprechen. Hättest du (und andere) die nicht, lohnte es sich ja gar nicht, Theater zu machen!!!
Weil das Gesamtbild
einfach nicht mehr gestimmt hat. verstehst du mich? Es ist
nicht nur Musik von Verdi, die das Stück ausmacht. Auch nicht
nur die Stimmen. Eine Oper ist eine Geschichte, die erzählt
wird. Musik, Kostüme, Darsteller, Libretto, das stimmige Bild
halt von dem esten Ton bis zum Vorhang. Ich weiß nicht, ob
Verdi sich im Grabe umgedreht hat
Oooh, die vielen rotierenden Genies…*lach*… und woher wissen wir, wie Verdi, Goethe, Mozart, Hugo, e.a. die Dinge heute sehen würden?
Das ist, glaube ich, zu spekulativ.
Mit dem gleichen Recht könnte ich behaupten, Mozart wäre heute vermutlich viel radikaler, als wir alle zu denken und zu inszenieren wagen.
Das ist wie die
Kommunikation zwischen Menschen. Wenn ich zu dir komme,
Schnute ziehe und dabei sage, „ich freue mich so, dich zu
sehen“, wem glaubst du dann mehr? meinen Worten oder meinem
nonverbalen Ausdruck? Das Bild, was ich präsentiere, ist dann
eben nicht stimmig.
Wer sagt denn sowas?? Unter der Voraussetzung, wir kennten einander gut, fiele mir die Diskrepanz sofort auf und ich würde nachhaken, was los ist mit dir. Denn ich nehme dich ja nicht nur als „Bild“ wahr, sondern als „Gesamt-Mensch“…und die Menschen sind, wie wir wissen, nicht rund um die Uhr deckungsgleich mit sich selbst.
Und so, wie ich versuche, Menschen in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen, mit Ecken und Kanten, mit Tränen unter dem Lachen, mit Bosheit hinter der Liebenswürdigkeit, mit Liebe hinter dem Scheusal, also eben nicht
als ein „stimmiges“ Bild, genauso möchte ich „Gesamt-Theater“ erleben. Mit Irritationen, mit Bildern gegen den Strich gebürstet. Das interessiert mich.
So, wieder so lange…*lach*
Ich glaube, wenn wir uns weiter unterhalten wollen (und ich hätt’ nix dagegen:smile:, sollten wir unseren Austausch auf mails verlegen - sonst sprengen wir hier das „Wissens“-Forum.
Ganz liebe Grüße und schönen Sonntagabend, jenny
*** Nur damit kein Missverständnis entsteht: natürlich wird an „kleinen“ Theatern mit viel weniger Leuten und viel weniger Mitteln oft exorbitant gutes Theater gemacht!!! Und nicht selten sind sie genau die, die das Theater „von unten“ wieder neu und spannend machen.
Ich quatsch halt besser über das, was ich seit Jahren kenne…*gg*…ohne das Frühere vergessen zu haben!