Hallo,
es gibt doch sicher europäische Länder, die mit weniger Bürokratie auskommen als es in Deutschland üblich ist. Weiß jemand, welche Länder das sind? Insbesondere suche ich ein europäisches Land, in dem es nicht so viele Bauvorschriften gibt wie in Deutschland. In den USA könnte ich bauen was ich möchte, aber das liegt eben nicht in Europa.
Oder sind die europäischen Nachbarn alle genauso schlimm mit der Bürokratie?
Oder sind die europäischen Nachbarn alle genauso schlimm mit
der Bürokratie?
Eher schlimmer! Gehen Sie mal nach Italien, da erstickt man in Bürokratie.
Allerdings richtet sich niemand danach, man arbeitet dort zur Zeit an den Durchführührungsbestimmungen zum Letzten Erlaß des Kaisers Hadrian.
es gibt doch sicher europäische Länder, die mit weniger
Bürokratie auskommen als es in Deutschland üblich ist.
Wonach beurteilst Du, ob ein Land „viel“ oder „wenig“ Bürokratie hat? Nach der Länge oder der Anzahl der Gesetze, die sich mit einem Lebenssachverhalt befassen? Nach der Anzahl der Genehmigungen, die es braucht, um z.B. ein Wohnhaus zu bauen (in Deutschland: eine)? Nach der Zeit, die es braucht, um die Genehmigung(en) zu erlangen? Nach der Anzahl und der Art der Unterlagen (oder der sonstigen „Hilfsmittel“), die man der Behörde auf den Tisch legen muß, um eine Genehmigung zu erhalten? Danach, wie gut sich vorhersehen läßt, ob die Behörde eine Genehmigung erteilt oder nicht? Danach, wie „haltbar“ behördliche Genehmigungen sind?
Und wie vergleichst Du diese Größen? Was ist, wenn z.B. in dem einen Land die Gesetze 500 Zeilen länger als in einem anderen sind, das andere dafür aber eine zusätzliche Genehmigung oder „Bakschisch“ verlangt? Sind 500 Zeilen Gesetzestext genauso bürokratisch wie eine zusätzliche Genehmigung? Oder sind vielleicht erst 700 Zeilen gleichwertig?
Du siehst, man muß sich über einiges Gedanken machen, um eine halbwegs sinnvolle Aussage darüber machen zu können, ob ein Land „bürokratischer“ ist als ein anderes. Tut man das nicht, bekommt man Stammtischantworten. Hat ja auch schon angefangen …
Wonach beurteilst Du, ob ein Land „viel“ oder „wenig“
Bürokratie hat? Nach der Länge oder der Anzahl der Gesetze,
Das nennt man in der Fachsprache „operationale Definition“. Ich würde als signifikante Variablen für das Ausmaß schädlicher Bürokratie im Ländervergleich zunächst mal z.B. vorschlagen, die Berufsgruppen zu ermitteln, die von großer Bürokratie leben, mein Vorshlag:
Bevölkerungsanteil (und Durchschnittseinkommen) von Steuerberatern
Dito bez. Versicherungsagenturen
Dito bez. Rechtsanwälten
sowie:
Anzahl (Ausmaß) gesetzlich möglicher Sozialleistungen
Man beachte, daß das Ausmaß von Bürokratie kein richtiges Maß für die Lebensqualität in einem Land ist. Lieber leide ich unter Bürokratie als z.B. unter einem Mafia-Boss, der mich nicht mag.
Ich würde als signifikante Variablen für das Ausmaß
schädlicher Bürokratie im Ländervergleich zunächst mal z.B.
vorschlagen, die Berufsgruppen zu ermitteln, die von großer
Bürokratie leben, mein Vorshlag:
Bevölkerungsanteil (und Durchschnittseinkommen) von
Steuerberatern
Dito bez. Versicherungsagenturen
Dito bez. Rechtsanwälten
Innerhalb Deutschland wäre demnach Frankfurt die bürokratischste Stadt. Da gibt’s meines Wissens die meisten Anwälte pro Einwohner …
Ich würde im übrigen noch die Schreibwarenläden mit dazu rechnen. Denn: Wo viel Bürokratie herrscht, wird auch viel geschrieben. Vielleicht auch die Kaffeeröster, denn wer sich viel und lange mit Bürokratie herumschlagen muß, braucht viel Stärkung.
