Wo gibt es Probleme mit dem Brexit? Und warum überhaupt?

Hallo,

die FAZ listet in einem Kommentar die Lage in Großbritannien auf:

„Gut ein Jahr nach dem Referendum zeigen sich nun die realen Folgen einer unsicheren Zukunft. Die britische Wirtschaft wächst kaum noch, die anderen 27 EU-Staaten haben die Insel im ersten Quartal dieses Jahres abgehängt. Unternehmen wandern ab, ganz oder mit Geschäftsteilen. Die Preise steigen, weil Einfuhren immer teurer werden; die Löhne stagnieren. Im Ergebnis haben die Leute weniger Geld in der Tasche, sie knabbern ihre Ersparnisse an oder leben auf Pump.
Das ist alles noch nicht dramatisch, aber es trägt zur allgemeinen Verunsicherung bei. Die wiederum hat sich bei der Unterhauswahl in einer Machtkonstellation niedergeschlagen, die alles im Vagen lässt. Um die Brexiteers, die vor einem Jahr noch ihren sensationellen Sieg feierten, ist es ruhig geworden. Einem klassisch gebildeten Mann wie Boris Johnson mag bisweilen Pyrrhus in den Sinn kommen. Gegenüber Leuten, die ihn in letzter Zeit besucht haben, soll er sich so geäußert haben: Es könne schon sein, dass ihn die Briten in zehn Jahren für den Brexit verfluchten. Und Dominic Cummings, Direktor der „Vote Leave“- Kampagne, schrieb kürzlich auf Twitter: „In einigen Feldern der Zukunft wird es ein Fehler sein, zu gehen.“

Ich kann es kaum glauben, aber hat die britische Regierung es tatsächlich versäumt, die hier in diesem Forum veröffentlichte brilliante Analyse zu lesen? Fürchtet euch nicht, möchte man den Verzagten zurufen, denn

Angesichts dieser Zukunftschance sind folgende Probleme geradezu lächerlich:

„Es gibt noch viel mehr Felder, wo der Brexit weh tut. Banken aus der City of London gründen Niederlassungen in Frankfurt, Paris und Dublin, um dort eine Banklizenz für die Eurozone zu erwerben. In der Luftfahrtbranche siedelt sich der Billigflieger Easyjet in Österreich an, um weiter zwischen Städten auf dem Kontinent hin- und herfliegen zu dürfen. Die großen britischen Chemie- und Pharmakonzerne können ihre Produkte nach dem Brexit nur noch in der EU anbieten, wenn sie sich deren Standards nachprüfbar unterwerfen. Eliteuniversitäten wie Oxford und Cambridge verlieren den Zugriff auf Forschungsmilliarden aus Brüssel. Und und und.“

Keine Sorge, denn es kommt ja noch der geniale Ausblick:

Dass aus dem Frühjahr der Patrioten kein Herbst der Idioten wird, dessen bin ich mir ziemlich sicher.

Der kleinen Theres, die wohl bald weg vom Fenster ist, wurde bisher nicht einmal ansatzweise klar, was der Brexit bedeutet. Es wird die einfachen Menschen treffen, es wird das United Kingdom zerreißen.

Und die Analyse ging voll in die Hyse!

Sic transit gloria mundi, Hans-Jürgen Schneider

Du führst Deine Selbstgespräche bereits hier?

Tempo mutantur -> Papiertaschentücher sind auch nicht mehr das, was sie einst waren.

Der eine Untergangsprophet lässt sich über den anderen Untergangspropheten aus und freut sich über jedes Anzeichen des von ihm vorhergesagten Untergangs. Egal wie fadenscheinig es sein sollte.

Im 1. Quartal wird GB von den anderen 27 EU-Staaten abgehängt. Brutal, oder? Checken wir doch einmal ab.

2016: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250161/umfrage/wachstum-des-bruttoinlandsprodukts-bip-in-den-eu-laendern/ da liegt GB stramm im Mittelfeld und leicht über dem EU-Schnitt.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4021/umfrage/veraenderung-des-bip-in-ausgewaehlten-eu-staaten/ ui, da ist GB aber abgeschmiert.

Um so erschütternder, wenn man sich einmal die 1.Quartale der Vorjahre zum Vergleich nimmt.

GB ist aber sowas von am Ende … äh … einen Moment … hat da irgendjemand gefakte Werte eingetragen? Ist die weltumspannende Verschwörungsgruppe, hinter der Boris Johnson steckt, schon so mächtig geworden? :scream:

Oder fällt hier ein Kartenhaus zusammen, weil die 1. Quartale 2015 und 2016 ähnlich bescheiden wie 2017 ausfielen? Dabei gab es damals doch gar keinen Brexit, der die Schuld hätte haben können.

Reality is a bitch!

Dass sich Banken des UK nun um Lizenzen bemühen müssen, liegt aktuell an Brüssel (evtl. erklärt es DIr C-Punkt). Mittelfristig werden sie aber ohnehin auch ausserhalb des UK tätig werden müssen, wenn man keinen gemeinsamen Markt mehr hat.

