Wo ist die Grenze?

Hallo,

da ich mit einer Fragestellung nicht weiter komme, hoffe ich, hier kann man mir mit Gedanken und Überlegungen weiter helfen.

Es geht um Verhalten und den Umgang damit…wo eine Grenze zu ziehen ist.

Ich spreche dabei von einer Bekannten, die in ihrer Art sehr extravertiert ist.
Sie ist ein lieber Mensch und kann auch sehr interessant erzählen- nur nimmt es dann eben doch auch immer wieder - für mich empfunden- sehr anstrengende Züge an. Es nervt halt doch irgendwann, wenn jedes Thema nach 3 Sätzen von ihr genommen wird und dann alles mit „also bei mir…“ anfängt sowie dann lange Ausführungen kommen.

Sie spricht ganz offen darüber, dass sie sich sehr lange im Leben abgelehnt gefühlt hat, da ihre Art (extravertiert) nicht immer gut ankommt…und sie ist heutzutage froh, dass sie sich nicht mehr zurücknehmen „muss“- sie  selbst sein kann und damit ihre Bestimmung leben.

Ihr Satz ist auch" wer mit mir nicht kann- der muss dann eben gehen…ich ändere mich nicht mehr für einen anderen"
Ebenso geht es als Thema gerne um diese Schattenarbeit-- wobei es dann auch heißt „wenn du ein Problem mit mir hast- dann musst du bei Dir schauen, was nicht stimmt“.

Nun bin ich durchaus ein Freund von dieser Art zu denken (Schattenarbeit)-- aber genau da setzt nun meine Frage an: Wo ist die Grenze?

Natürlich soll man bei sich schauen, wenn jemand einen nervt- klar hat das dann mit sich selber zu tun.
Aber wie weit geht sowas? Angenommen man würde diese Schattenarbeit perfekt machen- 
Würde man es zuende denken, müsste es doch bedeuten, dass meine Bekannte auch 36 Stunden am Stück von sich reden kann und man immer noch gelassen dabei sitzt!

Wo hört die eigene Arbeit an sich auf- und wo beginnt die Verantwortung des Gegenüber sich nicht nur auszuleben??

Und mir geht es nun nicht um ein „dann dreh Dich um und geh, wenns Dir zuviel ist“-- das kann ich freilich machen-- aber mir geht es wirklich darum einen ausgewogenen Weg zu sehen, der beiden gerecht wird/ist. Es ist jetzt auch erst einmal eine rein theoritische Frage.

Für mich persönlich fehlt der Ausgleich aller Bedürfnisse im Miteinander- aber das ist halt auch nur eine Seite der Möglichkeiten…vor allem ist die Frage, ob so ein Argument in die Rechtfertigungskette von „ich lass mich nicht mehr verbiegen“ hinein passt.

Vielleicht könnt Ihr mir noch input geben- was man noch bedenken kann oder wie das alles ansehen…

lg kitty

Hallo,

die freie Entfaltung der Persönlichkeit des einen findet ihre Grenze in der freien Persönlichkeitsentfaltung des anderen. Dieser Grundgedanke lag schon den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes bei der Formulierung des Art 2 Abs. 1 GG am Herzen. Es kann eben nicht jeder tun und lassen, was er will, wenn er dadurch in die Sphäre Dritter unzulässig eingreift.

Insoweit ist es natürlich sicherlich immer schön und richtig, sich auch mal selbst zu fragen, warum einen der ein oder andere Mitmensch so nervt, und einem dessen Verhalten so auf den Zeiger geht. Man muss und sollte dies aber auch nicht übertreiben. Dieses ganze Geschwafel von „Du bist selbst schuld, wenn Dich etwas nervt, arbeite daran, dass es Dich nicht mehr nervt“, ist doch im Umkehrschluss nur ein Freifahrtschein für jeden Nervbolzen, jedes Ekelpaket und jeden Egomanen, der sich einen Teufel darum schert, was er mit seinem Verhalten in der Welt so anrichtet. Denn das heißt ja nichts anderes, als: „Lass ihn gewähren, und rege Dich nicht darüber auf“, vollkommen unabhängig, was dieses Verhalten für schlimme Folgen hat.