Hallo,
ja, richtig gelesen - dieser Thread ist fast 14 Jahre alt.
Egal, was wir tun, egal, ob wir Arbeitnehmer, Beamte, Selbständige, Rentner, Schüler, Studenten, Arbeitslose, Bürgergeldempfänger (/innen - gilt für alle Aufgezählten) sind.
Egal ob arm oder reich und egal ob deutscher oder ausländischer Bürger - eine Meinung scheint uns alle zu vereinen, nämlich, dass der Bürokratismus in Deutschland eine der größten Hemmschuhe bei allem ist, war wir tun oder tun wollen oder getan haben.
Die Frage ist - warum wird dieser Bürokratismus nicht abgebaut, sondern wächst ständig weiter vor sich hin. Warum klappt mit dem Bürokratismus nicht das, was mit dem Coronavirus doch auch mehr oder weniger gut geklappt hat - warum hat niemand den Mut, diese oder jenes ist zu bürokratisch und dazu auch noch unsinnig, das muss weg, und dann ist es auch weg ?
Ich weiß, eine etwas naive Frage, deshalb noch den hier
Dass es zum Teil in anderen Länder mit der Bürokratie noch schlimmer ist, das stimmt, aber hilft uns nicht unbedingt weiter und auch der Verweis auf EU-Bestimmungen wäre zwar folgerichtig, aber es geht hier um den typisch deutschen Bürokratismus.
Gruss
Czauderna
die meisten von uns eint vor allem, dass wir das Ausmaß der Bürokratie in anderen Ländern nicht kennen und auch nicht wissen, wie die Bürger anderer Länder sie für das eigene Land empfinden, aber zumindest aus Südeuropa (Italien wurde oben ja schon angesprochen hört man auch, dass die Bürokratie dort als sehr ausufernd beschrieben wird.
Hinzu kommt, dass sich der Umgang des Normalbürgers mit Behörden meist auf das Bürgerbüro und das Straßenverkehrsamt und vielleicht noch das Bauamt beschränkt und die wenigsten mitbekommen, wie es um die Bürokratie für produzierendes Gewerbe, Landwirte oder Gastronomie bestellt ist.
Insofern müsste man erst einmal klar abgrenzen, um welches Gebiet der Bürokratie es geht und wie es in diesem abgrenzten Gebiet in anderen Ländern bestellt ist.
Ganz sicher ist aber eines: die deutsche Bürokratie ist verlässlich, läuft ohne Bestechung ab und produziert rechtssichere Ergebnisse. Und ja: wahrscheinlich kennt jeder irgendeinen Bekannten oder Anverwandten, der eindringlich berichtet, dass bei ihm die Baugenehmigung für die Pergola an der Hundehütte dreimal beanstandet wurde und am Ende ganze Hütte wieder abgerissen werden musste, weil sie nicht über die hinreichende Zahl von Fluchtwegen verfügte. Solche Anekdoten werden aber in den seltensten Fällen vollständig und wahrheitsgemäß wiedergegeben.
Hallo,
es mag ja sein, dass bei „Bürokratie“ sofort der Verursacher „Behörde“ auftaucht, aber Bürokratie gibt es auch dort, wo eine Behörde unmittelbar nicht beteiligt ist, mittelbar aber schon - siehe dazu so manche AGB oder Schreiben von Banken und Versicherungen oder aber auch Kauf- und Mietverträge.
Wie gesagt, was hilft es uns, wenn es z.B. in Italien bei bestimmten Sachen schlimmer ist, mit der Bürokratie - sollen wir in diesem Fall dankbar sein, dass wir nicht in Italien leben?
Wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland an Attraktivität verliert weil u.a. die Bürokratie immer mehr zunimmt, warum Unternehmen dann Bund und Länder so wenig oder auch nichts gegen diese Zunahme ?.
Gruss
Czauderna
Geklagt wird häufig über den Aufwand, der Unternehmen, Freiberuflern und Privatpersonen durch immer mehr Dokumentations- und Nachweispflichten entsteht. Ein Beispiel dafür sind die Einverständniserklärungen zum Datenschutz, die man in der Arztpraxis unterschreiben muss. In Frankreich habe ich noch nie eine solche Erklärung unterschreiben müssen, obwohl es dort natürlich auch Datenschutzgesetze gibt und die DSGVO gilt. Für sich gesehen sind das Peanuts, aber ohne Aufwand geht das nicht.
Ob dort generell weniger Aufwand durch Bürokratie anfällt, ist eine andere Frage. Die meisten positiven Beispiele, die mir einfallen haben aber mit Datenschutz im weitesten Sinn zu tun. Dass bei uns dieses Thema besonders sorgfältig gehandhabt wird, ist unsere bewusste Entscheidung. Da darf man sich dann nicht über den dadurch anfallenden Aufwand beklagen.
Weiter fortgeschrittene Digitalisierung ist ein weiterer Grund für weniger bürokratischen Aufwand. Wobei das meist auch mit weniger rigorosem Datenschutz zusammenhängt.
Hey Alex - ich denke, unser Nachbarland Niederlande ist weniger bürokratisch. Kann es nicht quantitativ exakt begründen, ist eher eine subjektive Einschätzung von mir, aber schon wenn man die Grenze überqueret hat ist alles lockerer und entspannter als in Deutschland.
Und das Baurecht? sicherlich gibt es in Holland auch Regelungen für den Wohnungsbau, aber wahrscheinlich nicht so vielschichtig wie bei uns. Auf jeden Fall ist das Bauen insgesamt kostengünstiger. Und die Verwaltung reagiert effektiver und schneller, wahrscheinlich ist die Digitalisierung viel weiter fortgeschritten.
War deine Frage nun pure Neugierde oder möchtest du evt. auswandern? Dann schonmal „Good Luck!“
ich habe gerade einen Kreditvertragsentwurf auf dem Tisch, der sich am sog. LMA-(oder LMAA-)Standard orientiert, d.h. an dem, was eine Vereinigung mit Sitz in London meint, was ein guter Standard für einen Kreditvertrag zwischen Kreditinstituten und Unternehmenskunden wäre. Dieser Kreditvertrag ist 148 Seiten lang.
Ein Kreditvertrag nach deutschem Standard, der die ganze Veranstaltung nicht besser oder schlechter regeln würde, wäre - wenn ich ihn schriebe - 3 Seiten lang und in der üblichen Form allenfalls 10.
Diese eklatante Abweichung in der Länge kommt auch, wenn auch nicht nur, daher, dass wir in Deutschland Rechtsgrundlagen wie HGB und BGB haben, die schon sehr weitgehend Begriffe und Sachverhalte definieren. Auch die von Dir implizit kritisierten AGB helfen dabei, die eigentlichen Verträge deutlich zu verkürzen.
Und auch die AGB, über die man sich beklagen kann, wenn man möchte, haben in Deutschland aus bestimmten Gründen meist eine überschaubare Länge. Nehmen wir die normalen AGB für Kreditinstitute: die waren früher vier Seiten lang und heute knapp fünf (dazu kommen noch Bedingungen für die einzelnen Produkte, aber um die soll es jetzt gerade mal nicht gehen).
Wenn die dann mal neben die angelsächsischen Terms of Services für ein beliebiges, kostenloses Produkt im Bereich online-Services oder Software hält, stellt man schnell fest, dass die locker 20, 30 Seiten lang sein können.