Zum letzten meiner Links: Die 2%ige Wachstumssteigerung von Q1/17 im Vergleich zu Q1/16 würde ich als satt und kräftig bezeichnen.

„Sicher“ liegts am Brexit. :grin:

Hätten die Briten mal 1 Mio. Flüchtlinge aufgenommen, dann wäre das Wirtschaftswachstum noch deutlicher ausgefallen. Leider ein künstliches.

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besser: " … ein Herbst der Idioten wird, …"

Für deinen Reim:

wäre ähnlich nach Ringelnatz griffiger: „Und die Analose ging voll in die Hose!“.

Hallo Hans-Jürgen,

die Brexit-Folgen für GB und EU lassen sich frühestens nach Abschluss der Austrittsverhandlungen prognostizieren. Die aktuelle Betrachtung einzelner Quartale kommt über kurzatmiges Gehechel nicht hinaus, ist nichtssagend. Dies ungeachtet davon, welche vermeintlichen Wirtschaftsgurus meinen, sich ohne Kenntnis zukünftiger Rahmenbedingungen aus- und einlassen zu müssen.

Gruß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

ich möchte das nicht prognostizieren. Wie das im Einzelnen aussehen wird, sehen wir später.

Ich bin nur der festen Überzeugung, dass die ärmeren Schichten zu den Verlierern gehören und dass es Schwierigkeiten mit Schottland und Nordirland geben wird. Als Alternative sehe ich nur den Rücktritt vom Brexit.

Ich weigere mich auch, Fachjournalisten von FAZ, Süddeutscher, Wirtschaftswoche, Zeit, Spiegel und anderen Publikationen als „vermeintliche Wirtschaftsgurus“ zu bezeichnen.

Wenn ich eine falsche Sicht auf wirtschaftliche Entwicklungen gewinne, erleidet meine Daseinsfürsorge leicht Verluste im fünfstelligen Bereich. Und ich muss meine Entscheidungen treffen bevor die Ereignisse eintreten. Da helfen mir die Fachjournalisten und Nobelpreisträger (Robert Shiller) schon.

Aber Du hast natürlich recht.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Wie niedlich!

Natürlich liegt das am Brexit!

Folgende Argumentationsfigur:

  • Das Pfund fällt in den Keller, daraufhin
  • werden die englischen Prodkte im Ausland billiger,
  • daher werden mehr Güter exportiert und
  • es steigen die Aktien der vom Export abhängigen Firmen,
  • die Wirtschaft wächst.

Quo usque tandem abutere, vdmaster, patientia nostra?

Welche Analyse?
Bis jetzt ist alles ein Blick in die Glaskugel.

In den Statuten der EU ist ein Austritt aus den Verträgen vorgesehen und ein Frist für die Abwicklung gesetzt worden.
Und das ist schon alles!

Darüber was alles und wie geregelt werden muss, hat sich in der EU kein Schwein Gedanken gemacht.

Wer internationale Vertragsverhandlungen verfolgt hat, weiss, dass die gesetzte Frist nicht ausreicht, alles vernünftig zu regeln.

Tja, das galt aber lt. dem FAZ-Journalisten nur für die erste Zeit nach dem Brexit. Ansonsten resümiert er, dass die britische Wirtschaft kaum noch wachse und zieht eben den Quartalsvergleich als Beleg heran. Der passt aber ausweislich meines dritten Links gar nicht. Denn die Wirtschaft hat GENAUSO zugelegt wie in Q1/15 und Q1/16 gegenüber dem jeweiligen Vorquartal (4. des Jahres). Da gab es keinen Brexit. Oder anders ausgedrückt: Der Brexit hat im Q1/17 keine Auswirkung gehabt.

Dir ist bekannt, dass die letzten Umfragen in Schottland kein Interesse an einem Austritt aus dem UK zeigen? Und das Schottland wg. gesunkener Ölpreise mittlerweile wieder mit Mrd. subventioniert werden muss?

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Hoppla,

da kann es aber jemand nicht erwarten, schlechte Nachrichten zu hören zu bekommen. Und das, obwohl der Brexit noch gar nicht erfolgt ist.

Erinnert mich an eine Bürgerinitiative gegen einen UMTS-Mast in der Nähe. Man befürchtete Elektrosmog usw. Der Mast wurde trotzdem gebaut. Kurz nach Fertigstellung kamen die ersten öffentlichkeitswirksamen Klagen über Kopfschmerzen, Schlafstörungen usw. Als die Betreiberfirma deswegen von der Presse konsultiert wurde, wunderte man sich. Der Mast war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingeschaltet gewesen. Das war das Ende dieser Bürgerinitiative.

Mmh, mal überlegen. Eine Niederlassung wird gegründet, damit man eine Lizenz für die Eurozone bekommt. Reiner Formalismus also. Über Erfolg/Misserfolg bestimmter Wirtschaftszweige sagt das gar nichts. Überdies frage ich mich, wieso man aufgrund des Brexits denn von London nach Irland, Deutschland oder Frankreich ziehen muss. Großbritannien war vorher auch nicht im Euro. Aber Eurozone und EU kann man schon mal verwechseln, wenn es um die Verbreitung der richtigen politischen Einstellung geht.