Daher kurz mal überlegen, was man am Verhalten des anderen noch - möglichst objektiv betrachtet - als sozialadäquat ansehen kann, überprüfen, ob man bereits schon bei noch sozialadäquatem Verhalten genervt ist, und die Gründe hierfür suchen/versuchen zu beseitigen. Aber wenn man erkennt, dass das Verhalten des anderen eben nicht mehr sozialadäquat ist, dann auch klar und deutlich die Konsequenzen ziehen, den anderen hierauf aufmerksam machen, und dann ist der am Zug, mal „Schattenarbeit“ zu leisten. Und wenn so Sprüche kommen wie: „Ich verbiege mich nicht mehr für andere“, dann auch genau so antworten! Damit dürfte die Konsequenz dann hoffentlich klar sein.

Gruß vom Wiz

Moin Kitty,

ich hatte auch mal so eine Bekannte. Für mich sind diese Leute Psychopathen die die Lebensenergie ihrer Mitmenschen aufbrauchen. „Ich bin halt eine Egoïstin. Und bin stolz drauf“, pflegte meine Bekannte zu sagen.

Sie blieb anrufen und mich besuchen. Teils aus Mitgefühl , weil sie ja sonst Niemand hatte, teils aus Höflichkeit habe ich es nicht geschafft mich von ihr zu befreien.

Sie starb vor einem halben Jahr. Und obwohl ich sie längere Zeit gekannt habe, fühle ich mich erleichtert. Schlimm?

Gruss: Gerrit

Hallo,

Damit dürfte die Konsequenz dann hoffentlich klar sein.

Welche meinst du denn?

Ich lese bei dir nur das, was Kitty hinsichtlich des Problems auch schon geschrieben und beklagt hat. In anderen Worten zwar, aber wo sind jetzt dein Weg, dein Rat, deine Lösung?

Ich habe das irgendwie nicht verstanden.

Franz

Hallo,

ich finde es eine gute Idee, sich von Zeit zu Zeit aus eigenem Entschluß die Frage zu stellen, was es ist, das einen an irgendeinem Verhalten eines Anderen nervt und was der eigene Anteil an diesem Genervtsein ist. Und es kann auch hilfreich sein, wenn ein unbeteiligter Dritter einen darauf hinweist.

Aber aus rein logischen Gründen finde ich es, daß es Deiner Bekannten nicht zukommt, so etwas zu fordern: Sie ist nämlich Partei für sich und mißbraucht diese Aufforderung zur Schattenarbeit, um ihren eigenen Raum auf Kosten anderer zu vergrößern. Sie macht sich damit gegen Kritik immun, man kann das als Selbstimmunisierung bezeichnen. Schon darum erscheint mir dieser Rat des „Schau bei Dir selbst“ als vollkommen wertlos, wenn er von ihr kommt. Ein solcher Rat ist eigentlich schon so etwas wie eine therapeutische Intervention -aus reinem Eigeninteresse gegeben ist er bloß anmaßend. Man muß daher den Rat nicht respektieren, nicht ernstnehmen, darf ihn unbesehen zurückweisen oder ignorieren.

Wenn Du zum Schluß kommst, in letzter Konsequenz müßtest Du in Gelassenheit zuhören, selbst wenn Deine Bekannte 36 Stunden durchgehend nur von sich redet, dann hieße das, es steht Bedürfnislosigkeit einerseits einem rücksichtslosen Ausleben der eigenen Bedürfnisse anderseits gegenüber. Wenn Du nicht so bedürfnislos bist, dann ist die logische Konsequenz, in Gelassenheit wegzugehen - solange es noch mit einem Lächeln möglich ist.

Grüße,

I.

…wo eine Grenze
zu ziehen ist.

Hallo Kitty,
die Grenze ist genau da, wo deine Grenze ist. Wenn sie dich nervt oder überfordert, hast du jederzeit das Recht, wegzugehen.