Dafür, dass sich darüber keiner beklagt, habe ich eine einfache Erklärung: die liest sich keiner durch und weil man die nicht ausgedruckt auf dem Tisch liegen hat wie AGB oder die auch erwähnten
So fällt einem gar nicht auf, dass der Wust bspw. im angelsächsischen Raum viel umfangreicher ist. So gesehen ist also der entscheidende Nachteil der in Deutschland noch nicht so weit fortgeschrittenen Digitalisierung der, dass man in Deutschland sieht, was man sich durchlesen und welchen Bedingungen man zustimmen soll, während man die in anderen Ländern einfach wegklicken kann.
Nun ja, vorher hast Du Dich über AGB und Schreiben beklagt, die ja offensichtlich vor allem die Privatkunden betreffen, weil sie den Mist lesen oder zumindest zum Papiercontainer tragen müssen, nun sprichst Du über die Bürokratie für Unternehmen, die damit aber nichts oder nur sehr wenig zu tun hat (AGB kommen in der Regel vom Branchenverband oder meist (leider) einmalig als Konfektion oder Maßkonfektion Anwalt).
Ob es eine typisch deutsche Marotte ist, aus irgendwelchen wahrgenommen Missständen gleich den Wirtschaftsstandort in Frage zu stellen, weiß ich nicht, aber dafür, dass seit wenigstens 30 Jahren postuliert wird, dass uns die Bürokratie quasi über kurz oder lang alle in die Bedeutungslosigkeit stürzen wird, haben wir uns ganz gut gehalten.
Nein, aber das beantwortet die Frage nach dem Standortnachteil und es wirft die Frage auf, ob die Lage in Deutschland wirklich so schlimm ist oder ob es sich nur um eine Wahrnehmung handelt, die darauf basiert, dass wir uns in anderen Ländern schlichtweg nicht im Alltag aufhalten, so dass wir die Bürokratie dort gar nicht kennen bzw. beurteilen können.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was die Alternative ist. Die Leute wollen Datenschutz (unterstelle ich mal) also muss zum Datenschutz etwas geregelt werden. Daraus ergeben sich Rechte für den Bürger und Verbraucher, über die der informiert werden muss bzw. sollte, um sich ggfs. darauf berufen zu können. Damit der Kunde hinterher nicht behauptet, er sei nicht informiert worden, muss es natürlich ein entsprechendes Formular geben, auf dem der Kunde bestätigt, dass er informiert wurde (oder man macht es halt unauffälliger mit ein paar Mausklicks auf einer Internetseite).
Natürlich kann man auf AGB verzichten, aber dann muss man den ganzen Rotz in jeden einzelnen Vertrag aufnehmen. Das würde die Sache bei vielen Dingen sehr unhandlich machen. Auto in der Inspektion? Tschüss einseitiger Auftrag, hallo achtseitiger Vertrag. Busfahrt? Tschüss Fahrschein, hallo vierseitiger Vertrag inkl. der allgemeinen Beförderungsbedingungen.
Aber wie gesagt: ich kann schon mit Deiner weiten Definition von Bürokratie nichts anfangen. Für mich ist der Rechtsverkehr zwischen Verbrauchern und Unternehmen bzw. Freiberuflern nicht Gegenstand der Betrachtung, wenn es um Bürokratie geht.
Unter Bürokratie verstehe ich eher, was eine Verwaltung den „Kunden“ abverlangt, wenn es um Vorhaben, Anträge oder eben die laufende Verwaltung angeht. Und dazu wiederhole ich gerne meinen Standpunkt: da ragt Deutschland nicht negativ heraus, sondern eher aufgrund der Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Verwaltung eher positiv.
Was allerdings durchaus zu kritisieren ist, ist etwas, das der Verbraucher und Bürger gar nicht mitbekommt, nämlich die Dokumentationspflichten und die Vorgaben für betriebliche Abläufe, die große Unternehmen Millionen kosten und kleine Betriebe an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen.
So sprach ich gerade vorgestern mit einem befreundeten Landwirt, der mir davon erzählte, was er alles im Rahmen des Erosionsschutzes dokumentieren muss, d.h. welche Fläche er wie vor Erosion schützt bzw. ob er die Vorgaben einhält, was er auf diesem oder jenem Untergrund anbaut bzw. wie diesen bewirtschaftet oder eben nicht.