Also eine Art Kabotageverbot in der Luft? Die fünf Freiheiten der Luftfahrt also, ich erinnere mich dunkel an den geschätzten Prof. Dr. Conrady, der sie uns lernte, äh lehrte. Das heißt aber auch, dass dann EU-Airlines innerbritisch auch nicht mehr fliegen dürften. Also alles im Lot. Es sein denn, dass man alles einseitig betrachten kann, wenn es um die Verbreitung der richtigen politischen Einstellung geht.

Und diese Milliarden kommen aus dem Nichts, oder wie? Wenn etwas ausgeschüttet wird, muss es auch Einzahler geben. Also gleichen sich Ein- und Auszahlungen aus. Bestenfalls, denn die Zahlungen an die aufgeblähte Verwaltung und die aufgeblähten Funktionäre kommen ja auch noch hinzu. Aber aus dem Zusammenhang gerissene Einzelaspekte sind wohl angemessen, wenn es um… (gähn).


Ach ja, eins muss man noch sagen: Deutschland könnte auch nachteilig vom Brexit betroffen sein. Nur wird das die Briten nicht stören. Wenn die EU mal etwas von ihrem hohen Ross runterkäme und beispielsweise die Zahl der Kommissare senken und die Freiheiten der demokratisch legitimierten Parlamente der europäischen Völker stärken würde, dann bräuchte man keine Austritte.

Manche wollen gar nicht austreten. Absolut lesenswert Zoltán Kovacs im Interview mit der ZEIT. Auszug: Weil wir nicht an Migration glauben. Migration ist keine Lösung und nicht gut. Und wir haben das Recht, das zu glauben. Merkel ist wohl die einzige, die das noch nicht kapiert hat, nur leider ist sie gegenwärtig am mächtigsten.

Das war der sog. Placeboeffekt.

Deine Funkmastanalogie passt natürlich nicht. Denn der Brexit kann bereits Auswirkungen haben, sobald er feststeht, während der Funkmast nur entweder mit Strom versorgt wird oder nicht. Wenn die Leute bereits ab dem „ersten Spatenstich“ zur Errichtung des Mastes über gesundheitliche Probleme geklagt hätten, wäre es was anderes. Aber so doof waren wohl nicht einmal die extrem Sensiblen. :smirk:

Keineswegs. Da geht es um richtig viele Gutverdiener, die abwandern. Und sehr viele Mrd., die umgesetzt werden. Ausserdem neben Banken um Investmenthäuser und Versicherer. Die in Frage kommenden Städte reiben sich bereits die Hände. London ist der weltweit grösste Markt im Finanzbereich. Wenn da auch nur ein Zehntel abwandert, dann gibt es einen deutlichen Dämpfer für das BIP.

Wenn Du das nicht weisst, dann solltest Du Dich argumentativ nicht so aus dem Fenster hängen („Formalismus“). Banken benötigen innerhalb der EU eine Zulassung, die sie nur bekommen, wenn sie eine rechtl. eigenständige Niederlassung haben. Sonst könnten ja auch die „Nigerianer-Prinzen“ einfach mal so eben mitmischen. Aus diesem Grund gibt es ja auch z.B. Niederlassungen dt. Banken in den USA. Ohne bleibt man am Spielrand und darf nur zuschauen.

Ja, Wissen und bloße Meinung ebenfalls. Könnte mit der pol. Einstelllung zu tun haben (bspw. dem Willen, die EU möglichst zu schwächen). :unamused:

Dieser Markt dürfte jedoch sehr überschaubar sein.

Also müssen künftig auch die EU-Banken eine Niederlassung haben, wenn sie in GB tätig werden sollen. Gleicht sich also wieder aus. Du siehst, diese „Verlagerungen“ aus formalen Gründen sind in Wirklichkeit nichts. Es geht nur um Lizenzen oder so etwas.

Außerdem wäre es ein leichtes, mit GB eine Assoziationsvereinbarung zu schließen, dass deren Banken auch in der Eurozone anerkannt werden. Man muss es nur wollen. Wenn man aber das Ziel hat, künstlich alle möglichen Reibungsverluste entstehen zu lassen und Hürden aufzubauen, dann macht man das natürlich nicht. Man muss ja schließlich Argumente dafür haben, dass der Brexit der Briten ganz, ganz böse war.

Nur in Deiner simplifizierten Darstellung. Erstens haben die meisten bereits ihre Niederlassungen dort, gerade weil London der Topstandort ist. Zweitens sind die „inländischen“ Märkte (UK/EU) schon wg. Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft nicht vergleichbar.

Uk wächst bestimmt besser als die EU. Was für wem und warum hart wird das weiß keiner, aber klar ist das England kann auch anders. Die können schon steuerliche Anreize schaffen und leichere Regelungen schaffen, das nicht so das die EU alle Fäden in der Hand hat.