Wenn du mir ihrer Art nicht klarkommst, hast du ebenfalls das Recht, den Kontakt zu ihr abzubrechen oder auf kurze Treffen zu beschränken.

Ich setze mal voraus, dass du nicht, z.B. aus beruflichen Gründen, gezwungen bist, mit ihr Kontakt zu haben.

Wenn sie mit ihrem Leben zufrieden ist und sich nicht verbiegen will - so what?
Du musst dich auch nicht verbiegen, musst sie aber auch nicht verändern.

Wenn jemand es nicht schafft, den Kontakt zu Leuten einzustellen, mit denen er nicht kann, sondern stattdessen diese verändern möchte, sollte er wirklich „bei sich schauen“ woran es liegt.

Möglicherweise HAT deine Bekannte ein psychisches Problem, aber wenn sie das nicht so sieht - was gehts dich an?

sagt Bixie

Hallo,

der Nervbolzen auf der anderen Seite ist nicht bereit sich zu ändern und erwartet, dass man selbst an sich arbeiten müsse um das zu ertragen. Das ist doch eine Steilvorlage, ebenso zu antworten. Das Recht des Nervbolzens sich weiter so benehmen zu wollen ist nicht mehr wert, als das Recht des Genervten, sich nicht länger nerven lassen zu wollen!

Und wenn der Nervbolzen klar macht, dass er auch nicht zu Änderungen bereit ist, dann darf der Genervte das genau so. Und die Konsequenz ist dann eben, dass man sich zukünftig aus dem Wege gehen muss, weil es keine Lösung gibt, so zusammen zu kommen, dass dieser Interessenslage auf beiden Seiten Rechnung getragen werden kann.

Und dann wird man sehen, wie glücklich der Nervbolzen damit wird, wenn ihm mal deutlich die kalte Schulter gezeigt wird, und dann keiner mehr da ist, der sich nerven lässt.

Natürlich erfordert es eine gewisse Portion Mut und Durchhaltevermögen, sich mal so klar von jemand abzugrenzen, und man muss natürlich auch mit persönlichen Vorwürfen, Erpressungsversuchen, … rechnen, die man dann durchstehen muss. Aber es lohnt sich mE immer für die „Seelenhygiene“, sich im Einzelfall von Menschen, die einem (ganz objektiv nachvollziehbar und ohne eigenes Verschulden) nur noch auf den Zeiger gehen, möglichst schnell und konsequent zu trennen, wenn diese nicht bereit sind, auch ihren Teil dafür zu tun, dass beide Seiten zu ihrem Recht kommen.

Gruß vom Wiz

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Hi Kitty,

ich denke, diese Grenze muss immer neu „verhandelt“ (ausdiskutiert, kommuniziert, festgelegt etc.) werden. Meine Grenze ist nichts Festes und kann je nach Gegenüber auch völlig unterschiedlich sein. Ein einfaches Beispiel dafür ist Körperkontakt. Die eine Person überschreitet diese Grenze vielleicht schon mit einer Umarmung und bei einer anderen Person sind viel intimere Berührungen (bis hin zum Geschlechtsverkehr) keine Grenzverletzung.

Anderes Beispiel: Zu meiner pubertierenden Tochter würde ich höchstwahrscheinlich nicht den Kontakt abbrechen, weil sie mich mal anschreit und wüst beschimpft, bei irgendeinem Bekannten dagegen vermutlich schon. Wenn der Bekannte allerdings unter dem Tourette-Syndrom leidet, vielleicht doch nicht. Oder aber trotzdem, weil ich einfach nicht damit umgehen könnte, auch wenn er nichts dafür kann.