Darüber, was wir als Kreditinstitute dokumentieren und an die diversen Aufsichtsbehörden berichten müssen (was sich meiner Erwartung entsprechend natürlich nicht vor der aktuellen Immobilienkrise und den damit verbundenen Verlusten bei den Kreditinstituten geschützt hat), könnte ich noch Seiten schreiben.
Aber das ist halt ein Teil der Bürokratie, den kaum jemand mitbekommt.
Hallo,
jetzt tut es mir fast schon leid, dass ich dieses Thema angesprochen habe, wo es doch offensichtlich keines ist.
Müssen wir evtl. weitere 14 Jahre warten
Gruss
Czauderna
ich habe mich eventuell missverständlich ausgedrückt: ich bin nicht dagegen, Bürokratie abzubauen. Ich teile nur nicht die Einschätzung, dass
a) die Bürokratie ein großes Problem ist,
b) die Bürokratie in Deutschland im unternationalen Vergleich besonders ausufernd ist und
c) die Bürokratie ein standortgefährdendes Problem ist.
Mir ging es also in erster Linie um die Allgemeinplätze, die bei diesen Diskussionen in den Raum gestellt werden: Riesenproblem, schlimmer als auf dem Rest des Planeten und Standortgefährdung.
Außerdem fehlt mir in den Diskussionen, dass das Schlagwort „Bürokratie“ in den Raum gestellt wird und gelegentlich auch konkrete Beispiele genannt werden, es aber an Alternativen und an einer realistischen Betrachtung mangelt, was denn wohl passiert, wenn man dies einfach wegließe. Ein paar Beispiele habe ich oben genannt.
Dass es objektiv unsinnige und ggfs. sogar kontraproduktive Dokumentationspflichten und Anweisungen gibt, habe ich ja oben auch ins Spiel gebracht.
Ich will also mitnichten sagen, dass man das Thema ignorieren soll oder gar, dass es keines gibt, nur vermisse ich die konkreten Überlegungen dazu - in dem Sinne, dass vielleicht noch gesagt wird, was man doof findet, aber es praktisch nie zur Frage kommt, was weg kann und soll und ob man mit den Folgen leben kann oder will oder was man stattdessen braucht.
Ganz profan: in den AGB der Kreditinstitute steht unter „Mitwirkungspflichten des Kunden“ zu lesen, dass der das KI über wesentliche Änderungen informieren muss und da steht dann u.a. auch als Beispiel die Anschrift genannt.
Ist die Mitteilung einer solchen Änderung wichtig? Durchaus, oder? Ist es logisch, dass der Kunde die Pflicht hat, eine solche Adressänderung mitzuteilen? Durchaus, denke ich. Lesen sich die Leute die AGB durch? Eher nicht. Denken alle Kunden daran, eine Adressänderung mitzuteilen? Leider nicht.
Also denken die meisten daran, die Änderung mitzuteilen und das ganz ohne AGB-Studium. Diejenigen, die es vergessen, haben die AGB sicherlich auch nicht gelesen. Also ändert die Klausel nichts. Ähnliches gilt für andere Änderungen: Hochzeit, Scheidung, Arbeitslosigkeit. Keiner wird bei der Gelegenheit die AGB seines Kreditinstitutes lesen und sich denken „hey, cool, gut dass ich das gelesen habe; ich sage den Leuten gleich mal Bescheid“.
Also kann man die Klausel genauso gut streichen und bspw. durch ein Zugriffsrecht auf die beim Einwohnermeldeamt hinterlegten Daten bzw. einen automatischen, regelmäßigen Datenabgleich ersetzen.