Aber mal zu deinem Beispiel. Man kann sich mehrere verschieden Vorgehensweisen vorstellen. Die würde ich zunächst mal einteilen in „Miteinander reden“ oder „Nicht miteinander reden“. Nicht miteinander darüber zu reden, ist wohl in den meisten Fällen der schlechtere Weg, aber manchmal können die Umstände es (scheinbar) unmöglich machen, den anderen auf dieses Problem anzusprechen. In diesem Fall muss ich eben ganz alleine für mich entscheiden, ob mir dieser Mensch so wichtig ist, dass ich es ertragen kann und möchte, oder ob mich sein Verhalten so sehr stört, dass ich lieber den Kontakt abbreche/einschränke. Ich halte es in solchen Fällen für sinnlos, andere zu fragen, wie sie das Verhalten dieser Person bewerten o. ä. (Wir meiner Einschätzung nach gerne gemacht, um sein eigenes Empfinden von anderen bestätigt zu bekommen.) Aber nur ich selber kann wissen, wo meine „Waage“ bei dieser Person steht. Was fällt stärker ins Gewicht? Meine Wertschätzung, Zuneigung, Liebe für diese Person, oder die negativen Auswirkungen, die ihr Verhalten auf mich hat. Es kann m. E. nicht darum gehen, wie andere das einschätzen. Ich rede hier allerdings nur von Menschen, die Verantwortung für sich übernehmen (können). Es gibt leider auch viele Erwachsene (z. B. psychisch stark Angeschlagene, Kranke) die das nicht können, die in Abhängigkeit von Menschen leben, die ihnen hauptsächlich schaden.

Der bessere Weg, als einfach für sich zu entscheiden, „Okay ich akzeptier das“ oder „Das kann ich nicht länger akzeptieren“, ist meistens der, miteinander zu reden. Im Grunde ist das nun genauso wie oben eine Abwägungssache, aber diesmal für beide Seiten. Nun kann (nein, muss) auch der andere überlegen: „Wieviel ist mir diese Person wert? Inwieweit bin ich bereit, mein Verhalten für diese Person zu ändern?“ Dafür ist es aber m. E. ganz wichtig dass er versteht, warum (und wie sehr) mich sein Verhalten stört. Wenn er den Eindruck hat, ich bin überempfindlich und will ihn nur schikanieren. Wenn er denkt, dass es doch eigentlich echt kein Problem sein kann, seine Macken zu ertragen, wenn ich mir nur ein bisschen Mühe geben würde, dann ist klar, dass es so nichts bringt. Aber wenn er spürt und glaubt, dass ich ihm wohlwollend gesonnen bin, ihn gern habe, mir Mühe gebe, mit seinen Eigenheiten, aber mehr einfach nicht schaffe, ist er vielleicht eher bereit, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und an sich zu arbeiten. Auch weil es ihm die Freundschaft/Beziehung zu mir wert ist.

Wenn jemand allerdings so abweisend reagiert, wie deine Bekannte, wäre mein erster Gedanke evtl. „Die Freundschaft zu mir ist ihr wohl nicht allzu wichtig, da es ihr offensichtlich ziemlich egal wäre, wenn ich sie deshalb nicht mehr sehen möchte.“ Wenn mir die Person allerdings wichtig ist, würde ich, bevor ich diesen Schluss ziehe, versuchen rauszufinden, ob ich ihr wirklich so egal bin, oder sie aus anderen Gründen so kalt reagiert (z. B. Selbstschutz). Und es kann gut sein, dass ich dann zu dem Schluss käme, dass ihr in Wirklichkeit wohl doch mehr an mir liegt, als man bei so einer Aussage vermuten könnte. In diesem Fall würde ich evtl. erneut das Gespräch suchen, und genau diese Gedanken thematisieren. Also kurz gesagt, je nachdem, ob und wie weit der andere bereit ist, auf mich zuzugehen, muss ich wiederum selber entscheiden, ob das so nun für mich okay ist, oder ob ich mich dennoch distanzieren muss.

Und vielleicht noch kurz aus der anderen Perspektive: Wenn jemand auf mich zukommt und sowas sagt wie: „Hör mal, ich hab ein Problem damit, wenn du…“ Dann würd ich erstmal schauen, ob das wohl ein ehrlicher Versuch ist, die Freundschaft/Beziehung auf eine gute (bessere) Art weiterzuführen, oder ob es eher eine egoistische, mich abwertende, nach Macht strebende Forderung ist. Normalerweise geh ich von ersterem aus, weil ich eigentlich nicht glaube, dass es so egoistische, machtgeile Personen in meinem Freundeskreis gibt. Deshalb würde ich versuchen, zu verstehen, was den anderen an meinem Verhalten so stört und warum. Und ich würde überlegen, was ich tun kann und inwiefern ich bereit bin, mich zu ändern. Wenn ich zu dem Schluss komme, dass ich mein Verhalten nicht oder nur kaum ändern kann, würde ich beim anderen um Nachsicht und Verständnis bitten, in der Hoffnung, dass er damit leben kann. Wenn ich aber merken würde, dass das für ihn nicht möglich ist und dass ihn mein Verhalten tatsächlich sehr belastet auch wenn er sich Mühe gibt, es auszuhalten, würde ich überlegen, welche anderen Lösungsmöglichkeiten es gibt. Wie ich es vielleicht dennoch schaffen kann, in meinem Verhalten was zu ändern, oder ob es irgendwie möglich ist, die Toleranzgrenze des anderen zu erhöhen.

Das alles kommt aber wirklich sehr auf die Umstände und Details drauf an, so dass es sich an einem theoretischen oder ziemlich fernen Beispiel eigentlich überhaupt nicht erläutern lässt. Man müsste vielleicht ein sehr detailliertes Beispiel konstruieren, dass aber so dann eben auch nur für diesen einen (konstruierten) Fall gilt. Deshalb hör ich jetzt auf, bevor ich noch mehr rede und rede und irgendwie doch immer wieder dasselbe sage…

Liebe Grüße
M.

Es gibt nur eine Grenze
Hallo,

Sie spricht ganz offen darüber, dass sie sich sehr lange im Leben abgelehnt gefühlt hat, da ihre Art (extravertiert) nicht immer gut ankommt…und sie ist heutzutage froh, dass sie sich nicht mehr zurücknehmen „muss“- sie  selbst sein kann und damit ihre Bestimmung leben.

Eine beneidenswerte Situation, in der sich deine Freundin befindet. Sie zeugt von großer Unabhängigkeit und dem Selbstvertrauen, nach vielen Jahren eine Last endlich abstreifen zu können.

Nun bin ich durchaus ein Freund von dieser Art zu denken Schattenarbeit)-- aber genau da setzt nun meine Frage an: Wo ist die Grenze?

Wenn du all die anderen Beiträge liest, dann geht aus den meisten doch schon hervor: Es gibt nur eine Grenze, DEINE. Nicht IHRE! Aber:

Es ist egal, „wo“ deine Grenze liegt oder wohin du sie setzt. Es ist deine, und du bist dafür alleine verantwortlich.

Und es kann nicht dein Weg sein, ihr im Gegenzug nun Grenzen zu setzen. Sonst würdest du doch genau dies tun, was du und andere deiner Freundin vorwerfen: Sie würde deine Grenze verletzen, welche du - ausschließlich du für dich selbst setzt - verletzen.

Kann sie denn deine Grenzen (deine Art, so wie sie ihre hat) großartig beeinflussen oder gar setzen? Ich vermute Nein.

Natürlich soll man bei sich schauen

So sehe ich das auch.

Würde man es zuende denken, müsste es doch bedeuten, dass meine Bekannte auch 36 Stunden am Stück von sich reden kann und man immer noch gelassen dabei sitzt!

Nein. Du kannst zwar deine Grenzen niedriger setzen, aber du kannst sie ebenso gut bewahren und nur einen Rückzug antreten.

und wo beginnt die Verantwortung des Gegenüber sich nicht nur auszuleben??

Nur wenn er/sie dich absichtlich physisch/psychisch verletzt, was ich hier jedoch nicht recht erkenne.

Franz

Hallo,

das Thema mal eher aus Sicht des Nervenden betrachtet.

der Nervbolzen auf der anderen Seite ist nicht bereit sich zu ändern und erwartet, dass man selbst an sich arbeiten müsse

Das ist die Sicht des Genervten. Der Nervbolzen wird erst einmal nicht wissen, ob und inwieweit er möglicherweise nervt. Wenn er in Kenntnis ist, dass er nervt, dann kann er daran etwas ändern, muss es aber doch nicht. Das Problem, die Erwartung, liegen auf der anderen Seite. Und daher liegt auch die Handlungsnotwendigkeit auf dieser Seite.