Ja, könnte man. Ist in anderen Ländern m.W. auch Realität, ohne dass die Leute dort wegen des Datenschutzes massenweise bewusstlos zu Boden fielen. Früher hieß es, dass in manchen Ländern Skandinaviens sogar die Steuer- und damit auch die Einkommensdaten öffentlich zugänglich sind. Keine Ahnung, ob das stimmt oder stimmte. Aber wären derartige Regelungen bzgl. frei zugänglicher Daten umsetzbar?
Aber so stelle ich mir eine Diskussion über Bürokratie vor: Benennung des Missstandes, Diskussion über die Notwendigkeit, Alternativen und Folgen.
Bürokratismus ist in der Tat ein großes Ärgernis, aber nicht nur bei uns. Und die Träume von einer besseren Welt unter dem Regenbogen sind oft nur die pure Unkenntnis dessen, was dort tatsächlich jenseits einer Urlaubsreise passiert. Auch sehen wir oft nur die Nachteile, erkennen aber nicht die Vorteile zumindest noch ansatzweise funktionierender Behörden mit Entscheidungen auf Basis differenzierter Vorschriften und der Möglichkeit der Nachprüfung im Widerspruchsverfahren und vor Gericht. Insoweit halte ich nichts von einem grundsätzlichen Deutschland-Bashing, wie es aktuell ja Mode ist, und von gewissen interessierten ausländischen Regierungen und deren Schergen auch auf allen Kanälen massiv betrieben wird.
Aber selbstverständlich sehe ich auch durchaus Verbesserungs- und Vereinfachungs-Potential. Insbesondere der direkte Datenaustausch zwischen Behörden statt der ständigen Umwege über den Bürger und die Unternehmen bieten ein hohes Potential Frust abzubauen, mehr Gerechtigkeit zu schaffen (ja, dann funktioniert es eben nicht mehr, dass man dem Finanzamt dies, und der Stadtverwaltung das erzählt, um hier weniger Steuern und da noch einen Zuschuss zu kassieren) und Dinge zu beschleunigen. Der exzessive Datenschutz in Deutschland ist auch ein Thema. Warum muss ich ständig in Dinge aktiv einwilligen, bei denen mir ohnehin nichts anderes übrig bleibt? Warum verbietet man nicht einfach grundsätzlich Dinge, in die ohnehin niemand freiwillig einwilligen würde, wenn er wüsste, worum es dabei eigentlich geht?
Auch sollten wir den Föderalstaat dringend an der ein und anderen Ecke mal auf den Prüftstand stellen. Es kann nicht sein, dass wir über die Bundesrepublik inhaltlich zu 90% identische Gesetze pro Bundesland vorhalten und hierfür jeweils gesonderte Verwaltungsverfahren vorhalten, die dann wegen lächerlicher Abweichungen in Details nicht kompatibel sind und bei denen die Datenhaltung dann keine Zugriffe über Landesgrenzen hinaus gestattet.
Auch fehlt es mir an vielen Ecken und Enden an möglichen Automatisierungen von Dingen, die ohnehin zwingend sind, aber aktives Tätigwerden von Bürgern und Unternehmen verlangen.
Zudem haben wir uns in einem Maße in eine idealisierte Einzelfallgerechtigkeit verliebt, die zu ganz massiven Auswüchsen der Bürokratie führt. Hier die Axt anzusetzen ist aber fast unmöglich, weil dann sofort der Aufschrei all jener losgeht, die sich nun plötzlich benachteiligt sehen, und die nächste Regierung dann nichts besseres zu tun hat, als der eigenen Klientel, dann doch wieder diverse zuvor abgeschaffte Sonderlocken erneut zu verschaffen.
Weiterhin muss man sich selbstverständlich auch fragen, was bestimmte Regelungen tatsächlich sinnvoll bezwecken, und was es eigentlich bedeuten würde, wenn man diese abschaffen würde. Ein Blick über die Grenzen könnte da durchaus hilfreich sein. Nicht, dass da alles besser und einfacher wäre, aber da kann man eben sehen, wohin es führt, wenn man einfach mal Regelungsinhalte entfernt, die anderswo gar nicht vorhanden sind, ohne dass dort deshalb gleich die Welt untergeht.