Das Recht des Nervbolzens … ist nicht mehr wert, als das Recht des Genervten

Und daher ist es wohl die Pflicht des Fordernden, des Genervten, Kompromissbereitschaft seiner Wahl zu zeigen.

Und wenn der Nervbolzen klar macht, dass er auch nicht zu Änderungen bereit ist, dann darf der Genervte das genau so.

Das ist eine persönliche Einstellung, da hast du deine, ich meine. Kommt auf die jeweilige Situation an, was und wie man entscheidet.

Und die Konsequenz ist dann eben, dass man sich zukünftig aus dem Wege gehen muss, weil es keine Lösung gibt, so zusammen zu kommen, dass dieser Interessenslage auf beiden Seiten Rechnung getragen werden kann.

Die Interessenslage des Nervbolzens ist doch schon gegeben :wink:
Und ich würde wegen „Genervtheit“ nicht gleich alles aufgeben.

Franz

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Hallo,

Du übersiehst mE diverse Punkte. Wenn jemand schon auftritt mit: „So bin ich eben, und daran werde ich auch nichts mehr ändern!“, dann weiß der bereits ganz genau, dass er mit seiner Art anderen massiv auf den Senkel geht, und hat längst die Erfahrung gemacht, dass sich Leute aufgrund seiner Art von ihm abwenden. Und damit ist es ganz alleine sein Problem, wenn sich genau diese bereits gemachte Erfahrung so lange wiederholt, bis niemand mehr da ist, der sich von ihm nerven lässt.

Abgesehen davon sind die Beziehungen zu solchen Menschen, bevor sie an den entscheidenden Punkt kommen üblicherweise schon längerfristig zunehmend einseitiger geworden, und daher sieht der zunehmend in eine Opferrolle fallende Teil ohnehin keinen Wert mehr in so einer Beziehung, nachdem es ggf. eine gewisse Phase der Hilfsbereitschaft gegeben haben mag, dem anderen klar zu machen, was der falsch macht, und wodurch er seine Beziehungen zum Opfer riskiert. Und wenn dieses sich dann abwendet, dann hat es keinerlei Garantenstellung für den Nervbolzen mehr, und kann genau so egoistisch sich abwenden, wie der andere Partner fortwährend den Nervbolzen gegeben hat. Da gibt es keinerlei weitergehende Verpflichtungen eine Situation oder einen Menschen zu retten, zu ändern, zu bekehren, dem seine Mitmenschen vollkommen egal sind!

Oder mal ganz praktisch gesprochen: Sollte diese Diskussion hier - rein theoretisch gesprochen - irgendwie von deiner Seite aus ausarten, persönlich oder missionarisch werden, … dann hätte ich keinerlei Verlust dadurch, dass ich dann einfach nicht mehr antworten würde, auf ggf. von Dir kommende Mail, dass Du das nicht verstehst, … nicht reagieren würde, … Und müsste mir sogar nicht einmal die Mühe geben, Dich darauf überhaupt in irgendeiner Art „vorzubereiten“, indem ich Dich darauf hinweisen würde, dass der Abbruch der Kommunikation droht, wenn Du Dich mir gegenüber nicht respektvoller zeigst, oder überhaupt anzusprechen, was mich konkret an Dir/deinem Verhalten stört.

Ich hätte dadurch keinerlei Verlust oder Nachteile, und insoweit auch keinerlei Motivation so eine Situation „retten“ zu wollen/zu müssen, …

Gruß vom Wiz

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Hi,

ich will noch kurz was dazu sagen, was m.E. die Aufgabe Deiner Freundin sein sollte.

Ich denke nämlich nicht, dass ihr Problem dieses hier ist

da ihre Art (extravertiert) nicht
immer gut ankommt…

Ich kenne zu viele extravertierte Leute, die gut ankommen, und auch genügend introvertierte Leute, die nicht gut ankommen.
Ihr Problem ist m.M.n. ihre Egozentrik. Wenn jemand alles und jedes auf sich bezieht und alles, was der andere sagt, nur als Auslöser benutzt, um über sich selbst zu sprechen, dann nervt das andere, weil die zwischenmenschliche Situation kein ausgewogenes Geben und Nehmen ist.

Und das hat nichts mit Intro- oder Extravertiertheit zu tun.

und sie ist heutzutage froh, dass sie
sich nicht mehr zurücknehmen „muss“- sie  selbst sein kann und
damit ihre Bestimmung leben.

Sie kann es aber eben offenbar nicht, da sie ja immernoch alle nervt. Sie versucht sich nur einzureden, es sei ihr egaler, aber ich glaube nicht, dass sowas für irgendjemanden egal ist.

Wenn man erstmal kapiert, dass Egozentrik (im Gegensatz nämlich zu Extraversion) nicht unbedingt eine natürliche, angeborene Eigenschaft sein muss, die man freilassen muss, um sich „richtig“ zu fühlen - dann kann man tatsächlich daran arbeiten, sich zurückzunehmen, ohne sich unecht und eingeschränkt zu fühlen.

Das geht, indem man schon im Denken seine Egozentrik überwindet. Indem man sich zurücknimmt, nicht, um von anderen gemocht oder akzeptiert zu werden, sondern FÜR den anderen. Indem man sich wirklcih für den anderen interessiert und dafür, was der zu sagen hat. Und was der andere für Nutzen oder Annehmlichkeiten aus dem gemeinsamen Gespräch ziehen kann.
Wenn man sich für den anderen wirklich interessiert, kann man im Gegenzug auch Interesse einfordern, möglichst im halbwegs ähnlich umfangreichen Rahmen wie man auch Interesse entgegengebracht hat.
Wenn man sich nur zurücknimmt, um etwas „richtig“ zu machen, oder akzeptiert zu werden, hat man hingegen schnell das Gefühl, sich zu beschneiden. Und ist ja auch immernoch in seiner Egozentrik verwurzelt. Denkt ja immernoch ständig nur an sich. In dem Moment allerdings, in dem man wirkliches Interesse am anderen hat, vergisst man sich selbst, und dann nimmt man sich auch nicht zurück, weil in dem Moment ja auch nicht sofort was aus einem raus muss.

Ich bin z.b. ein zutiefst ungeduldiger Mensch. Wenn irgendetwas nicht sofort klappt, drehe ich am Rad. Ich kann die Wohnung zusammenbrüllen, weil mein Drucker Minuten für eine Kopie braucht.
Wenn ich aber meine Klavierschüler unterrichte, bin ich die Geduld in Person, auch wenn ich mich innerlich sehr zurücknehmen muss. Es ist nicht leicht für mich, Dinge, die ich sofort selbst hinklotzen könnte, erst über tausend verschiedene Synapsen anderer Personen laufen lassen zu müssen.
Es strengt mich an, mich zurückzunehmen, aber ich fühle mich trotzdem nie als Persönlichkeit eingeschränkt, weil mir wichtig ist, warum ich mich zurücknehme: weil jedes einzelne Kind auf jede einzelne Art verschiedene Schwierigkeiten, aber auch verschiedene Talente hat, und es verdient, einen Unterricht zu haben, der an genau seinen eigenen Entwicklungspunkten ansetzt. Ich denke in dem Moment nur daran, was der Schüler braucht.

Also, es ist sonnenklar, dass diese Freundin an sich arbeiten muss, sie weiß das wohl auch, aber ich befürchte, sie arbeitet an etwas falschem. Einen Teil der Persönlichkeit unterdrücken zu wollen, kann nur nach hinten losgehen. Ich gehe aber davon aus, dass Egozentrik kein Teil der Persönlichkeit ist, sondern etwas, das aus Komplexen oder mangelndem sozialen Wissen heraus entsteht, und daher bearbeitet werden kann, wenn man das denn möchte.

Gruß
Judy